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Magdalena Martullo Blocher: In den Fussstapfen des (Über)vaters?

Erster Tag der Wintersession: Magdalena Martullo Blocher legt zu Beginn der 50. Legilatur im Berner Bundeshaus inmitten ihrer SVP-Kollegen den Amtseid, resp. das Gelübde ab. Keystone

Sie ist eine erfolgreiche, mächtige Wirtschaftsfrau und gilt als zielorientiert, schlagfertig und provokativ. Legendär ist ihr barscher Führungsstil. Magdalena Martullo Blocher, Tochter von alt Bundesrat Christoph Blocher, sitzt neu für die SVP Graubünden im Nationalrat. Dort will sich die Quereinsteigerin für eine unternehmerfreundlichere und effizientere Politik starkmachen.

Strammen Schrittes und ohne nach links oder rechts zu blicken – wohl um lauernden Journalisten zu entkommen – schreitet Magdalena Martullo BlocherExterner Link, Mutter dreier Kinder, Konzernchefin der Ems-GruppeExterner Link und Neo-Parlamentarierin der Schweizerischen Volkspartei (SVP), die Bundeshaustreppe hoch in Richtung Nationalratssaal zur ersten Wintersession ihrer Polit-Karriere. Sie, die im Frühjahr überraschend ihre Kandidatur bekanntgegeben hatte und als Zürcherin im Kanton Graubünden ebenso überraschend gewählt wurde, fühlt sich also auch noch in die Politik berufen.

Magdalena Martullo Blocher

Sie kam 1969 als erstes Kind des Unternehmers und späteren SVP-Chefstrategen und Bundesrats Christoph Blocher zur Welt. Nach dem Wirtschaftsstudium an der HSG St. Gallen arbeitete sie beim Pharma- und Medizinaltechnik-Konzern Johnson & Johnson, wechselte zu Rivella und kam 2001 in die Geschäftsleitung der vom Vater geführten Ems-Chemie Holding AG. Seit 2004, als ihr Vater Bundesrat war, ist sie deren Mehrheitsaktionärin und CEO. 2015 wurde die Quereinsteigerin für die SVP Graubünden in den Nationalrat gewählt. Magdalena Martullo Blocher ist mit dem aus Süditalien stammenden Roberto Martullo verheiratet. Das Paar wohnt mit seinen drei Kindern in Meilen (Zürich).

«Es braucht dringend mehr Unternehmer. Wir müssen wieder eine unternehmerfreundlichere, einfachere und effizientere Politik machen, Fehlentscheide nach Möglichkeit rückgängig machen. Dafür bin ich mit dem Auftrag Graubündens gewählt, dafür werde ich mich einsetzen», betont sie gegenüber swissinfo.ch.

Terminlich hat sich die global agierende Unternehmerin organisiert. «Jeder hat seine Mehrfachbelastungen, aber auch Mehrfachfreuden. Jetzt ist es halt noch etwas mehr», meint sie, ohne mit der Wimper zu zucken. Auch inhaltlich werde sie es mit der Zeit hoffentlich hinbringen, «denn die meisten Themen kenne ich als Unternehmerin gut».

Jüngste und mächtigste Wirtschaftsfrau der Schweiz

Unternehmerin wurde sie, als ihr Vater Christoph Blocher Ende 2003 in den Bundesrat gewählt wurde. Er verkaufte sein Aktienpaket an der Ems-Chemie seinen vier Kindern und setzte seine älteste Tochter als Konzernchefin ein. Damals war Magdalena Martullo Blocher erst 34 – und hochschwanger. Seit elf Jahren führt sie nun das Erbe ihres Vaters, ein international tätiges Unternehmen mit 26 Produktionsstandorten in 16 Ländern. Alleine am Hauptstandort in Domat/Ems sind rund 1000 Mitarbeiter beschäftigt. Damit ist die Ems-Chemie der grösste private Arbeitgeber im Bündnerland.

Wie ihr Vater, dem sie verblüffend ähnlich sieht, entspricht auch Martullo Blocher mit ihrem Reichtum und ihrer Macht nicht helvetischem Mittelmass. Als Karrierefrau und häufig abwesende Mutter entspricht sie auch keineswegs dem idealen Frauenbild ihrer Partei. «Als Hausfrau und Mutter bin ich nicht geeignet, mir fällt schnell die Decke auf den Kopf», sagte sie einmal.

Ems-Chefin kämpfte um jede Stimme

Martullo Blocher, die eine politische Laufbahn bis im Frühjahr 2015 immer ausgeschlossen hatte, hat in ihren Wahlkampf sehr viel Zeit investiert. So habe sie selber Plakate aufgehängt und viele Ortschaften und Täler im Kanton besucht.

Neu im Parlament

Die Tochter von Christoph Blocher, ein kommunistischer Gemeindepräsident, der Chef der Weltwoche, eine junge Grüne: swissinfo.ch publiziert eine Auswahl von Porträts neuer Abgeordneter, die bei den Wahlen vom 18. Oktober 2015 ins Parlament gewählt wurden. Entdecken Sie diese neuen Gesichter unter der Bundeshauskuppel, seien es Vertreterinnen oder Vertreter von Regierungsparteien oder kleiner Gruppierungen.

«In kurzer Zeit hat sie sich den Bündnerinnen und Bündnern bekannt gemacht, nicht beliebt, aber offenbar doch vertraut», war im Bündner Tagblatt zu lesen. Und sie – von Jon Pult, Präsident der Sozialdemokratischen Partei Graubündens, als «Zürcher Goldküsten-Milliardärin mit dem Ruf als kalte Managerin angelsächsischen Zuschnitts» bezeichnet – wurde überraschend gewählt.

Im April, nach der Kandidatur-Verkündigung Martullos, hatte Vater Blocher die politischen Fähigkeiten seiner Tochter gerühmt und verlauten lassen, sie stehe, «im Gegensatz zu Berufspolitikern, die von morgens bis abends Sitzungen machen und das Leben nur vom Hörensagen kennen», mitten im Leben.

«Meine Politik ist der meines Vaters sehr ähnlich.»

Dass Vater und Tochter das Heu politisch auf der gleichen Bühne haben, ist kein Geheimnis und wird auch von Magdalena Martullo Blocher bestätigt. «Meine Politik ist der meines Vaters sehr ähnlich.» Ihr politischer Kontrahent Jon Pult fasste in der Aargauer Zeitung das Martullo-Blocher-Programm wie folgt zusammen: «Weniger Staat, Ausstieg aus dem Atomausstieg, Isolation in Europa.»

Klar auf SVP-Linie

Einem Selbstporträt von vergangenem September im Bündner Tagblatt ist zu entnehmen, dass sie die Überregulierung und den Staat reduzieren und sich für eine investitionsfreundliche Fiskalpolitik einsetzen will. Echte Flüchtlinge sollten aufgenommen, Wirtschaftsflüchtlinge aber rasch und unkompliziert zurückgeschafft werden. Wichtig seien auch Grenzkontrollen. Die Masseneinwanderungs-Initiative kann ihrer Ansicht nach umgesetzt werden, ohne dass die wirtschaftlichen Beziehungen zur EU leiden. Die automatische Übernahme von EU-Recht und EU-Richtern lehnt sie entschieden ab. Martullo Blocher kritisiert auch die Energiestrategie 2050, weil der Bund Sonnen- und Windenergie zu stark subventioniere. «Statt eine Energiewende braucht es dringend eine Rückwende», betont sie gegenüber swissinfo.ch.

Politisches Profil von Magdalena Martullo Blocher. smartvote.ch

SVP-Präsident Toni Brunner, der die Familie Blocher inklusive frisch gewählte Nationalrätin bestens kennt, freut sich über das neue Fraktionsmitglied: «Sie hat bewiesen, dass sie eine weitsichtige und umtriebige Unternehmerin ist, die auch in schwierigen Zeiten Erfolg hat. Sie muss jeden Monat mehrere Tausend Löhne zahlen. Das prägt die Politik, die sie macht; davon profitiert auch die SVP.»

Welch hohen Stellenwert die Ems-Chefin für die SVP-Fraktion hat, zeigt, dass sie es auf Anhieb schaffte, Einsitz in der einflussreichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) zu nehmen.

Neu, aber kein Nobody

Auch im Parlament gibt die Wahl Martullo Blochers natürlich zu reden. Allerdings wollen sich diverse Parlamentarier, wie etwa SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz, zur Person und den möglichen politischen Schwerpunkten nicht äussern, man wolle zuerst zuwarten.

Diplomatisch gibt sich die freisinnige Christa Markwalder, Nationalratspräsidentin 2015. Sie geht davon aus, dass sich die Quereinsteigerin rasch einleben wird. «Ich hoffe auch, dass sie mit uns allen eine konstruktive Politik macht, um die Schweiz vorwärtszubringen. Ich gehe davon aus, dass sie sich vor allem für Wirtschaftsthemen interessieren wird.»

Der Kollege aus dem Kanton Graubünden, CVP-Nationalrat Martin Candinas, hofft, dass die Zürcherin nicht vergisst, wer sie gewählt hat und sie sich für die Interessen der Bündnerinnen und Bündner einsetzen wird. Margret Kiener Nellen, SP Bern, erwartet von der Ems-Chefin, dass sie «zur Bundesverfassung steht, das übergeordnete Völkerrecht und die internationalen Verträge respektiert, welche die Schweiz unterzeichnet hat». Sie vermutet, dass Martullo Blocher «häufig fehlen wird, wie das andere Unternehmer auch tun und bisher getan haben».

Die Tochter des Vaters

Gemeint ist wohl auch Christoph Blocher, der im Rat häufig durch Abwesenheit glänzte. Dass Martullo Blocher bereits zu Beginn ihrer Karriere im Bundeshaus einen hohen Bekanntheitsgrad hat, verdankt sie natürlich vor allem ihrem Vater. Man darf gespannt sein, ob sie sich von ihm distanzieren kann und will. Jedenfalls sehen die angesprochenen Kolleginnen und Kollegen in ihr mehr als nur die Tochter des SVP-Schwergewichts.

Der Bündner Candinas glaubt und hofft, dass Martullo Blocher eigenständig politisieren wird. Und FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen aus Bern meint, auch er sei immer als Sohn seines Vaters (FDP-Nationalrat Kurt Wasserfallen, gestorben 2006) behandelt worden. «Ich wollte nie in seine Fussstapfen treten, sondern eine eigenständige Politik machen. Wie sie damit umgehen will, muss sie für sich entscheiden.»

Auch Nationalratspräsidentin Christa Markwalder sieht in ihr «selbstverständlich mehr als nur die Tochter von Christoph Blocher». Und SP-Frau Kiener Nellen sagt klipp und klar: «Es entspricht meiner Ethik und Lebensauffassung, dass ich Söhne und Töchter unabhängig von ihren Eltern beurteile.»

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