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Die Schweizerische Nationalbank ignoriert den Klimawandel

Fossile Energie
Ohne klimaverträgliche Investitionen sind die globalen Klimaziele nicht zu erreichen. Keystone / Larry Mayer

Schweizer Banken und Pensionskassen investieren immer noch gewaltige Summen in fossile Energieunternehmen und leisten so der Klimaerwärmung Vorschub. Das ist das Fazit eines Klimaverträglichkeitstests des Bundes. Die Nationalbank hat bei dem Test gar nicht erst mitgemacht.

Knapp 180 Schweizer Finanzinstitute haben sich in diesem Jahr an freiwilligen Klimaverträglichkeitstests beteiligt. Im Auftrag des Bundesamts für Umwelt (Bafu) untersuchte der unabhängige Think Tank «2° Investing Initiative», wie klimaverträglich sie investieren. Erstmals nahmen neben Pensionskassen auch Banken und Vermögensverwalter teil.

Das Bewusstsein, dass Aktien und Obligationen einen Einfluss auf das globale Klima haben, ist also bei den Finanzakteuren angekommen. Und wer schon bei den Klimatests des Bundes vor drei Jahren mitmachte, schneidet laut dem Bericht besser ab als die Konkurrenz.

Generell setzt der Schweizer Finanzplatz aber noch viel zu stark auf fossile Energieunternehmen, gemessen am Ziel, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. So investieren laut dem im November publizierten Bericht Schweizer Banken und Pensionskassen viermal mehr Mittel in Firmen, die Strom aus fossilen Quellen wie Kohle und Gas erzeugen, als in Produzenten von erneuerbarem Strom. Sie finanzieren unter dem Strich sogar einen zusätzlichen Ausbau der internationalen Kohle- und Erdölförderung.

Dabei müssten diese Investitionen stark zurückgehen, um das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen, das die Schweiz 2015 unterzeichnet hat. Fakt ist: Mehr als die Hälfte der Institute, welche nach eigenen Angaben Kohle von ihren Investitionen ausschliessen, haben diesen Schritt noch nicht vollzogen.

Jedes fünfte Institut fehlte

Wer bei den Klimaverträglichkeitstests unter dem Stichwort Pacta 2020 (Paris Agreement Capital Transition Assessment) mitgemacht hat, ist für die Öffentlichkeit nicht einsehbar. Das Bafu spricht von einer Abdeckung von 80 Prozent, die Ergebnisse seien also für den gesamten Schweizer Finanzmarkt «repräsentativ». Die Finanzinstitute, die teilnahmen, erhalten nun einen individuellen Bericht, der ihnen zeigt, wo sie im Vergleich zur Konkurrenz stehen.

Gar nicht erst mit von der Partie war die Schweizerische Nationalbank (SNB), wie swissinfo.ch in Erfahrung bringen konnte. Auf unsere Frage, ob sie teilnehmen werde, schrieb die Bank bereits im April, dass sie «möglichst marktneutral» investiere und keine Über- oder Untergewichtung einzelner Sektoren vornehme.

«Das Ergebnis eines allfälligen Klimatests würde im Wesentlichen also dasselbe Ergebnis zeigen wie beim ‹Weltaktienportfolio›, das als Referenz sowieso im Rahmen dieses Tests berechnet wird.» Auf Nachfrage hat Mediensprecherin Susanne Mühlemann diese Aussage nun nochmals bestätigt.

Bei den 180 teilnehmenden Finanzinstituten fliessen laut dem Bericht durchschnittlich 3 bis 5 Prozent des untersuchten Portfoliowerts in fossile Energie wie Erdöl, Erdgas und Kohle. Beim Weltaktienportfolio, auf das sich die Nationalbank abstützt, beträgt dieser Anteil laut dem Report sogar 8 Prozent.

Die SNB steht also deutlich schlechter da, zumindest als der Durchschnitt jener Finanzinstitutionen, die sich an den Klimatests beteiligten.

Die Nationalbank ist in ihren Investitionen heute kaum eingeschränkt. So investiert sie zwar nicht in Unternehmen, welche international geächtete Waffen produzieren, aber weiterhin in die Rüstungsindustrie – die Kriegsmaterialinitiative, die ihr das untersagt hätte, wurde Ende November von der Stimmbevölkerung abgelehnt. Ein Rückzug aus fossilen Investitionen ist für die Nationalbank zurzeit kein Thema. Die Bank betont immer wieder, ihr Auftrag sei es, für Finanz- und Preisstabilität zu sorgen.

Andere Zentralbanken wie die Banque de France berücksichtigen bei ihren Investitionen bereits ökologische Kriterien. Sie ist damit einen Schritt weiter als die Nationalbank, so der Zürcher Finanzprofessor Marc Chesney auf Anfrage.

Verdoppelung der Schweizer Emissionen

Die SNB gehört zu den grössten institutionellen Investoren der Welt. Der mit ihrem Aktienportfolio finanzierte Ausstoss an Treibhausgasen ist fast gleich hoch  wie die gesamten CO2-Emissionen der Schweiz im Inland, wie die NGO Artisans de la Transition mit Sitz in Fribourg errechnet hat.

Die Zürcher SP-Nationalrätin Jacqueline Badran wollte die Nationalbank in einer Motion auffordern, Unternehmen auszuschliessen, welche gravierende Klimaschäden verursachen. Die Motion wurde aber im Parlament nicht einmal behandelt und nach zwei Jahren als unerledigt abgeschrieben.

Die Frist verstrich ausgerechnet Ende September, als die Klimajugend den Bundesplatz besetzte und vom Bund wie auch von der Nationalbank mehr Klimaschutz einforderte. «Wenn eine Motion nicht mehrheitsfähig ist, dann ist es auch nutzlos, gegen einen Abschreibungsantrag zu kämpfen», schreibt Badran per Mail zu den Vorgängen im Parlament.

Volksinitiative möglich

Vom Tisch ist das Thema damit aber nicht, weder für die Nationalbank noch für andere Banken und Pensionskassen. So unterstreicht auch ein Postulat der ständerätlichen Umweltkommission, dass Finanzinvestitionen auf die Ziele des Pariser Klimaabkommens auszurichten seien. Der Bund plant die nächsten Klimatests in zwei Jahren.

Und wenn solche freiwilligen Massnahmen nichts nützen, könnten staatliche Vorgaben nachhelfen: Die Klima-Allianz, ein Bündnis von Schweizer Umweltorganisationen, hat schon einmal gefordert, dass Finanzinstitutionen wie in der EU zu verpflichten seien, «ihre Strategien zur Reduktion der finanzierten Treibhausgasemissionen» offenzulegen.

Laut Medienberichten prüfen die Sozialdemokraten sogar die Lancierung einer neuen Volksinitiative, um Banken zu klimaverträglicheren Investitionen zu verpflichten.

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