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«Tschutti Heftli» oder wo Fussball und Kunst verschmelzen

Künstlerbilder von zweii Fussballern
Zwei aus 522: Der unkekannte Belgier Thomas Meunier (links) und Superstar Luis Suarez, der Stürmer Uruguays. Tschuttiheftli

Mehr als 500 kleine Kunstwerke auf 84 Seiten: Das bietet «Tschutti Heftli», das Schweizer Sammelalbum mit den Fussballern, die in Kürze an der WM 2018 in Russland auf dem Rasen stehen werden. Die künstlerische und auch karitative Alternative zu den traditionellen, kommerziellen Panini-Alben gewinnt auch in Deutschland, Österreich und England immer mehr Fans.

In der Schweiz spielt man nicht Fussball, sondern man «tschuttet»: So nennt sich auf Schweizer Mundart die beliebteste sportliche Tätigkeit auf dem Erdball – dem runden Leder nachjagen. Das «Tschutti Heftli» ist demzufolge das Fussball-Magazin. Auf dem Tisch liegt aktuell die sechste Ausgabe.

Die 32 Teams, die in zwei Wochen an der WM-Endrunde in Russland um den Weltmeistertitel 2018 kämpfen, sind von 32 Künstlern in 32 verschiedenen Techniken dargestellt. 

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«Es ist keine Sammlung von Köpfen, sondern von Kunstwerken», betont Silvan Glanzmann, Präsident des Vereins «Tschutti Heftli», Herausgeber des alternativen Sammelalbums Made in Switzerland. Dieses kam 2008 erstmals heraus, aus Anlass der Fussball-Europameisterschaften, die damals in der Schweiz und Österreich stattfanden.

Die Favoriten wie Don Quijote

Die Spieler der spanischen Nationalmannschaft – die auch in Russland zu den grossen Favoriten zählen – sehen aus wie Figuren aus Don Quijote, dem Klassiker der spanischen Literatur von Cervantes› Mancha: Auf dem Kopf ein Hut mit breiter Krempe, am Hals ein hochgeschlossener Rüschenkragen.

Der Schweizer Peter BrämExterner Link seinerseits gestaltet seine Helden in Graffiti-Manier. Eine besondere Aufgabe kam Stevie Fiedler zu, denn Grafikdesigner aus Basel war für die Schweizer Kicker zuständig. Dafür wählte Fiedler einen archaisch-minimalistischen Stil. Inspiriert von den weissen Linien entlang des Spielfeldrands und in der Mitte, zeichnet er Shaqiri, Lichtsteiner, Seferovic und Lang mit vielen weissen Strichen auf grünem Grund.

«Wir machen das ‹Tschutti Heftli›, um Fussballfans eine Alternative zu Paninis kommerziellem Album zu bieten», erklärt Glanzmann.

Seit zehn Jahren erfreut sich dieses andere Sammelmagazin wachsender Beliebtheit nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Österreich, Deutschland und England. In diesem Jahr wurden 7,5 Millionen Bildchen gedruckt, die Fans in der Schweiz an über 60 Verkaufsstellen kaufen können. Die internationalen Sammler können die kleinen Bildchen zum Einkleben online erwerben.

522 Miniatur-Kunstwerke

«Wer Körpergewicht oder -grösse von Ronaldo wissen will, muss weiterhin die Panini-Bildchen sammeln», so der Präsident des Vereins weiter. «Wir konzentrieren uns auf den künstlerischen Aspekt».

Tatsächlich ist jede der 522 Figuren ein Miniatur-Kunstwerk. Im Verlauf des Sammelprozesses verwandelt sich das Heft von einer leeren Hülle in ein immer bunteres, vollständigeres und 84 Seiten starkes Mosaik von Bildstilen und Techniken aus aller Welt.

Aber wie finden die Ballartisten auf dem grünen Rasen zu ihren Porträtisten, resp. umgekehrt? Ganz einfach: Die Macher schrieben einen Wettbewerb aus. Die Aufgabe lautete, ein Porträt von Diego Maradona zu verfertigen.

Sängerin von Pussy Riot in der Jury

«Mehr als 500 Illustratoren aus etwa dreissig Ländern machten mit. So ermittelten wir jene 32 Gewinner, die auf einer Doppelseite die Spieler der 32 Nationalmannschaften gestalteten», so Glanzmann. 

Die Gewinner stammen aus rund zwanzig Ländern, darunter José Sala aus Italien, Lyubov Nesterenko aus Russland, Ade Milhad aus Indonesien, Raed Khalil aus Syrien, Alejandro Ortiz aus Kolumbien oder Aryan Vandi aus dem Iran.

Für die Ermittlung der Gewinner sorgte eine internationale Jury. Dieser gehörten u.a. Nadeschda Tolokonnikowa an, die russische Punkrock-Aktivistin von «Pussy Riot», der legendäre, ehemalige US-Verteidiger Alexis Lalas oder der österreichische Cartoonist Nicolas Mahler.

Fussball und Menschenrechte

Neben ihrer Leidenschaft für Fussball und Kunst verfolgen die Macher des «Tschutti Heftli» auch einen gemeinnützigen Zweck: Von jedem verkauften Kartenpaket fliessen 10 Rappen an die Nichtregierungsorganisation Terre des Hommes Schweiz.

«Dank dieser Zusammenarbeit, die 2014 begann, haben wir die Möglichkeit, das Bewusstsein für den Ball zu schärfen», erklärt Glanzmann.

«Anlässlich der WM 2014 in Brasilien haben wir das Problem der Auswirkungen von Mega-Sportereignissen für die lokale Bevölkerung aufgezeigt. Bei der Weltmeisterschaft in Russland legen wir den Finger auf die Achtung der Menschenrechte.»

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