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Mitte-Rechts im Aufwind

Die Grünen werden bei den Wahlen im Oktober Wählerstimmen verlieren. Keystone

Vier Monate vor den eidgenössischen Parlamentswahlen im Oktober zeichnet sich ein leichter Rechtsrutsch ab. Die Freisinnig-Liberalen werden laut dem dritten Wahlbarometer der SRG SSR Wähler gewinnen, die Polparteien SP und SVP bleiben relativ stabil, und die kleineren Mitteparteien wie auch die Grünen werden Wähleranteile verlieren.

Die repräsentative Umfrage des gfs.bern im Auftrag der SRG SSR wurde in den ersten zwei Juni-Wochen durchgeführt und bestätigt grundsätzlich die Ergebnisse der vorhergehenden Umfragen. Auffallend ist der Zuwachs am zu erwartendem Wähleranteil, den die FDP.Die Liberalen in den vergangenen Monaten verzeichnen konnten. Allein bei den eigenen Wählern ist es der Partei in den vergangenen Monaten gelungen, den Anteil der Befragten, die angaben, sich an den Wahlen beteiligen zu wollen um 6 Prozentpunkte zu steigern.

Studienleiter Claude Longchamp führt das auf die Wahlen im Kanton Zürich im April zurück, bei denen die FDP.Die Liberalen und das restliche bürgerliche Lager auf der Gewinnerseite standen: «Die Zürcher Wahl hat die FDP von der Verlierer- zur Gewinnerpartei gemacht.»

Laut dem Wahlbarometer ist auch klar, wo die FDP die Wechselwähler abholen wird: Bei der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) und den beiden bürgerlichen Mitteparteien Grünliberale und Bürgerlich Demokratische Volkspartei (BDP). Laut dem Wahlbarometer wird die FDP gegenüber 2011 um 2 Prozentpunkte zulegen und so auf 17,1% Wähleranteil kommen.

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Mit 26,1% Wähleranteil wird die SVP die wählerstärkste Partei bleiben, und auch die im linken Spektrum agierenden Sozialdemokraten können mit stabilen 19,3% rechnen. Wähler verlieren werden aller Voraussicht nach die Grünliberalen, die BDP, die Christdemokraten und die Grünen.

Die Gründe sind je nach Partei unterschiedlich, haben aber einen gemeinsamen Nenner: Denn vier Partei haben sich bisher zumindest thematisch schlecht positionieren können. So beschäftigt die Umwelt- und Klimaproblematik die Wählerinnen und Wähler weit weniger stark als noch vor den Wahlen 2011, als der durch die Reaktorkatastrophe von Fukushima ausgelöste Schock noch präsenter war. Im Wahlbarometer 2015 kommt das Thema Umwelt bei den am dringendsten zu lösenden Themen an dritter Stelle. 2011 stand es noch ganz oben. Das wird die Grünen, deren Kernthema die Umwelt- und Klimapolitik ist, Stimmen kosten.

Der erst 2008 gegründeten BDP ist es bisher nicht gelungen, in einem oder mehreren brennenden Themen die Führung zu übernehmen. Deshalb wird sie laut dem Wahlbarometer Mühe haben, ihre Wähler zu behalten.

Initiativen als Marketing

Der CVP und den Grünliberalen könnte ihre eigene Marketingstrategie zum Verhängnis werden. Beide Parteien haben mit Blick auf die Wahlen Volksinitiativen lanciert und die damit verbundenen Abstimmungen am 8. März verloren. 

SRG-Trendbefragung

Die repräsentative Umfrage wurde vom Forschungsinstitut gfs.bern im Auftrag der SRG SSR, zu der auch swissinfo.ch gehört, durchgeführt.

Befragt wurden zwischen dem 1. und 12. Juni 2015 genau 2009 stimmberechtigte Personen in den drei Sprachregionen. Der statistische Fehler bei der gesamten Stichprobengrösse beträgt +/- 2,2%-Punkte.

Die CVP wollte die Kinder- und Familienzulagen steuerlich begünstigen, und die GLP wollte die Energiewende beschleunigen, indem die Mehrwert- durch eine Energiesteuer hätte ersetzt werden sollen. 92% der Stimmenden lehnten die Initiative ab: «Seit dem 8. März ist der Wahlkampf der GLP zusammengekracht wie ein Kartenhaus», sagt Claude Longchamp.

Die CVP habe mit der verlorenen Abstimmung auch das Wahlkampfthema Familie verloren. «Damit ist klar, dass Volksinitiativen nicht zwingend der Profilierung einer Partei dienen. Bei Niederlagen sind ihre Auswirkungen negativ», so Longchamps.

Europa und Migration im Zentrum

Grundsätzlich wird sich laut dem Wahlbarometer die Parteienlandschaft im Land nach den Wahlen nicht stark verändern. Das habe auch damit zu tun, dass sich die Kräfteverhältnisse in den 1990er-Jahren mit dem fulminanten Aufstieg der SVP grundlegend verändert haben und sich nun stabilisierten.

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Beherrschendes Thema war damals das Volks-Nein zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) im Dezember 1992 und seine Folgen. Bei den Wahlen 2015 steht die Europaproblematik an zweiter Stelle der laut den befragten potentiellen Wählern dringendsten Probleme, welche die Schweiz lösen muss. An erster Stelle steht das Thema Migration und Ausländer, wobei gegenüber vorherigen Befragungen die Schlepperproblematik und die Flüchtlingsdramen im Mittelmeer das Thema der in der Schweiz lebenden Ausländer in den Hintergrund hat rücken lassen.

Auf dem Magen liegen den Schweizern auch die soziale Sicherheit und mit ihr die Sicherung der AHV, das Krankenkassen- und Gesundheitswesen, die Arbeitslosigkeit und die Umwelt.

Auffallend ist, dass im Tessin nicht die Migration an erster Stelle kommt, sondern die drohende Arbeitslosigkeit. Die Umweltproblematik, die gesamtschweizerisch an dritter Stelle steht, kommt im Tessin erst an fünfter Stelle, und in der Westschweiz figuriert sie nicht mehr unter die ersten fünf Themen.

Die ungelöste Europafrage (Umsetzung Zuwanderungsinitiative, Zukunft der Bilateralen, institutioneller Rahmenvertrag) ist gesamtschweizerisch das zweitwichtigste Thema, spielt bisher im Wahlkampf jedoch praktisch keine Rolle. Das sei darauf zurückzuführen, dass der Bundesrat und auch die EU das Thema zurzeit auf sehr kleiner Flamme kochten, sagt Longchamp: «Nach den Wahlen wird es rasant auf uns zukommen.»

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