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Olympischer Marketing-Wettbewerb an der Themse

AFP

Fast 40 Länder haben in London für die Dauer der Olympischen Spiele nationale Häuser eingerichtet. Während Russland und Brasilien mit Macht prunken, präsentieren Tschechien und die Schweiz im Schatten des Big Ben eher diskret neue Seiten.

Seit dem 27. Juli sind die Olympischen Spiele in London voll im Gang. Doch der Wettbewerb spielt sich nicht nur in den Stadien ab. Das grösste Sportereignis der Welt bietet auch den teilnehmenden Ländern ein Schaufenster erster Klasse.

39 Staaten haben an der Themse nationale Häuser eingerichtet, ein Rekord. 25 davon sind für die Öffentlichkeit zugänglich.

«2004 hatte es in Athen nur vier solcher Häuser gegeben, oft handelte es sich dabei nur um Räumlichkeiten, die in einem Hotel gemietet wurden», erklärt Manuel Salchli, Chef der Sektion Internationale Grossveranstaltungen bei Präsenz Schweiz, dem Organ, das für das House of Switzerland zuständig ist.

Der Durchbruch dieser Länderhäuser als Promotions-Plattformen fand an den Olympischen Winterspielen von Vancouver 2010 zurück. «Wenn man sich von den anderen abheben will, braucht es heute viel Originalität», unterstreicht Salchli.

Russen setzen auf Grösse

Auch der Massstab insgesamt hat sich verändert. So verfügt das Schweizer Gästehaus in London über eine Fläche von 3000 Quadratmetern (m2). Salchli und sein Team erwarten rund 250’000 Besucherinnen und Besucher, gegenüber 125’000 vor vier Jahren in Peking.

Der Club de France, untergebracht in einem viktorianischen Haus in Ufernähe, ist das bisher ehrgeizigste solche Promotions-Projekt Frankreichs. Das Haus hat Platz für bis zu 3500 Personen, gegenüber 600 in Peking.

Noch grösser ausgefallen sind die Auftritte der Gastgeberländer der nächsten Olympischen Spiele. Die Russen haben zwei immense Flächen im Hyde Park gemietet – 10’000m2 und 6000m2 gross. Der so genannte Sotschi Park enthält eine riesige Eisbahn, ein 4D-Kino und eine ganze Winterlandschaft.

«Als Nation, welche die Olympischen Winterspiele 2014 ausrichten wird, wollten wir in London unseren Fussabdruck hinterlassen und den Leuten einen Einblick in das geben, was sie in Sotschi erwarten wird», erklärt Sprecherin Seraphima Onofrei.

Copacabana-Feeling

Ziel der Casa Brazil ist Werbung für die Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro 2016. Zu sehen ist eine Ausstellung des Fotografen Sebastião Salgado, dazu kommt ein Festival mit brasilianischen Kurzfilmen sowie die mit Liegestühlen und Sonnenschirmen ausgestattete «Rio Lounge».

«Die Casa Brazil ist eine hervorragende Plattform, mit der wir zeigen können, dass wir fähig sind, in Rio tolle Spiele zu organisieren», erklärte Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff anlässlich ihres Besuchs der Eröffnungsfeier.

Die Mehrheit der Länder hofft auch, sich als Tourismus-Destination vermarkten zu können. Im österreichischen Haus, dessen Dekoration an ein Chalet erinnert, stehen Schnitzel und Apfelstrudel auf dem Menu, und die Hostessen tragen Lederhosen.

«Unser Ehrengast ist das Tirol, für das Grossbritannien einen sehr wichtigen Markt darstellt», sagt Wolfang Eichler, der Kommunikationsbeauftragte des Gästehauses. «Wir sind seit 1984 mit Initiativen dieser Art an den Olympischen Spielen präsent, aber die Kommunikation ist erst seit 2006 auf den Tourismus ausgerichtet.»

Die Niederlande, die eine gigantische Bierhalle eingerichtet hat, in der bis zu 5000 Leute Platz finden, oder Irland, das sich auf dem Dach eines Pubs eingenistet hat, versuchen ihrerseits, sich als Party-Destinationen zu verkaufen.

«Briten überraschen»

Eine Handvoll kleiner Staaten nutzte die Gelegenheit, sich sozusagen neu zu erfinden. «Wir sind ein kleines Land, und die Leute haben nur ein unvollständiges Bild von uns», sagt Jiri Kejval, der Vizepräsident des tschechischen Olympischen Komitees. «Wir wollten von unserer Präsenz hier in London profitieren und dies korrigieren, indem wir uns als moderne und junge Destination präsentieren.»

Das tschechische Haus, das im trendigen Stadtteil Islington liegt, bietet ein kulturelles Programm, das Strassenkunst, Design und Ausstellungen junger Kunstschaffender aus dem Land kombiniert.

Das Ziel ist ähnlich wie jenes des House of Switzerland. Hier will man die «Briten überraschen», indem ein «kreatives, innovatives und lustiges» Land gezeigt wird, sagt Nicolas Bideau, der Chef von Präsenz Schweiz. Im Schweizer Gästehaus kann man im Berner Chalet Rösti oder Fondue essen, andererseits in einer urban anmutenden Brasserie die Küche des Starkochs Anton Mosimann geniessen, oder sich die Zeit mit Schweizer Video-Spielen vertreiben.

Auch Dänemark versucht, sein Image zu erneuern. Aufbauend auf dem Prestige von NOMA, das eben zum besten Restaurant der Welt gekürt wurde, finden sich im dänischen Haus viele Hinweise auf die «neue nordische Küche». Daneben wird der Akzent auf dänisches Design, nachhaltige Architektur und Elektrovelos gelegt.

Schaufenster für die Wirtschaft

Die nationalen Häuser spielen auch eine wirtschaftliche Rolle. «Wir nutzen das House of Switzerland als Promotions-Plattform für Schweizer Exporte und Unternehmen», erläutert Thorsten Terweiden, Chef des Schweizer Business-Hub in London. Zum Programm gehören unter anderem Networking-Veranstaltungen sowie Tage, an denen die Schweizer Videospiele-Industrie oder die Bio- und Lebenswissenschaften (Life Sciences) im Zentrum stehen.

Die Casa Italia mit einer Fläche von über 6000m2 und neben Westminster gelegen, ist eine riesige Ausstellungshalle voller Fiats, Armani-Kleider und Weine der Halbinsel. «Das Ziel unseres Hauses ist, als Schaufenster für italienische Produkte zu dienen», erklärt Danilo di Tommaso. Im Haus von Kenya, das ganz in der Nähe des Olympia-Geländes liegt, wird mit Seminaren, an denen die Industrie – und Energieressourcen des Landes präsentiert werden, um ausländische Investoren geworben.

Die von den verschiedenen Ländern investierten Summen sprechen Bände, was deren Ambitionen betrifft. So haben die Russen 25 Mio. Franken ausgegeben, die Tschechen 4,6 Millionen, die Franzosen 2,2 Millionen, die Italiener 1,8 Millionen und die Österreicher 1,3 Millionen. Die Schweiz situiert sich mit Ausgaben von fast 5 Mio. Franken im oberen Segment.

Auch die Briten geizen in Sachen Promotion nicht. Um die Stadt während der Olympischen Spiele zu vermarkten, hat Londons Bürgermeister Boris Johnson die Promotionsorganisation London and Partners ins Leben gerufen.

Den rund 6000 nicht auf Sport spezialisierten Journalistinnen und Journalisten in der Stadt wird damit ein reich befrachtetes kulturelles, historisches und gastronomisches Programm angeboten, dessen Kosten sich auf insgesamt 7,7 Mio. Franken belaufen.

Der britische Premierminister David Cameron hat 17 Veranstaltungen organisiert, die sich um Themen wie China, Energie oder Luftfahrt drehen, und mit denen Investitionen von einer Milliarde Pfund angezogen werden sollen.

Die Veranstaltungen finden in einem historischen Gebäude im Zentrum Londons statt, das zu dem Zweck in The Britisch Business Embassy umbenannt wurde.

Die Touristenwelle, die London erwartet hatte, scheint auszubleiben. Auch wenn es noch keine offiziellen Zahlen gibt, beklagen sich laut der Agentur AFP Hotels, Restaurants, Theater und Geschäfte über geringe Umsätze.

Stattdessen sind die Medien in grossem Stil in die Stadt eingefallen: 28’000 Journalisten aus 190 Ländern sind angereist, davon sind lediglich 5800 für die Spiele akkreditiert.

Allein die US-Senderkette NBC hat 2700 Personen im Einsatz, für die drei Boeing 777 gemietet werden mussten.

(Übertragen aus dem Englischen: Rita Emch)

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