«Tierschmuggler sind dieselben, die mit Waffen und Drogen handeln»
Der illegale Handel mit Tieren gehört zu den lukrativsten Tätigkeiten der Welt. Der Schweizer Mathias Lörtscher, der seit über zehn Jahren für das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (CITES) arbeitet, prangert die organisierte Kriminalität an. Und warnt, dass auch das klassische Feriensouvenir negative Konsequenzen haben kann. Ein Interview.
Es gibt Waffen, Drogen und Menschen. Und dann gibt es noch Tiere und Pflanzen. Auf der Liste des illegalen Handels gehört jener mit vom Aussterben bedrohten Tier- und Pflanzenarten zu den einträglichsten, mit einem geschätzten Umsatz von 20 Milliarden Dollar pro Jahr.
Mathias Lörtscher, Mitarbeiter beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV), arbeitet seit 2004 für CITESExterner Link. Kürzlich wurde er zum Präsidenten des CITES-Tierkomitees gewähltExterner Link.
swissinfo.ch: Sie sind ein erfahrener Beobachter des weltweiten Handels mit Tieren. Wie hat sich die Situation in den letzten zehn Jahren entwickelt?
Mathias Lörtscher: Als ich mit der Arbeit für CITES begann, sprach man vor allem von Elefanten und Elfenbein. Der Handel betraf natürlich auch damals andere Arten, aber nicht in den heutigen Dimensionen. Seit 2013 befassen wir uns vor allem mit Arten, die in grossen Mengen verkauft werden, wie Haie, die wegen ihrer Flossen gejagt werden.
Kürzlich hat CITES das Schuppentier in den Anhang 1 aufgenommen [der den internationalen Handel verbietet, Anm.d.Red.]. Es ist das am meisten gehandelte Säugetier der Welt, wegen des Fleisches und der Schuppen, die für die traditionelle chinesische Medizin verwendet werden. Man schätzt, dass in Asien und Afrika insgesamt eine Million Schuppentiere gewildert wurden.
swissinfo.ch: Wie kann man einen Bestand stabilisieren, wenn der Handel eine Spezies gefährdet?
M. L.: Jedes Land muss einen jährlichen Bericht über die exportierten und importierten Tiere erstellen. Wenn wir Zweifel haben über die Nachhaltigkeit des Handels mit einer bestimmten Tierart, bitten wir das Exportland, wissenschaftliche Beweise und Studien über den gesicherten Bestand zu beschaffen. Wenn ihm das nicht gelingt, wird der Handel verboten.
Wir haben beispielsweise den Fall der Netzpythonschlangen in Indonesien untersucht, ein Land, das jährlich etwa 100’000 Häute exportiert. Indonesien konnte aufzeigen, dass der Handel nachhaltig ist, weil diese Schlangen über ein breites Habitat in den Ölpflanzen-Plantagen verfügen. Für den Graupapagei aus Gabun hingegen erhielten wir nicht genügend Garantien und folglich haben wir ihn in Anhang 1 aufgenommen.
swissinfo.ch: Aber lässt ein Verbot des internationalen Handels nicht die Preise auf dem Schwarzmarkt steigen?
M. L.: Sicherlich. Das Einfügen in Anhang 1 kann den unerwünschten Effekt einer Preissteigerung haben und damit das Wildern noch einträglicher machen. Ein Handelsverbot hat nur dann positive Wirkung, wenn es zusätzliche Massnahmen zum Schutz der bedrohten Art gibt. Das Vikunja aus Lateinamerika beispielsweise, das zur Familie der Kamele gehört, war früher im Anhang 1 aufgeführt. Die Herkunftsländer haben sich darauf geeinigt, zusammen mit der indigenen Bevölkerung ein System der nachhaltigen Nutzung auf die Beine zu stellen. Inzwischen geht es dem Vikunja viel besser.
swissinfo.ch: Ist es noch nie vorgekommen, dass eine Tierart aus dem CITES herausgenommen wurde?
M. L.: Das ist eine Kritik, die uns die Länder immer wieder vorwerfen: Wenn eine Tierart einmal ins CITES-Verzeichnis aufgenommen wurde, ist es praktisch unmöglich, sie wieder herauszunehmen. Wir wissen, dass wir eine konservative Haltung haben, aber wir befürchten, dass ein Ausschluss aus CITES falsche Signale sendet. Es kommt hingegen vor, dass eine Spezies in Anhang 2 verschoben wird, für den der Handel unter der Bedingung der Nachhaltigkeit zugelassen ist. Das war beim Mississippi-Alligator der Fall, der zu den am meisten exportierten Arten der Welt gehört.
swissinfo.ch: Der Handel mit bedrohten Tier- und Pflanzenarten generiert jährlich Milliarden Dollar. Wer steckt dahinter?
M. L.: Zu einem grossen Teil das organisierte Verbrechen. Es handelt sich um die gleichen Gruppen, die auch mit Drogen, Waffen und Menschen handeln, und die sich immer stärker für Pflanzen und Tiere interessieren. Im Kongo machen vor allem Rebellengruppen Jagd auf Elefanten und verkaufen Elfenbein, um ihre Waffen zu finanzieren. Wegen des organisierten Verbrechens nimmt der illegale Handel zu, und das macht uns grosse Angst.
swissinfo.ch: Aber warum sind Tiere interessant für den illegalen Handel?
M. L.: Weil eine grosse Nachfrage besteht und man alles in Allem wenig riskiert. Klar gab es auch sensationelle Fälle, aber im Allgemeinen sind die Strafen nicht genug streng.
swissinfo.ch: Angenommen ich würde ohne Erlaubnis Häute von Pythonschlangen in die Schweiz importieren. Was würde ich riskieren?
M. L.: Höchstens eine Busse von einigen Tausend Franken. In der Schweiz gilt der Handel mit bedrohten Arten nicht als Verbrechen, sondern als einfaches Vergehen. Die Höchststrafen betragen drei Jahre Gefängnis auf Bewährung oder eine Busse bis eine Million Franken. In der Realität betrug die in der Schweiz bisher höchste Busse 40’000 Franken. Und dies für eine Person, die mit dem Handel schätzungsweise 3 Millionen Franken verdient hat. Länder wie die USA oder China sind sehr viel strenger. Die Dinge könnten sich jedoch auch in der Schweiz ändern. Eine im Parlament eingereichte MotionExterner Link verlangt eine Verschärfung der strafrechtlichen Sanktionen.
Mehr
Museum über den Horror des Tierschmuggels
swissinfo.ch: Vorhin erwähnten Sie die Rolle des organisierten Verbrechens. Was kann man über Touristen sagen, die vor Marktständen in exotischen Ländern schwach werden?
M. L.: Im Allgemeinen ist ihr Einfluss gering. Die einzigen problematischen Souvenirs sind Panzer von Meeresschildkröten, die vom Aussterben bedroht sind. Die Sensibilisierung der Touristen ist dennoch wichtig, weil damit die Nachfrage reduziert werden kann. Wenn man Korallen an einem Verkaufsstand sieht, denkt man nicht automatisch daran, dass es sich um ein seltenes Produkt handelt. Durch den Kauf eines solchen Produktes trägt man aber zum Phänomen bei.
swissinfo.ch: Welche Rolle spielt die Schweiz im internationalen Handel mit Tieren?
M. L.: Wir sind eine Drehscheibe für den Handel mit Reptilienleder, vor allem von Krokodilen und Alligatoren. Es handelt sich um Riemchen, die von der Uhrenindustrie gebraucht werden. Das ist ein legales und nachhaltiges Geschäft, für welches das BLV jedes Jahr etwa 115’000 Bewilligungen ausstellt.
4’000 Franken Busse für Papageieneier
Die Zahl der an der Schweizer Grenze konfiszierten Tiere (oder ihrer Erzeugnisse) von der CITES-Liste ist in den letzten Jahren mehr oder weniger konstant geblieben. 243 Fälle gab es im Jahr 2015, 220 im Jahr 2014, 184 im Jahr 2013 und 199 im Jahr 2012.
Zu den illegal importierten Tieren gehörten im Jahr 2014 (mit der entsprechenden Busse): 25 Papageieneier aus Brasilien (4000 Franken Busse), sechs Königspythons (1800.-), 6 kg Schuppentierfleisch (1000.-), ein Schal aus Wolle der Tibetantilope (3000.-) und ein 2 kg schweres Objekt aus Elfenbein (2000.-).
Quelle: BLV
Besorgniserregend ist hingegen der illegale Handel mit «Shahtoosh», der Wolle der Tibetantilope. Offenbar gibt es in der Schweiz eine Kundschaft für Schultertücher aus Shahtoosh, die bis zu 25’000 Franken pro Stück kosten. Das Problem dabei ist, dass für einen Schal zwei bis drei Tiere getötet werden müssen. Wir arbeiten mit Interpol zusammen, um diesen Handel zu bekämpfen.
swissinfo.ch: Wie entwickeln sich die Zahlen von Beschlagnahmungen an der Schweizer Grenze?
M. L.: In den letzten Jahren ist die Zahl stabil geblieben. Seit 2014 verwenden wir auch eigens dafür dressierte Hunde. Mit unglaublichen Resultaten. Sie können praktisch alle Tiere erkennen, lebend oder tot.
swissinfo.ch: Welcher Schmuggelfall hat Sie am meisten empört?
M. L.: Ich erinnere mich an einen Händler, der 270 Vogelspinnen in seinem Koffer hatte. Sie wurden in entsetzlichen Verhältnissen gehalten, zusammengedrückt in Plastikschachteln. Ohne Respekt für das Tier.
swissinfo.ch: Während den nächsten drei Jahren werden Sie das Tierkomitee von CITES präsidieren. Was sind Ihre Prioritäten?
M. L.: Ich möchte, dass die Ursprungsländer des Handels mehr mitzureden haben. In den letzten Jahren wurden sie zu wenig miteinbezogen. Aber als direkt betroffene Länder sollten sie ihre Meinung ausdrücken dürfen. Sie selbst können ihre Tierarten am besten schützen und erhalten.
CITES
Das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (CITES oder Washingtoner Artenschutzübereinkommen) wurde 1973 auf Initiative der Weltnaturschutzunion beschlossen. Die Schweiz hat als Depositarstaat zusammen mit 183 anderen Ländern die Konvention unterschrieben.
Ziel des Abkommens ist die Regelung des Handels mit Pflanzen und Tieren, lebend oder tot, und ihrer Erzeugnisse (unter anderem Lebensmittel, Produkte aus exotischem Leder oder Elfenbein, Musikinstrumente aus Holz, Touristensouvenirs und Arzneimittel).
In der Konvention werden ausschliesslich Arten aufgeführt, die durch den internationalen Handel in ihrer Existenz bedroht sind. CITES darf daher nicht mit der Roten Liste der Weltnaturschutzunion verwechselt werden, die alle bedrohten Arten enthält (also auch jene, die beispielsweise wegen abnehmendem Lebensraum bedroht sind).
CITES deckt etwa 5600 Tierarten und 35’000 Pflanzenarten ab. Diese werden in drei Kategorien unterteilt: Anhang 1 verbietet den internationalen Handel (mit Ausnahmen), die Anhänge 2 und 3 erlauben den Handel unter der Bedingung, dass er nachhaltig ist. Zu den am meisten geschützten Arten gehören beispielsweise Elefanten, Nashörner und Tiger.
(Übertragung aus dem Italienischen: Sibilla Bondolfi)
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch