Nachhaltigkeit interessiert Frauen aus Idealismus, Männer aus Karrieregründen
Barbara Weber, Gründerin der Investmentgesellschaft B Capital Partners AG, bedauert, dass Schweizer Anleger:innen bei der Finanzierung nachhaltiger Infrastrukturen nicht vorne mit dabei sind. Ein Interview.
Energiegewinnung, Transportsysteme, Wasserversorgung und Telekommunikation: Die Infrastruktur spielt beim Übergang in eine nachhaltigere Wirtschaft eine entscheidende Rolle.
Gemäss den Vereinten Nationen versteht man unter nachhaltiger Infrastruktur jene, «die so geplant, entworfen, gebaut, betrieben und ausser Betrieb genommen wird, dass ihre wirtschaftliche, finanzielle, soziale, ökologische und institutionelle Nachhaltigkeit während ihrer gesamten Lebensdauer gewährleistet bleibt».
Das Treffen mit Barbara Weber findet in Zürich statt. Weber ist Expertin für Investments in die sogenannt «grüne» Infrastruktur.
swissinfo.ch: Sie sind gebürtige Deutsche, haben aber auch in anderen Ländern gelebt. Warum haben Sie sich entschieden, B Capital Partners in Zürich zu gründen?
Barbara Weber: Ich arbeitete damals, im Jahr 2003, in Zürich als Beraterin spezialisiert auf nachhaltige Investments. Ich habe diese Stadt da schon sehr geschätzt und die Entscheidung zur Gründung B Capital Partners fiel ähnlich wie die Entscheidung für einen Kinobesuch. So einfach ist das.
Sie haben Ihre Büros an der Bahnhofstrasse, eine der bekanntesten und teuersten Strassen der Schweiz. Brauchen Sie diese Adresse für Ihre Glaubwürdigkeit?
Persönlich ist mir der Anschluss an den öffentlichen Verkehr für unsere Kund:innen und unser Personal wichtiger. Aber es ist ebenso wahr, dass unsere externen Investor:innen diese Lage als Zeichen für Professionalität und langfristige Ausrichtung wahrnehmen.
Natürlich ist es für B Capital Partners sehr wichtig Meinungs-Leaderin im Bereich der Investition in nachhaltige Infrastruktur zu sein – und als solche wahrgenommen zu werden. Aus diesem Grund schreibe ich Bücher und zahlreiche Publikationen und bin auch bereit, auf Fachseminaren zu sprechen.
B Capital Partners hat die «Women’s Empowerment PrinciplesExterner Link» unterzeichnet. Sind Frauen speziell sensibilisiert für Bereiche Umwelt, Soziales und Unternehmensführung?
Nein, es ist Unsinn zu glauben, dass Frauen die besseren Menschen sind. Vielmehr stimmt es, dass Nachhaltigkeit zuerst eine Nische war, die vor allem von idealistischen Frauen besetzt wurde. Als dieser Bereich jedoch an Bedeutung gewann, zog er auch viele Männer an, die auf der Suche nach einer Karriere waren.
Die obersten Führungskräfte von Schweizer Banken dürfen nicht in den Verwaltungsräten der Banken sitzen. Warum wenden Sie diese Regel der guten Unternehmensführung bei B Capital Partners nicht an?
Diese Fälle sind nicht vergleichbar. Bankdirektor:innen sind keine Eigentümer:innen. In meinem Fall sitze ich zusätzlich zu meiner Führungsposition als Miteigentümerin im Verwaltungsrat. Ursprünglich war ich sogar Vorsitzende dieses Verwaltungsrats, habe diese Rolle aber an Monica Dell’Anna abgegeben.
Was gefällt Ihnen an nachhaltigen Investitionen und was nicht?
Ich hasse Greenwashing, aber glücklicherweise ist es dank staatlicher Regulierungen auf dem Rückzug. Andererseits gefällt es mir sehr, wenn Investor:innen die Aufrichtigkeit unseres Ansatzes zu schätzen wissen.
B Capital Partners konzentriert sich ausschliesslich auf nachhaltige Infrastruktur. Bedeutet das, dass Sie sich hochprofitable, aber nicht nachhaltige Möglichkeiten entgehen lassen?
Auf lange Sicht – sagen wir über zehn Jahre – sollten alle guten Investitionsmöglichkeiten nachhaltig sein. In einigen Fällen ist es derzeit noch möglich, die Umwelt zu verschmutzen, ohne dafür finanziell bestraft zu werden. Auf lange Sicht wird dies nicht mehr möglich sein.
Sind Schweizer Investor:innen in diesem Bereich führend?
Nicht wirklich. Schweizer Anleger:innen können ihr Geld in nachhaltige Infrastrukturprojekte investieren, müssen dies aber nicht. Institutionelle Anleger in der Europäischen Union hingegen unterliegen seit kurzem einer verbindlichen Regelung.
Elektroautos sind in mancher Hinsicht nachhaltig, in anderer Hinsicht jedoch weit weniger. Sind solche Widersprüche und Grauzonen weit verbreitet?
Ja. Nehmen wir zum Beispiel Staudämme: Sie erzeugen Strom auf nachhaltige Weise, können aber gleichzeitig negative Auswirkungen auf die Biodiversität haben. Die Festlegung von Vergleichsmethoden – beispielsweise zwischen den Vorteilen einer nachhaltigen Kilowattstunde und der Beeinträchtigung der Biodiversität – ist eine echte Herausforderung. Was meiner Meinung nach unbedingt vermieden werden muss, ist ein so starker Schaden an der Biodiversität, dass sie nicht mehr in der Lage ist, sich selbst zu regenerieren.
Praktisch alle Investmentgesellschaften betonen die Nachhaltigkeit ihrer Investitionen. Wer investiert noch in nicht nachhaltige Infrastruktur?
Zumindest in Europa verzichten Pensionsfonds, Versicherungen, Staatsfonds und einige Stiftungen aus Rücksicht auf ihre eigenen Vorschriften auf solche Investitionen. Privatanleger:innen, die nicht an diese Art von Beschränkungen gebunden sind, haben immer noch die Möglichkeit, in nicht nachhaltige Infrastruktur zu investieren. Aus Imagegründen weigern sich Banken und Versicherungen jedoch zunehmend, Dienstleistungen für diese Art von Privatanleger:innen zu erbringen.
Ich halte es für akzeptabel, in Unternehmen zu investieren, die noch über nicht nachhaltige Infrastrukturen verfügen. Denn diese können nicht einfach so verschwinden. Aber nur unter der Bedingung, dass diese Unternehmen sich glaubwürdig auf eine neue Generation nachhaltiger Infrastrukturen ausrichten.
Die Beteiligung von Staaten an der Infrastruktur ist wichtig. Mit welchen besonderen Herausforderungen sehen Sie sich daher konfrontiert?
Staatliche Regelungen sind oft das Ergebnis politischer Kompromisse. Bei den Eisenbahnen beispielsweise gibt es wenig Wettbewerb und eine gewisse Ineffizienz, aber die Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind, müssen ihre Dienstleistungen auch in sehr abgelegenen Gebieten anbieten.
In diesem Zusammenhang ziehen wir es vor, uns auf kleine und mittlere Infrastrukturen zu konzentrieren, weil diese einem stärkeren Wettbewerb unterliegen und daher effizienter sind. Und auch die Renditen sind attraktiver.
Sie haben ein Risikomanagement-Tool speziell für Ihren Bereich entwickelt. Warum haben Sie dieses Tool ins Internet hochgeladen, damit es alle nutzen können?
Um das Thema Nachhaltigkeit so schnell wie möglich voranzutreiben, waren wir davon überzeugt, dass wir alles mit anderen teilen sollten, auch unser Management-Tool. Unsere Konkurrenz, Berater:innen und Inverstor:innen haben die Anwendung immer wieder heruntergeladen. Leider erhielten wir nur sehr wenig Feedback, das die Verbesserung dieses Tools weitertreiben konnte. Seine neuesten Versionen haben wir nicht mehr veröffentlicht.
Editiert von Samuel Jaberg. Übertragung aus dem Französischen: Benjamin von Wyl
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