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Nicht nur Good News: Schweizer Arbeitslosenquote auf 20-Jahres-Tief

coworking space in Zürich
Fachkräfte fehlen, Coworking Spaces wie hier in Zürich boomen. © Keystone / Gaetan Bally

In der Schweiz ist die Arbeitslosenquote – wie auch in der Europäischen Union – auf dem tiefsten Stand seit Jahrzehnten. Wie hat sie das geschafft und was bedeutet das für die Wirtschaft?

Die Situation – Arbeitsplätze für alle?

Mit 2% erreichte die durchschnittliche Arbeitslosenquote in der Schweiz im vergangenen Jahr den niedrigsten Stand seit 2001. Damals lag sie bei 1,7%.

Wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) bei der Präsentation der Zahlen Anfang Jahr mitteilte, betraf der Rückgang der Arbeitslosigkeit alle Regionen des Landes, alle Alterskategorien und sowohl Männer als auch Frauen. Auch die Langzeitarbeitslosigkeit ging zurück.

Zuvor hatte die Covid-19-Pandemie die Arbeitslosigkeit – wenn auch nicht astronomisch – auf einen Höchststand von 3,2% im Jahr 2020 ansteigen lassen (siehe Grafik unten).

Der Trend entspricht – auf niedrigerem Niveau – auch der Entwicklung in Europa. Anfang Jahr teilte die Eurostat-Agentur mit, dass die Arbeitslosigkeit in den 20 Ländern der Eurozone – die Schweiz gehört nicht dazu – im vergangenen November auf ein Rekordtief von 6,4% gesunken ist. Dies ist etwa halb so viel wie während der Schuldenkrise der Eurozone vor zehn Jahren.

In den USA lag die Arbeitslosenquote im Dezember bei 3,7%, während die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) mit Sitz in Genf mitteilte, dass die Arbeitslosigkeit 2024 leicht von 5,1% auf 5,2% steigen wird.

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Warum ist die Arbeitslosigkeit so niedrig?

Die Schaffung von Arbeitsplätzen hat in vielen Ländern im Zuge der Pandemie einen wahren Boom ausgelöst. In einigen Industrieländern hat sich deshalb das Bild von der Arbeitslosigkeit zum Arbeitskräftemangel gewandelt.

In der Schweiz stieg 2022 die Zahl der offenen Stellen sprunghaft um 23% an. Im vergangenen Jahr hat sich die Lage zwar wieder beruhigt, die Zahl liegt aber immer noch deutlich über dem langjährigen Durchschnitt.

Insgesamt stellt das Seco fest, dass sich die Situation nach der Aufholjagd nach der Covid-19-Pandemie nun zu «normalisieren» beginnt. Für 2024 rechnet die Behörde mit einer leicht höheren Arbeitslosenquote von 2,3%.

Seco-Ökonom Boris Zürcher wies auf einen weiteren Erfolgsfaktor der Schweiz hin: Die Erwerbsquote von 67% wird in Europa nur von den Niederlanden und Island übertroffen. Dies ist zum Teil auf die überdurchschnittlich hohe Erwerbsquote von Frauen zurückzuführen – auch wenn viele von ihnen Teilzeit arbeiten.

Ein weiterer Faktor ist die Art und Weise, wie die Schweiz ihre Arbeitslosenquote berechnet: Durch die ausschliessliche Zählung der bei den offiziellen Arbeitsämtern gemeldeten Personen kommt sie auf eine niedrigere Zahl als die ILO und Eurostat, die beide die Schweizer Quote mit 4,2% beziffern. Dies liegt schon näher beim europäischen Durchschnitt.

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Deckmantel für andere Probleme?

Zürcher bezeichnete die Beschäftigungssituation als «ausgezeichnet». Auch Politiker:innen, darunter Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, haben sich positiv über den generell anhaltenden Trend zu mehr Arbeitsplätzen geäussert.

Dies ist jedoch nicht das ganze Bild. In der Eurozone stagniert das BIP-Wachstum oder schrumpft sogar, während die Expert:innen in Bern für die Schweizer Wirtschaft ein Wachstum von 1,3% im Jahr 2023 und 1,1% für 2024 erwarten.

Der Durchschnitt der letzten Jahre lag bei 1,8% Wachstum. Auch der starke Schweizer Franken macht der überaus starken Schweizer Exportindustrie das Leben schwer.

Was die Schweizer Arbeitnehmenden betrifft, so haben sie zwar einen Arbeitsplatz, sind aber auch mit steigenden Kosten in Bereichen wie Gesundheit, Verkehr und Wohnen konfrontiert.

Entsprechende Lohnerhöhungen sind nicht flächendeckend zu verzeichnen: Im vergangenen Jahr sind die Reallöhne in einigen Branchen gestiegen, ein Gesamtbild liegt jedoch noch nicht vor.

Im Jahr 2022 wurden die Lohnerhöhungen durch die Inflation zunichte gemacht. Und obwohl die Schweiz gemessen am BIP pro Kopf nach wie vor eines der reichsten Länder der Welt ist, warnen Wohlfahrtsverbände und Forschende, dass immer mehr Menschen Mühe haben, finanziell über die Runden zu kommen. Dies gilt insbesondere für Arbeitslose.

Demografische Entwicklung und Arbeitskräftemangel

Für die Arbeitgeber:innen ist die Kehrseite der niedrigen Arbeitslosenquote die Schwierigkeit, genügend Personal zu finden.

In der Schweiz hat eine Umfrage der Manpower-Gruppe im letzten Monat ergeben, dass sich die Engpässe bei der Rekrutierung zwar gelockert haben, sieben von zehn Unternehmen haben allerdings immer noch Schwierigkeiten, alle Stellen zu besetzen. Am stärksten betroffen waren der Studie zufolge die Branchen IT und Datenanalyse, Produktion, Ingenieurwesen sowie Betrieb und Logistik.

Arbeitgeberverbände und Politiker:innen haben Massnahmen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels gefordert, darunter Steuerreformen, die Förderung familienfreundlicher Arbeitsbedingungen oder eine Anhebung des Rentenalters; die Gewerkschaften fordern höhere Gehälter.

Es ist jedoch schwierig, gegen die Demografie anzukämpfen, vor allem, wenn der Trend klar Richtung Überalterung zeigt. EU-weit ging die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter der 15- bis 64-Jährigen im Jahr 2021 um 0,7% zurück.

In der Schweiz wird der Arbeitskräftemangel aufgrund der bevorstehenden Pensionierungswelle der Babyboomer im Jahr 2030 seinen Höhepunkt erreichen. Dann droht, dass eine halbe Million Stellen unbesetzt bleiben.

Da die Einwanderung und die Rentenreform im Mittelpunkt der Debatten über die Bewältigung dieses Mangels stehen, sind hitzige politische Diskussionen zu erwarten.

Wie ein Analyst diese Woche schrieb, müssen die Politiker:innen vielleicht langsam begreifen, dass eine niedrige Arbeitslosenquote weder ein Signal für eine gesunde Wirtschaft noch für eine zufriedene Wähler:innenschaft ist.

Editiert von Virginie Mangin; Übertragung aus dem Englischen von Renat Kuenzi

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