Roger Köppel: der Journalist, der Christoph Blocher verehrt
"2004 gewann ich als parteiloser Journalist den 'liberal award' der Zürcher Jungfreisinnigen", schreibt Roger Köppel auf seiner WebsiteExterner Link. Heute sitzt der Chefredaktor und Herausgeber der Weltwoche als Mitglied der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei im Nationalrat. Er selber befürchtet nicht, sich wegen dieser Doppelrolle im Bundeshaus verbiegen zu müssen.
«Die Namen der Neuen im Parlament? – Nein, im Moment kommt mir gerade niemand in den Sinn», bedauert eine Touristin aus der Ostschweiz. Auch dem Mann an ihrer Seite fällt nichts dazu ein. Das Paar aus dem Toggenburg ist bei weitem keine Ausnahme. Von den zwei Dutzend Passanten, die swissinfo.ch an einem Nachmittag während der Session des neugewählten Parlaments befragt, können die wenigsten einen der neuen Volksvertreter beim Namen nennen.
Das beste Ergebnis bei der nicht-repräsentativen Umfrage auf der Terrasse hinter dem Bundeshaus in Bern erzielt Roger Köppel. Der neue Shooting Star der Schweizerischen Volkspartei (SVP), der im Oktober auch das beste Wahlresultat aller Zeiten erzielt hatte, obwohl er erst seit wenigen Monaten der rechtskonservativen Partei angehört, wurde auf der Bundesterrasse von den Passanten immerhin drei Mal spontan genannt.
Einige der Befragten wissen sogar, dass er beruflich mit Medien zu tun hat. «Das ist der grosse Journalist aus Zürich, sagt eine Bernerin mit bewundernder Stimme, allerdings ohne zu wissen, bei welcher Zeitung sich dieser einen Namen gemacht hat.
«Einer der Besten», sagen drei Frauen einhellig, die sich als SVP-Sympathisantinnen outen und ihre politischen Noten für Roger Köppel damit begründen, «dass er für unsere Schweiz einsteht: ein echter Patriot».
Weniger Kredit hat der Besagte bei einem jungen Paar aus der Zentralschweiz. Die Beiden haben an der Universität Zürich soeben ein Soziologiestudium abgeschlossen. Sie kennen Roger Köppel aus Talkshows des deutschen Fernsehens und belustigen sich darüber, dass sich dieser für eine starke Schweiz einsetze, die sich nicht von ausländischen Mächten unterdrücken lasse. «Laut Köppel verlassen die meisten Flüchtlinge ihr Land freiwillig, um in die Schweiz zu kommen», sagt die junge Soziologin kopfschüttelnd. Ihr Gesicht verrät, dass sie asiatische Wurzeln hat.
Neu im Parlament
Die Tochter von Christoph Blocher, ein kommunistischer Gemeindepräsident, der Chef der Weltwoche, eine junge Grüne: swissinfo.ch publiziert eine Auswahl von Porträts neuer Abgeordneter, die bei den Wahlen vom 18. Oktober 2015 ins Parlament gewählt wurden.
Entdecken Sie diese neuen Gesichter unter der Bundeshauskuppel, seien es Vertreterinnen oder Vertreter von Regierungsparteien oder kleiner Gruppierungen.
«Kein Menschenrecht auf freie Niederlassung»
Roger Köppel polarisiert auch die Leute auf der Strasse. In der auflagenstarken Politzeitschrift «Weltwoche», bei der er nicht nur Chefredaktor, sondern auch Verleger ist, beackert er seit Jahren die populären Kernthemen der SVP, mit denen er sich «völlig identifiziert».
«Nehmen Sie die Asylproblematik», sagt er im Gespräch mit swissinfo.ch im Vorzimmer des Nationalratssaals, wo der frisch Vereidigte bereits besser vernetzt und bekannt ist als mancher altgediente Parlamentarier. «Die Bundespräsidentin [Simonetta Sommaruga, N.d.R.] lässt zu, dass man den Flüchtlingsbegriff und die dahinter stehende Rechtsordnung nicht mehr ernst nimmt, sondern alles zu Flüchtlingen erklärt, was hier her kommt.»
Mit seiner konfrontativen Politik hat sich der Journalist nicht überall beliebt gemacht. In einer populären Talkshow des Schweizer Fernsehens musste sich der lautstarke Kritiker der Schweizer Asylpolitik vorwerfen lassen, dass auf ihn zuhause selber eine ehemalige Asylsuchende warte. Roger Köppel sieht darin keinen Widerspruch. «Gerade aus den Gesprächen mit meiner Frau habe ich angefangen, die verschiedenen Flüchtlingskategorien zu begreifen.» Die Familie seiner Gemahlin sei in Vietnam damals «an Leib und Leben bedroht worden» und in der Schweiz mit «humanitären Visa des IKRK als verfolgte Personengruppe aufgenommen worden». Das sei nicht vergleichbar mit der «Massenmigration aus Eritrea, wo Leute mit wirtschaftlichem Hintergrund auf der Asylschiene in die Schweiz kommen».
Natürlich würde er mit seiner Familie auch die Flucht ergreifen, wenn er in der Heimat keine Existenzgrundlage mehr hätte, räumt der Vater von drei kleinen Kindern ein. «Es ist zwar verständlich, dass einige aus wirtschaftlichen Gründen kommen wollen, aber ihnen muss man halt sagen: ‹Entschuldigung, aber der Asylstatus ist nicht für Euch gemacht. Es gibt kein Menschenrecht auf freie Niederlassung›.»
Vom «verlogenen Jubel» angewidert
Nicht nur über Simonetta Sommaruga, sondern auch über Eveline Widmer-Schlumpf zieht Roger Köppel regelmässig her, verbal oder mit spitzer Feder. Als die ausserhalb der SVP geachtete Finanzministerin im Herbst ihre Demission bekanntgab, wurde sie in der Weltwoche vom Chefredaktor persönlich als «Intrigantin» bezeichnet und der Lüge, des Verrats und der «Heimtücke» bezichtigt. Der rechtskonservative Journalist erinnerte einmal mehr daran, dass sich die Magistratin vor acht Jahren zur Verfügung gestellt hatte, das Amt des damals abgewählten SVP-Bundesrats zu übernehmen. «Die Abservierung von Justizminister Christoph Blocher löste bei dessen Gegnern und Abwählern regelrechte Glückszustände aus. Ich war damals vermutlich der Einzige im Raum [in der TV-Sendung Arena, N.d.R.], der sich durch den ganzen verlogenen Jubel angewidert fühlte», beklagt sich der Chefredaktor in seiner Weltwoche.
Selbstverständlich habe er manchmal auch Skrupel, sagt Roger Köppel. «Man fragt sich jeweils, ob der Massstab, den man auf eine Person anwendet, gerechtfertigt ist. Als Journalist habe man aber die Pflicht, ohne Rücksicht auf die eigene Beliebtheit, «die Dinge ehrlich auszusprechen und zur Kenntlichkeit zu bringen».
Ob Köppel den SVP-Hut in der Weltwoche-Redaktion ablegen kann, bezweifeln manche kritischen Leser nicht erst seit dessen Beitritt zur wählerstärksten Partei. Und im Parlament dürften einige Parlamentarier gelegentlich darüber rätseln, ob ihnen mit Roger Köppel ein Kollege oder ein Journalist gegenübersteht. Er selber befürchtet deswegen keine «charakterliche Transformation». «Für mich ist es kein Widerspruch, Milizpolitiker und Journalist zu sein. Ich muss auf dem Weg ins Bundeshaus weder mein Rückgrat noch mein Hirn abgeben.»
Von der «einzigartigen Klasse» beeindruckt
Dass er in den Medien als politischer Ziehsohn Blochers bezeichnet wird, hat sich Köppel auch selber zuzuschreiben. Seine Bewunderung für den SVP-Chefstrategen wird auch im Gespräch mit swissinfo.ch offenbar. «Christoph Blocher war der Pionier, der in den 1990er-Jahren das grosse Thema auf die politische Agenda brachte. Er hat das genial und visionär vorausgesehen, was uns heute immer noch beschäftigt», nämlich die Unabhängigkeit der Schweiz zu bewahren. «Er ist ein Phänomen sui generis [lat.: nur durch sich selbst eine Klasse bildend, N.d.R.]», lobpreist Roger Köppel, der in einigen Medien schon als Nachfolger des SVP-Übervaters gehandelt wird.
Das Verhältnis der Schweiz zur EU gehört auch zu Köppels Kernthemen. Der rechtskonservative Journalist ist überzeugt, dass eine Beschränkung der Einwanderung die bilateralen Verträge nicht gefährden wird. Die EU habe an diesen Verträgen mindestens ebenso viel Interesse wie die Schweiz. Aber selbst eine Kündigung dieses Regelwerks wäre für den neuen SVP-Nationalrat keine Katastrophe.
Roger Köppel teilt nicht nur aus, er muss auch einstecken, und Kritik geht ihm manchmal unter die Nägel. «Wenn sie etwas betrifft, was ich nicht gut gemacht habe, wühlt es mich sehr auf.» Ein Beispiel kann oder will er aber nicht nennen. «Das habe ich verdrängt.»
Seinen Wahlerfolg betrachtet der politische Senkrechtstarter als «Anerkennung für mein journalistisches Wirken. Meine Glaubwürdigkeit wird hoch eingeschätzt», gibt sich Köppel überzeugt und fügt – wie selbst verblüfft ob so viel Eigenlob – hinzu: «Kein Mensch ist davor gefeit, dass ihm der Erfolg in den Kopf steigen kann. Manchmal merkt man es gar nicht.»
Steile Karriere
Roger Köppel wurde 1965 in Zürich geboren. Der heute über die Landesgrenze hinaus bekannte Journalist hatte in Zürich und Stuttgart politische Philosophie und Geschichte studiert.
Sein Vater war gelernter Maurer und hatte ein eigenes Bauunternehmen in Zürich. Seine Mutter wuchs in Ostpreussen auf und arbeitete später im Betrieb ihres Ehemannes.
Mit seiner Frau Bich-Tien, die Volkswirtschafterin mit HSG-Abschluss ist und aus einer vietnamesischen Flüchtlingsfamilie stammt, hat Roger Köppel drei kleine Kinder.
Als Journalist war er zuerst bei der «Neuen Zürcher Zeitung» tätig. Beim «Tages-Anzeiger» war er kurze Zeit Chefredaktor des «Magazins». Auch bei der deutschen Tageszeitung «Die Welt» konnte er die Leitung übernehmen. Seit 2007 ist er Eigentümer und Chefredaktor des Politmagazins «Weltwoche», das der SVP nahesteht.
Seit Frühling 2015 ist Roger Köppel Mitglied der SVP. Im Oktober erzielte er bei den Nationalratswahlen mit 178’000 Stimmen das beste Resultat aller Zeiten.
Der neue SVP-Nationalrat wird in der Aussenpolitischen Kommission (APK) Einsitz nehmen. Dort wird er eines seiner bevorzugten Themen, die Beziehungen der Schweiz zur EU, bearbeiten können.
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