Min Li Marti: «Ultralinks, pragmatisch und umgänglich»
Min Li Marti, Verlegerin und Chefredaktorin einer linken Wochenzeitung, hat sich über Jahre hinweg als Gemeindepolitikerin in der Stadt Zürich profiliert. Sie gilt als vielseitig und geschickt taktierende Verhandlerin. Die Sozialdemokratin freut sich, nun auch auf nationaler Ebene mitreden zu können.
Sie ist zwar neu in der Grossen Kammer, doch der Draht zum Bundeshaus besteht seit längerem, denn die 41-jährige Min Li MartiExterner Link ist mit Balthasar Glättli verheiratet, dem Fraktionschef der Grünen im Nationalrat. «Politisch liegen wir nicht Welten auseinander», liess sie nach ihrer Wahl gegenüber dem Zürcher Tages-Anzeiger verlauten, auch wenn sie, die von ihren politischen Kontrahenten in Zürich als «ultralinks» betitelt wird, allenfalls etwas «linker» ist als ihr Gatte. In der Zürcher Politik machte sie sich stark für Kinderkrippen und sozialen Wohnungsbau.
Min Li Marti
Geboren wurde sie am 01.06.1974 in Bern als Tochter einer chinesischen Mutter und eines Schweizer Vaters.
Sie studierte Soziologie, Publizistik-Wissenschaft, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Später bildete sie sich in Public Relations, Management und Drehbuchschreiben weiter. 2004 war sie Mitbegründerin der Filmproduktionsfirma «das Kollektiv».
Min Li Marti sass für die Sozialdemokratische Partei 13 Jahre im Stadtzürcher Parlament, ab 2009 als Fraktionspräsidentin. Sie amtete auch als Co-Leiterin von Kampagnen für die SP Schweiz.
Seit Februar ist sie Verlegerin und Chefredaktorin der linken Zürcher Wochenzeitung P.S.
Im Herbst 2015 wurde sie in den Nationalrat gewählt. Sie hat Einsitz in der WBK (Nationalratskommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur).
Min Li Marti ist mit Balthasar Glättli verheiratet, dem Fraktionschef der Grünen im Nationalrat.
Die Soziologin ist seit knapp einem Jahr Verlegerin und Chefredaktorin der SP-nahen Zürcher Wochenzeitung P.S.Externer Link (Auflage: 7000 Exemplare) und wurde auch schon als «linkes Pendant» von Weltwoche-Verleger und Chefredaktor Roger Köppel bezeichnet, der ebenfalls neu im Nationalrat sitzt – für die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei SVP.
13 Jahre lang hatte Marti auf Gemeindeebene politisiert, die letzten sechs Jahre als Fraktionschefin der SP im Gemeinderat, dem Zürcher Stadtparlament. «Nun kann ich bei der Ausarbeitung von Gesetzen mitreden, die für das ganze Land entscheidend sind, statt nur über Tempo-30-Zonen auf Stadtgebiet zu debattieren», sagte sie nach ihrer Wahl im vergangenen Herbst. Es sei Zeit gewesen, auf «höhere» Ebene zu gehen, denn die Gemeindepolitik habe ihre Grenzen, meint sie gegenüber swissinfo.ch.
Früh politisiert
Während ihrer Schulzeit engagierte sich Min Li Marti bei Amnesty International für Menschenrechte. Als 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) abgestimmt wurde, war ihr Interesse für Politik definitiv geweckt. Während ihres Studiums war sie an der Uni in der Bildungspolitik aktiv und trat später der Sozialdemokratischen Partei bei. «Weil für mich die soziale Gerechtigkeit im Zentrum steht.»
Weitere Kernthemen sind für sie Kultur, Finanzen, Raumplanung und Gleichstellung. «Nicht nur von Mann und Frau – ich meine das global und bin gegen jegliche Art der Diskriminierung.»
Im Gespräch mit swissinfo.ch zeigte sie sich zurückhaltend stolz («denn Erfolge in der Politik sind relativ»), dass aufgrund ihres persönlichen Vorstosses nun eine Quotenregelung im Kader der städtischen Verwaltung und Betriebe umgesetzt wird, um eine bessere Vertretung der Frauen zu erreichen.
Talentierte Kommunikatorin
Min Li Marti hat den Ruf einer guten Teamplayerin, die nicht den Anspruch hat, sich ständig in den Vordergrund zu stellen. «Ich fand es schwierig und auch etwas peinlich, für mich selber Wahlkampf zu machen. Ich mache das lieber für andere», sagt sie, die für die SP Schweiz auch Co-Leiterin für Kampagnen war.
Von ihrer Partei erhält sie ein gutes Zeugnis: Sie habe die Fraktion im Stadtparlament «mit Weitsicht geführt. Mit taktischem Geschick und grossem persönlichen Einsatz ist es ihr immer wieder gelungen, sozialdemokratischen Anliegen zu Mehrheiten zu verhelfen», so die SP Zürich.
Laut der NZZ gilt sie in Zürich als «pragmatische, umgängliche Verhandlerin, die lagerübergreifend Respekt erlangt hat». Von der Schweiz am Sonntag wurde sie gar zur schweizweit einflussreichsten Kommunalpolitikerin in den sozialen Medien erkoren.
Auch dank ihrer Weiterbildung in Public Relations und Management wird ihr zugestanden, das kommunikative Rüstzeug mitzubringen, das in der Politik gefragt ist.
Chinesische Wurzeln
Min Li Martis Mutter lebte längere Zeit in Thailand, nachdem sie aus China geflüchtet war. So ist es nicht von ungefähr, dass die Tochter und Neo-Nationalrätin am chinesischen Neujahrsfest jeweils chinesisch kocht. Die Sprache spricht sie allerdings nicht, auch war sie noch nie in der Heimat ihrer Mutter. «Ich hatte keine Zeit bisher. Aber vielleicht im nächsten Sommer?»
Entdecken Sie diese neuen Gesichter unter der Bundeshauskuppel, seien es Vertreterinnen oder Vertreter von Regierungsparteien oder kleiner Gruppierungen.Für Chinas Politik interessiert sie sich aber trotzdem: «Die gewaltsame Niederschlagung des Volksaufstands auf dem Tiananmen-Platz hat mich tief beeindruckt. Die Menschenrechtslage in China ist nicht optimal. Meiner Meinung nach setzt die Schweiz ihre wirtschaftlichen Interessen manchmal zu hoch», meint Marti, deren Vornamen Min «Intelligenz und Licht» und Li «Vernunft und Weisheit» bedeuten.
Neu im Parlament
Die Tochter von Christoph Blocher, ein kommunistischer Gemeindepräsident, der Chef der Weltwoche, eine junge Grüne: swissinfo.ch publiziert eine Auswahl von Porträts neuer Abgeordneter, die bei den Wahlen vom 18. Oktober 2015 ins Parlament gewählt wurden.
Neuorientierung
Mit ihrer Wahl ins eidgenössische Parlament hat Min Li Marti das Fraktionspräsidium der SP im Stadtparlament von Zürich abgegeben. In der Filmproduktionsfirma, die sie vor gut 10 Jahren mitbegründet hat, ist sie schon länger nicht mehr aktiv. Ihre Funktion als Verlegerin und Chefredaktorin der Wochenzeitung P.S. will sie aber beibehalten, wenn auch reduziert. «Eine 50%-Tätigkeit für den Verlag sollte noch möglich sein», meint sie.
Vorstösse für den Nationalrat hat sie noch keine vorbereitet. Zuerst will sie sich ein gut funktionierendes Netzwerk aufbauen, das es nebst «Geduld, Glück und Freude am Spiel» für dieses Amt brauche. Welches Ziel die Sozialdemokratin mit Sinn für soziale Gerechtigkeit hat, kann man auf ihrer Homepage nachlesen: «Ich will eine Schweiz, die allen Perspektiven bietet und in der für alle ein gutes Leben möglich ist. Heute – aber auch in Zukunft.»
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