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Nur weisses Geld aus Deutschland und Frankreich

Die Schweizer Grossbanken machen sauberen Tisch mit Kunden aus Deutschland und Frankreich. Keystone

Die Schweizer Grossbanken wollen nur noch "steuerehrliche" Geschäfte betreiben. Dies bekommen derzeit französische und deutsche Kunden deutlich zu spüren. Mit der Klientel aus weniger mächtigen Ländern gehen die Banken weniger restriktiv um. Aber geht diese mehrgleisige Strategie auch längerfristig auf?

Die Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse (CS), aber auch die Privatbank Julius Bär, lassen keine Zweifel mehr offen, dass sie das Problem mit nicht versteuerten Vermögen in Deutschland und Frankreich zielstrebig lösen wollen. Das teilen sie ihrer Kundschaft seit dem Scheitern des Abkommens über die Abgeltungssteuer auch unmissverständlich mit. Ziemlich eilig hat es damit die CS, die ihre Klientel wissen lässt, dass sie sich ab 2014 von Kunden trennen will, die ihre Steuersituation bis Ende 2013 nicht bereinigt haben.

Die steuersündigen Kunden in diesen Ländern können ihren Kopf nur noch mit einer Selbstanzeige aus der Schlinge ziehen, wenn sie nicht weitere Straftaten begehen wollen. Eine legale Alternative zur Selbstanzeige gibt es für sie nicht mehr.   

«Aber leider lässt sich eine Selbstanzeige nicht in jedem Fall so einfach und schnell umsetzen», sagt Steuerrechtsexperte Andreas Böhm von der gleichnamigen Anwaltskanzlei in Berlin. Bei der Kanzlei melden sich wöchentlich mindestens drei neue Kunden, die wissen möchten, wie sie sich aus dem Dilemma befreien könnten.

Es gebe Gründe – ob gute oder schlechte sei dahin gestellt -, die gegen eine Selbstanzeige sprechen würden: In seltenen Fällen fehle das Geld, um die Nachsteuern zu begleichen, die mit der Offenlegung anfallen würden. Oft stünden auch familieninterne Probleme dazwischen, zum Beispiel wegen Erbstreitigkeiten. Der häufigste Grund sind laut Böhm weitere nicht deklarierte Konten oder sonstige Hinterziehungs-Tatbestände. «Wenn man nicht alles offenlegt, ist die Selbstanzeige unwirksam.»

Für die «Bereinigung der Steuersituation» bräuchten einige deutsche Kunden aber viel Zeit, die ihnen die Bank nun nicht mehr einräumen wolle.

Wie die Credit Suisse mit ihren Kunden in den Nachbarländern konkret umgeht, will sie nicht bekannt geben. Sie schreibt dazu nur: «Wir weisen deutsche Kunden seit längerer Zeit darauf hin, dass sie ihre Steuersituation individuell überprüfen und falls nötig bereinigen sollen. Von Kunden, die das nicht tun wollen, werden wir uns in der Konsequenz trennen müssen.»

Bei der UBS läuft die Frist für Kunden aus Deutschland und Frankreich, «den Nachweis zu erbringen, dass ihre Vermögen in der Schweiz versteuert sind», bis Ende 2014. Zur Frage, wie die steuersündigen Kunden vorgehen sollen, schreibt die UBS nur: «Konkret stellt die Bank für die Kunden die für eine Selbstdeklaration erforderlichen Erträgnis-Aufstellungen bereit.»

Weshalb es die Grossbanken nur in Deutschland und Frankreich so eilig haben, sauberen Tisch zu machen, dazu wollen sie nicht Stellung nehmen.

Die Regierung Italiens will bis Ende Jahr einen Plan vorstellen, mit dem sie die italienischen Bürger auffordern will, ihre Guthaben im Ausland zu deklarieren. Das hat Wirtschaftsminister Fabrizio Saccomanni in einem Interview mit der Zeitung Corriere della Sera gesagt.

Der Plan sieht einen «Rabatt» auf den Sanktionen gegen Inhaber unversteuerter Vermögen vor. Die italienische Regierung, die in der Vergangenheit regelmässig Steueramnestie-Angebote gemacht hatte, verspricht sich von den geplanten Massnahmen Steuereinnahmen von rund 5 Mrd. Euro im ersten Jahr.

Bern und Rom haben in den letzten Monaten ihre Diskussionen im Hinblick auf ein Steuerabkommen wieder aufgenommen. Eine Einigung ist aber bisher nicht in Sicht.

Warum nicht in Italien?

Dass die Grossbanken und einige Privatbanken ihre fehlbaren Kunden nur in Deutschland und Frankreich unter Druck setzen, habe im Wesentlichen zwei Gründe, sagt Sergio Rossi, Professor für Makro- und Monetäre Ökonomie an der Universität Freiburg.

Erstens seien Frankreich und Deutschland für sie die wichtigsten Märkte. «Die grosse Mehrheit der ausländischen Kunden kommt aus diesen beiden Ländern. Zweitens ist das Abkommen über die Abgeltungssteuer (Rubik) mit Deutschland und Frankreich nicht zustande gekommen. Deshalb fordern sie mit wachsendem Druck die Steuern für die Vermögen ihrer Landsleute ein, die auf Schweizer Konten lagern. Die Banken wissen, dass sie in Deutschland und Frankreich Geschäfte gemacht haben, die verboten waren. In Deutschland sind einige Bankangestellte der CS und UBS ins Visier der Justiz geraten.»

Für zusätzlichen Druck gesorgt habe auch die Bekanntmachung der Steuerhinterziehungsfälle von Prominenten, wie jener des französischen Budgetministers Jérôme Cahuzac oder von Uli Hoeness, Präsident des deutschen Fussballclubs Bayern München. 

Italien sei für die Grossbanken und Julius Bär viel weniger wichtig. «Die Banken wissen, dass aus Italien viel weniger politischer Druck kommen wird, weil das Land zahlreiche andere Probleme hat, die es lösen muss, bevor die Frage der Steuerhinterziehung angepackt wird», sagt Rossi. Die italienischen Kunden haben ihr Geld vor allem auf Banken in Lugano. Für diesen Bankenplatz wäre ein Abkommen mit Italien sehr wichtig.

Hier weisses Geld, dort schwarzes?

Dass die Schweizer Grossbanken steuerunehrliche Kunden in Deutschland ultimativ loswerden wollen, ist auch Pirmin Hotz bekannt. Er ist der Gründer der gleichnamigen Vermögensverwaltungen AG in Baar (Kanton Zug), die zu den grössten in der Schweiz gehört und deren Kundschaft zu 80 Prozent aus der Schweiz und zu 20 Prozent aus Deutschland kommt. «Die Schweizer Grossbanken verlangen von den Kunden eine Ermächtigung, dass sie die Erträge dem Finanzamt melden könnten, was faktisch einer Offenlegung gleichkommt». 

Der renommierte Vermögensverwalter staunt über diese Praxis: Auf der einen Seite würden sich die Banken ultimativ von langjährigen Kunden aus den wichtigsten Handelsmärkten trennen, und auf der anderen Seite erklärten sie nun Zielgebiete in Nahost, Südamerika, Afrika, China, Russland als neue wichtige Kundensegmente, wo sich die Frage stelle, wie dies mit der definierten Weissgeldstrategie kompatibel sein solle.

«Dort, wo der Druck am höchsten ist – USA, Deutschland, Frankreich – streben wir in vorauseilendem Gehorsam eine möglichst kompromisslose Weissgeldstrategie an. Aber das viel «schwärzere» Geld von korrupten Oligarchen oder Staatsfunktionären aus totalitären oder heiklen Staaten wie Saudi-Arabien, Venezuela, Russland oder China, heissen wir willkommen.»

Pirmin Hotz bezweifelt, ob sich diese Doppelstrategie mittel- oder längerfristig auszahlen wird. Der Zug in Richtung automatischer Informationsaustausch (AIA) lasse sich nicht mehr aufhalten.

«Deshalb ist es gefährlich, eine perfekte Weissgeldstrategie nur dort anzuwenden, wo der Zug schon durch ist. Und dort, wo er noch nicht angekommen ist, wo andere (Un-)Rechtsverhältnisse gelten, verwalten wir weiterhin graue, schwarze und dunkelschwarze Gelder. Aus einer solchen Strategie könnte mittel- oder langfristig ein Bumerang werden.»

Laufen die Schweizer Banken Gefahr, dass ihnen eines Tages aus diesen Ländern die Rechnung für nicht versteuerte Vermögen präsentiert wird?

Im August hatte sich auch Indien unter jene Länder gereiht, die – gestützt auf gestohlene Daten der Bank HSBC in Genf – ein Amtshilfegesuch an die Schweiz richten, weil sie unversteuerte Vermögen von Landsleuten auf Schweizer Banken vermuten. Weil sich die Schweiz weigerte, beklagte sich der BRIC-Staat zusammen mit Spanien und den Niederlanden bei der OECD, worauf der Bundesrat prompt eine Lockerung seiner Regeln zur Amtshilfe bei Steuerdelikten ankündigte, aus Angst, wieder auf einer Schwarzen Liste zu landen.

Ob diese Episode ein Vorbote eines wachsenden Widerstands dieser Länder gegen das Schweizer Bankgeheimnis ist, wird sich zeigen.   

In Deutschland ist die Zahl der Selbstanzeigen von Steuersündern auf mehr als 50’000 angestiegen. Viele haben illegale Konten auf Schweizer Banken.

Mehrere deutsche Bundesländer hatten in den letzten Jahren CDs mit gestohlenen Kundendaten erworben und damit den Druck auf Steuersünder erhöht.

Das Beratungsunternehmen Booz & Company schätzte 2010, dass 80’000 Personen aus Frankreich auf Schweizer Bankkonten nichtdeklarierte Vermögen haben.

Inzwischen haben mehrere Tausend von der Steueramnestie von 2009 profitiert.

Die gesamten Guthaben französischer Kunden auf Schweizer Bankkonten schätzt Booz & Cie auf 83 Mrd. Fr.. Europa (vor allem Deutschland und Frankreich) ist für die Schweiz der wichtigste Markt für die Vermögensverwaltung.

Ein grosses Wachstumspotential liegt für Schweizer Banken ausserhalb Europas. «Wir verzeichnen über die letzten Jahre starke Zuflüsse von Kundenvermögen, insbesondere in den Emerging Markets wie Lateinamerika und Asien», sagte im Juli ein Sprecher der CS gegenüber swissinfo.ch.

«Kein Interesse an Schwarzgeld»  

Zu der von Pirmin Hotz erwähnten «Doppelstrategie» will sich die CS nicht äussern. Auf die Fragen von swissinfo.ch zur Weissgeldstrategie schreibt sie nur: «Die Credit Suisse hat ihre globale Geschäftspolitik im Private Banking klar auf versteuerte Kundenvermögen ausgerichtet.»

Sehr ähnlich tönt es bei der Schweizerischen Bankiervereinigung: «Keine Bank in der Schweiz hat ein Interesse, unversteuertes Geld anzunehmen, egal woher das kommt. Wissentlich unversteuerte Vermögen sollten nicht angenommen werden. Das ist Teil unserer Strategie. Da hat ein Umdenken stattgefunden», sagt Mediensprecherin Sindy Schmiegel.

Vermögensverwalter Pirmin Hotz hört die Botschaft wohl, allein ihm fehlt der Glaube: «Ich bin realistisch.»

Gegen Alleingang der Schweiz

Und weshalb spricht sich die Bankiervereinigung seit dem Scheitern der Abgeltungssteuer explizit gegen die Weissgeldstrategie des Bundesrats aus, wenn die Banken nur noch an weissem Geld interessiert sind?

«Wir wenden uns gegen eine systematische und durchgehende Überprüfung der Kunden, vor allem auch von bestehenden Kundenbeziehungen. Dies ist international absolut kein Standard. Die Tendenz geht klar zum automatischen Informationsaustausch. Für die Schweizer Banken wäre sehr nachteilig, wenn sie zusätzlich zu diesem internationalen Standard einen Sonderweg gehen würde», sagt Sindy Schmiegel.

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