Die Schweiz, Insel hoher Roaminggebühren
Europäerinnen und Europäer, welche die Schweiz bereisen und dabei ihr Mobiltelefon benützen wollen, sollten es sich zweimal überlegen: Während sie in der Europäischen Union und drei Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums seit Donnerstag zu Bedingungen wie daheim telefonieren können, bleibt die Schweiz in diesem Bereich eine Hochpreis-Falle.
Der Hashtag #DontCallMeInSwitzerland (Ruf mich nicht in der Schweiz an) dürfte ab dieser Woche wohl kräftig Aufwind erhalten. Denn seit dem 15. Juni können Bürgerinnen und Bürger aus den Ländern der Europäischen Union (EU) und aus drei Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) – Island, Liechtenstein und Norwegen – ihre Mobiltelefone in diesem Raum nutzen wie im Inland.
Die neue EU-Regelung «Roam like at Home»Externer Link bedeutet, dass Mobilfunk-Verträge in all diesen Ländern in der Regel ohne Zusatzkosten gelten. Für Bürgerinnen und Bürger dieser Länder werden also keine Roamingaufschläge mehr für Anrufe, SMS und Internetnutzung erhoben.
Da die Schweiz weder EU noch EWR-Mitglied ist, bleibt sie dabei aussen vor. Das bedeutet, dass Schweizerinnen und Schweizer im Ausland und Reisende aus der EU hierzulande weiterhin Roaminggebühren zahlen müssen, wenn sie ihr Mobiltelefon benützen. Was muss man wissen, wenn man sich für die Schweiz interessiert?
Wie es dazu kam
Viele Europäerinnen und Europäer stellten früher ihr Mobiltelefon ab oder schalteten es in den Flugmodus, wenn sie im Ausland herumreisten. Vor über zehn Jahren begann die Europäische Kommission, die Roaminggebühren zu senken. 2013 kam der Vorschlag, diese vollständig abzuschaffen. Das Gesetz dazu trat am 15. Juni 2017 in Kraft.
Bereits vor dem EU-Entscheid zahlten Schweizerinnen und Schweizer im Ausland mehr für ihre Telefonanrufe, SMS und Downloads als ihre europäischen Nachbarn. Die 28 Staaten hatten bereits eine verbindliche Obergrenze für Roamingkosten festgelegt.
Seit 2009 wurden die Kosten systematisch gesenktExterner Link, von 49 Eurocent pro Minute für einen Anruf während des Roamings und einem Euro (1,09 Franken) pro Megabyte Datendownload auf Null (seit 15. Juni).
In der Schweiz hingegen gibt es keine Obergrenzen. Gemäss Angaben des Bundesamts für StatistikExterner Link (BFS) zahlte 2015 ein Schweizer Mobiltelefonbenutzer, der im europäischen Ausland einen Anruf entgegennahm, zwischen 25 (mit Abonnement) und 50 Eurocent pro Minute (mit Prepaid-Karte).
Immerhin sind die Kosten für mobiles Datenroaming für Schweizer Konsumenten in der EU stark zurückgegangen, von etwa 4,50 Franken pro Megabyte 2010 auf rund 10 Eurocent 2015, Steuern ausgenommen.
Schweizer Mobilfunk-Anbieter wie Swisscom, Salt und Sunrise, die den Markt beherrschen, verdienen mit Kundinnen und Kunden, die im Ausland ihr Mobiltelefon benützen, jedes Jahr Hunderte Millionen Franken.
Video Nouvo SRF: Seit dem 15. Juni 2016 zahlen EU-Bürger keine Roaminggebühren mehr. Nur für Schweizer bleibt Telefonieren und Surfen im Ausland teuer.Ab heute zahlen EU-Bürger keine #RoaminggebührenExterner Link mehr. Nur für #SchweizerExterner Link bleibt #TelefonierenExterner Link und #SurfenExterner Link im #AuslandExterner Link teuer. 📱 #roamingExterner Link pic.twitter.com/5xWOhYCwJkExterner Link
— Nouvo SRF (@NouvoDE) 15. Juni 2017Externer Link
Anpassungen
In Erwartung der EU-Regelung hat Swisscom die internationalen Roamingkosten bereits im April gesenkt und erklärt, in einigen Fällen sogar die Kosten von EU-Anbietern zu unterschreiten. Zudem verschob das Unternehmen 26 Länder in eine günstigere Tarifzone, was für einige Destinationen die Preise um bis zu 80% reduziert habe. In Liechtenstein zahlen Kundinnen und Kunden von Swisscom und Salt keine Roaminggebühren, wenn sie eine Nummer mit der dortigen Ländervorwahl +423 anwählen.
Einige Schweizer Parlamentarier fordern ein bilaterales Abkommen mit der EU, um die Spiesse für Schweizer und Europäer gleich lang zu machen. Doch in einer politischen Debatte um Telefonie-Obergrenzen könnte sich das Parlament skeptisch gegenüber der Idee zeigen, den Mobilfunk-Anbietern solche zu diktieren.
In der Zwischenzeit empfehlen Experten Reisenden durch die Schweiz, zumindest ihr Datenroaming abzuschalten, während sie im Land sind. Für die Tourismusdestination Schweiz könnte das im Winter zu einem Standortnachteil werden, weil Skifahrer auf französischen und österreichischen Pisten ohne Zusatzkosten telefonieren können. Zudem könnten sich Schweizer Touristen an europäischen Stränden diskriminiert fühlen, weil sie nicht unlimitiert telefonieren oder Fotos teilen können.
Gesetzliche Hürden
Stephan Netzle, Präsident der Eidgenössischen KommunikationskommissionExterner Link (ComCom), hat seine Zweifel, dass die Roamingkosten in der Schweiz fallen könnten. «Aus Sicht der EU gäbe es keinen Grund, die Schweiz nicht mit einzubeziehen», erklärte er in einem Interview mit dem Zürcher Tages-Anzeiger.
«EU-Bürger würden profitieren, wenn sie in den Ferien in der Schweiz billiger telefonieren könnten. Aber die Telecom-Unternehmen im EU-Raum haben Druck gegen die Aufnahme der Schweiz gemacht. Sie haben ein Interesse daran, dass sie Schweizer Anbietern weiterhin Gebühren verrechnen können, wenn deren Kunden ihr Netz nutzen.»
Das Roaming sei aber nur «eines von vielen Dossiers, die wir mit der EU verhandeln möchten. Es steht nicht zuoberst auf der Prioritätenliste», betonte Netzle.
(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)
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