Erfolgreicher Contexa-Dosierroboter
Genf ist Sitz der beiden grössten Duft- und Aromenhersteller der Welt. Viele besonders innovative KMU sind in den letzten Jahren in diesem Umfeld entstanden. Zum Beispiel Contexa, der Meister der automatischen Flüssigdosierung. Eine Reportage.
Im Schatten der imposanten Häuserzeile der Siedlung «Cité du Lignon», mit mehr als einem Kilometer Länge das längste Wohnhaus Europas, steht ein kleines, zweistöckiges Gebäude in blassem Rosa, das auch schon bessere Tage gesehen hat. Darin ist die Genfer Firma ContexaExterner Link untergebracht. Im Innern arbeiten rund dreissig Mitarbeitende in einem Labyrinth von Büros und Räumlichkeiten, die hauptsächlich für Forschung, Qualitätskontrolle und Kundendienst bestimmt sind.
Silicon Valley der Gerüche
Die in den 1890er-Jahren entstandene Schweizer ParfumindustrieExterner Link ist nach wie vor führend in der Herstellung von Aromen und Essenzen – natürliche, aber vor allem auch synthetische – für den weltweiten Export.
Die beiden grössten multinationalen Unternehmen der Branche, Givaudan und Firmenich, haben ihren Sitz im Kanton Genf. Sie profitieren dort von qualifizierten Arbeitskräften, spezialisierten Forschungszentren und einem privilegierten Zugang zu ihren Hauptkunden, den Herstellern von Schönheits-, Hygiene-, Haushalts- und Getränkeprodukten sowie Pharmaunternehmen.
Im «Silicon Valley des Parfums», das sich vom benachbarten Frankreich bis zum Kanton Wallis erstreckt, sind mehr als 400 Unternehmen im Bereich Parfums und Aromen tätig. Mehr als 10’000 Arbeitsplätze sind direkt mit dieser Branche verbunden.
Die grosse Werkstatt, in der die Endmontagen stattfinden, ist praktisch leer. «Wir haben gerade unsere letzten drei Dosierroboter an Kunden in Europa und Asien ausgeliefert», entschuldigt sich Daniel Schupbach, Gründer und seit 1999 Geschäftsführer von Contexa.
Trotz des hohen Preises – zwischen 500’000 und 3 Millionen Franken pro Stück – erfreuen sich die Geräte des Genfer Unternehmens weltweit wachsender Beliebtheit bei Parfüm- und Aromenherstellern. «Wir sind in einem Nischenmarkt tätig, und fast unsere gesamte Produktion wird exportiert. Unser Umsatzwachstum ist besonders stark in Asien», sagt Schupbach.
Vom Gewicht zum Volumen
Schupbach war früher Projektingenieur bei FirmenichExterner Link, weltweit die Nummer 2 der Branche mit Sitz in Genf. Er hatte die Idee, die Dosierung von Flüssigkeiten für die Herstellung von Parfüms und industriellen Lebensmittelaromen zu ändern.
«Um ein Parfum oder Aroma zu kreieren, muss man zwischen 30 und 50 Zutaten auf einer Palette von etwa 1500 verfügbaren Rohstoffen mischen. Bisher wurde diese Arbeit von einem Präparator durchgeführt, der die verschiedenen Zutaten nacheinander wog. Wir haben ein volumetrisches System entwickelt, das auf unabhängigen und autonomen Spritzen basiert, mit denen diese Produkte gleichzeitig dosiert und in den Endtank injiziert werden können», erklärt der Contexa-Gründer.
Das Ergebnis: Eine erhebliche Zeitersparnis – 3 Minuten statt einer Stunde – und eine Genauigkeit von wenigen Milligramm – zehnmal mehr als ein Tropfen Wasser – bei Mengen bis zu mehreren hundert Kilogramm auf derselben Maschine. «Dies sind sehr innovative Maschinen, mit denen wir erhebliche Produktivitätssteigerungen erzielen und gleichzeitig eine hervorragende Produktionsqualität gewährleisten können», sagt John Vernieri, Operations Manager bei GivaudanExterner Link, der Nummer 1 der Branche.
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Ein Parfumdosierroboter zur Steigerung der Produktivität
Der ebenfalls in Genf ansässige Weltmarktführer in der Parfümerie hat bereits ein Dutzend Contexa-Roboter für seine Fabriken in Europa, Nordamerika und Asien erworben. «Mit diesem Robotertyp testen und entwickeln wir die Duftkomponenten vieler Alltagsprodukte: Parfums, Eaux de Toilette und Haushaltsreiniger», sagt Vernieri.
Unterstützung vom Bund
Möglich wurde diese Innovation durch eine wissenschaftliche Partnerschaft mit der Fachhochschule des Kantons WaadtExterner Link und der Unterstützung durch die Eidgenössische Kommission für Technologie und Innovation (KTI) – seit 1. Januar 2018 InnoSuisseExterner Link –, die den Wissens- und Technologietransfer zwischen Hochschulen und Industrie fördern soll.
«Diese Zusammenlegung der Kräfte war für die Entwicklung unseres ersten Prototyps unerlässlich. Als KMU hatten wir weder die finanziellen Mittel noch das Basiswissen, um dieses Projekt eigenständig durchzuführen», sagt Schupbach. Eine Teamarbeit, die es dem Genfer Unternehmen ermöglicht hat, mehrere Preise zu gewinnen, darunter den Innovationspreis des Kantons Genf 2013.
Während Schupbach die Innovationsanstrengungen des Bundes begrüsst, bedauert er gleichzeitig dessen fehlende Unterstützung während der Industrialisierungsphase des Produkts. Tatsächlich sind an diesem Punkt viele Schweizer Unternehmer oft gezwungen, das Unternehmen an ausländische Investoren zu verkaufen. «Es ist bedauerlich, weil wir sowohl die Gewinne als auch die Arbeitsplätze ins Ausland gehen lassen», sagt Schupbach.
Schwieriges monetäres Umfeld
Glücklicherweise musste Schupbach diesen Schritt nicht machen: Alle Contexa-Aktien blieben in Familienbesitz, und die Übernahmeangebote externer Investoren konnten bisher abgelehnt werden.
Die letzten Jahre waren jedoch alles andere als ruhig. Der Entscheid der Schweizerischen Nationalbank (SNB), den Euro-Mindestkurs aufzuheben, hat den Genfer Dosierroboter-Spezialisten im Jahr 2015 stark beeinflusst. Während sich die Situation in den letzten Monaten mit der Aufwertung des Euro verbessert hat, haben Entlassungen, Arbeitszeitverlängerungen ohne Lohnausgleich oder drastische Kostensenkungen ihre Spuren bei Contexa hinterlassen.
«Wir waren gezwungen, so viel wie möglich zu rationalisieren, um nur Arbeitsplätze mit hoher Wertschöpfung zu erhalten. Deshalb haben wir die Fertigung der Roboterteile eingestellt und uns auf die Endmontage konzentriert», sagt Schupbach.
Grenzüberschreitender Arbeitskräftepool
Trotz dieser Schwierigkeiten hat der Gründer von Contexa nie ernsthaft daran gedacht, seine Aktivitäten zu verlagern. In Genf profitiert er sowohl von der Flexibilität des Schweizer Arbeitsmarkts als auch von einem enormen Pool von Grenzgängern als Arbeitskräfte.
Fast zwei Drittel der Mitarbeitenden von Contexa sind Grenzgänger aus Frankreich. «In der Schweiz gibt es nicht genügend Fachkräfte», sagt Schupbach. Zudem sind die französischen Mitarbeiter viel mobiler als die Schweizer. «Es ist einfacher, einen Lyoner als einen Waadtländer nach Genf zu bringen», sagt er.
Ein weiterer wesentlicher Vorteil eines Standorts auf Genfer Boden ist die Präsenz von Givaudan und Firmenich. «Wir sind in einer sehr globalisierten Branche tätig und achten daher auf das Beste, was weltweit getan wird. Aber es stimmt, dass der direkte Kontakt und die geografische Nähe ein Gewinn für die Zusammenarbeit mit Contexa sind», betont John Vernieri.
«Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zu den Spezialisten von Firmenich und Givaudan», sagt Schupbach. «Der häufige Austausch und die hohen Anforderungen, die sie an uns stellen, zwingen uns, uns ständig zu hinterfragen, was uns einen deutlichen Vorsprung gegenüber unseren Mitbewerbern sichert.»
Givaudan gegen Firmenich, eine grosse Rivalität
Mit einem Umsatz von 5,1 Milliarden Franken im Jahr 2017 ist Givaudan unangefochtener Weltmarktführer in der Parfum- und Aromenindustrie. Der Hauptkonkurrent Firmenich steht mit einem Umsatz von 3,3 Milliarden Franken im gleichen Zeitraum an zweiter Stelle. Allein Givaudan und Firmenich halten über ein Drittel des Weltmarktanteils bei Parfums und Aromen.
Obwohl beide im gleichen Jahr (1895) in Genf gegründet wurden, unterscheiden sich die beiden Unternehmen dennoch stark. Während Givaudan an der Schweizer Börse kotiert ist und hauptsächlich durch Akquisitionen wuchs, konzentrierte sich Firmenich mehr auf organisches Wachstum und blieb vollständig in Familienbesitz.
Givaudan beschäftigt rund 9000 Mitarbeitende in mehr als 80 Werken weltweit. Firmenich beschäftigt 7000 Mitarbeiter an knapp über 60 Produktionsstandorten weltweit.
Die beiden Unternehmen halten eine mehr als hundert Jahre alte Rivalität sehr diskret aufrecht. Die stillschweigende Regel ist zum Beispiel, dass Mitarbeiter beider Unternehmen nicht heiraten oder als Paar unter einem Dach leben dürfen.
Kontaktieren Sie den Autor auf Twitter: @samueljabergExterner Link
Übertragung aus dem Französischen: Sibilla Bondolfi
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