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Nationalbank hält an ihrer Geldpolitik fest

Der Fall des Euros gegenüber dem Franken geht weiter. swissinfo.ch

Die Schweizerische Nationalbank will den Leitzinssatz bei 0,25% belassen und die Wirtschaft weiterhin mit billigem Geld versorgen. Dies vor dem Hintergrund der Franken-Stärke, unter der Exporte und Tourismus leiden, und einer Abschwächung des Wirtschaftswachstums.

Der seit Jahresanfang trotz massiver Devisenmarkt-Interventionen anhaltend teurer gewordene Schweizer Franken beginnt die Exporte zu belasten.

Das führe, zusammen mit einer abnehmenden Dynamik der Weltkonjunktur, zu einer deutlichen Abschwächung des realen Wirtschaftswachstums in der Schweiz, erklärte die Nationalbank (SNB).

Die SNB geht davon aus, dass die Schweizer Wirtschaft dieses Jahr um 2,5% wächst, wie sie am Donnerstag mitteilte.

Bei ihrer letzten Lagebeurteilung im Juni hatte sie noch ein Wachstum von rund 2% vorhergesagt.

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) erwartet gemäss einer ebenfalls am Donnerstag publizierten Prognose ein etwas höheres Wachstum von 2,7%.

Keine nachhaltige Erholung

Für 2011 gab die Notenbank keine konkrete Prognose ab. Sie rechnet aber mit einer deutlichen Abschwächung des Wachstums, nachdem die Erholung zuletzt überraschend stark war.

Sorgen bereitet der Nationalbank auch die starke Franken-Aufwertung. Erwartungsgemäss machte sie aber keine Angaben zu allfälligen Interventionen auf dem Devisenmarkt.

Gewerkschaftliche Forderung nach Intervention

Am Mittwoch hatte der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) die SNB aufgefordert, auf dem Devisenmarkt einzugreifen, um den Franken zu drücken.

Die Nationalbank hatte aber lediglich erklärt, sie werde bei Deflationsgefahr, die sich aus der Franken-Aufwertung ergeben könnte, «die notwendigen Massnahmen» ergreifen, um die Preisstabilität zu gewährleisten.

SGB-Präsident Paul Rechsteiner hatte einen Kurs von unter 1,30 Franken je Euro als «dramatisch» bezeichnet. Hinzu komme, dass sich die Aufwertung des Frankens gegenüber dem Dollar beschleunigt habe.

Die SNB und die Politik müssten die «übertriebene Franken-Stärke» mit aller Kraft bekämpfen, forderte Rechsteiner. Sonst drohe «eine enorme Wirtschaftskrise, die einzig durch die massive Überbewertung des Frankens verursacht wird».

Intervention nötig?

Janwillem Acket, Chefökonom bei der Bank Julius Bär, ist der Meinung, die SNB handle richtig, wenn sie vorläufig nicht eingreife.

«Es ist besser, das Pulver zu behalten und es effizient einzusetzen. Denn Kriege werden nicht gewonnen, indem Munition verschossen wird», sagte er gegenüber swissinfo.ch. «Die SNB hat in diesem Jahr schon mal verloren, als sie massiv intervenierte.»

Die gleiche Haltung vertritt auch Ursina Kubli, Währungs-Expertin bei der Bank Sarasin. «Wenn die Wirtschaft Ende Jahr an Dynamik verliert, würde ich ein Eingreifen in Erwägung ziehen. Es ist ein Instrument für Notfälle», betonte sie gegenüber swissinfo.ch. «Es sollte erst wieder zur Anwendung kommen, wenn ernsthafte Befürchtungen bestehen, dass die Schweiz erneut in eine Rezession fällt.»

Export-Industrie leidet

Der starke Franken macht exportorientierten Firmen zu schaffen, so auch der der Stadler Rail Gruppe von Peter Spuhler, Nationalrat der Schweizerischen Volkspartei (SVP) .

«Der hohe Franken-Kurs tut uns sehr weh. Er wird das eine oder andere Projekt abwürgen. Wir können nur hoffen, dass sich die Lage an der Währungsfront wieder entspannen wird», sagte Spuhler in einem Interview mit dem der Neuen Zürcher Zeitung vom Donnerstag.

«Kurzfristig kann die Euro-Schwäche kompensiert werden, denn wir haben Reserven», so Spuhler weiter. Längerfristig sei ein so starker Franken aber ein Problem, zumal nicht nur der Euro, sondern auch der Dollar schwächele.

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Auch Tourismus in Bedrängnis

Die starke Landeswährung bereitet auch dem Schweizer Tourismus Sorgen: Jürg Schmid, Chef des Branchenverbands Schweiz Tourismus, befürchtet einen Rückgang bei den Buchungen im Spätherbst und Winter.

«Zwar haben wir noch eine Zunahme aus den asiatischen Wachstums-Märkten wie beispielsweise Indien, China oder den Golfstaaten. Das kann jedoch langfristig Ausfälle aus dem grossen Euro-Raum nicht kompensieren», sagte Schmid in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger vom Donnerstag.

Als Folge des schwachen Euros sei die Schweiz für ausländische Touristen um rund 15% teurer geworden, «ohne dass wir um 15% besser geworden wären». Die Tourismus-Betriebe seien aber nicht in der Lage, ihre Preise zu senken, da die ganze Branche «mit hauchdünnen Margen» kalkuliere.

swissinfo.ch und Agenturen

Die SNB erwartet für 2010 eine Teuerungsrate von 0,7%. (Juni-Prognose: 0,9).

2011 dürfte sie auf 0,3% (1,0) sinken und 2012 auf 1,2% (2,2) anziehen.

Damit bleiben die Raten unter der Marke von 2%, die als Grenze für die Preisstabilität gilt.

Die SNB räumte aber ein, dass ihre expansive Geldpolitik langfristig Risiken für die Preisstabilität berge.

Der Ausdruck Libor (London interbank offered rate) bezeichnet die Zinssätze, die von der British Bankers Association an jedem Arbeitstag um 11.00 Uhr Londoner Zeit (12.00 in der Schweiz) fixiert werden.

Der Libor wird häufig als Bezugsgrösse eingesetzt, zum Beispiel bei Hypothekar-Verträgen.

Er bezeichnet auch die Sätze, welche grosse Banken für ungedeckte Geldmarktkredite untereinander verlangen.

Die SNB fixiert jeweils auf drei Monate die Grenzen für Libor-Pendelbewegungen.

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