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Pilatus: Mit den Füssen auf dem Boden geblieben

Pilatus beschäftigt über 1400 Personen. Der grösste Teil davon arbeitet in den Werken von Stans, Kanton Nidwalden. Keystone

Von den Stanser Werken in der Innerschweiz starten die Pilatus-Flugzeuge in die ganze Welt. Um sich gegenüber der Konkurrenz zu behaupten, setzt der Schweizer Flugzeughersteller auf Qualität und Visionen. Eine Reportage.

Der Geruch nach Farbe ist so stark, dass es einem beinahe schlecht wird. Der Rumpf eines PC-21, ein Militär-Trainingsflugzeug, wurde eben fertig gespritzt. Ein starkes Rot, wie bei einem Ferrari.

«Wir haben die Farbe verändert, um das Flugzeug sichtbarer zu machen», sagt Markus Kälin, der seit 25 Jahren bei Pilatus arbeitet und uns durch das Werkgelände in Stans, Kanton Nidwalden, führt.

Hier, nur wenige Kilometer von Luzern und vom gleichnamigen Berg entfernt, entwirft und produziert Pilatus die einzigen Flugzeuge, die in der Schweiz hergestellt werden. «Bis eine Maschine fertiggestellt ist, brauchen wir 14 bis 16 Monate. Im Durchschnitt verlassen pro Woche zwei neue Flugzeuge die Werkhallen», so Kälin.

Erste Reise auf der Strasse

Die meisten Teile eines Flugzeuges werden laut Kälin in Stans produziert. Für die Montage würde man aber auch mit ausländischen Partnern zusammenarbeiten. «Wir schicken die Einzelbestandteile nach Tschechien, Portugal und Polen. Hier werden dann die Flügel und die Rümpfe montiert.»

Für diese Arbeit, zu der es viele Arbeitskräfte braucht, sei die Schweiz nicht genügend konkurrenzfähig. «Die Schweizer Qualität wird jedoch respektiert, auch ausserhalb der Landesgrenzen», betont Kälin.

Dank der Auslagerung könnten zwar Kosten gespart werden, doch komme es auch zu Pannen. Denn der Transport von Flugzeugrümpfen und Flügeln durch ganz Europa sei nicht immer sinnvoll. «Der Transport auf der Schiene ist nicht geeignet, die Güterwagen wackeln zu stark. Es wären Stossdämpfer nötig. Wir ziehen deshalb den Transport auf Lastwagen vor, der sicherer und schneller ist», so Kälin.

Im Hangar neben dem alten Gebäude aus dem Jahr 1939, dem Gründungsjahr des Unternehmens, sind Angestellte in weisser Arbeitskleidung daran, die elektronischen Systeme in fünf PC-12 NG zu installieren, das Vorzeigemodell von Pilatus. Danach werden Motor, Propeller und Fahrgestell montiert.

Weiter vorne weicht die Ruhe der Montagezone dem Lärm von Maschinen, die ununterbrochen Flugzeugteile aus Aluminium und Metall herstellen. Daneben stehen grosse, computergesteuerte Maschinen und Maschinen aus den 1990er-Jahren, die weiterhin mit grosser Zuverlässigkeit funktionieren. «Jeder Teil wird mit einem Qualitätszertifikat versehen. Wir bewahren diese Dokumente mindestens 20 Jahre lang auf», sagt Markus Kälin. «Sie können sich die Papierflut vorstellen…»

Rettung durch die Araber

Nicht nur die Schweizer Luftwaffe und ausländische Armeen sind Käufer von Pilatus-Flugzeugen. Unter den Kunden findet man auch humanitäre Organisationen (zum Beispiel Rettungscorps), Transportunternehmen, Fallschirmspringschulen, Firmen und Privatpersonen. «Einige Modelle wurden an Rangers (Wildparkaufseher) in Südafrika geliefert. Die Flugzeuge werden zur Überwachung der geschützten Wildparks und zum Aufspüren von Wilderern verwendet», erklärt Kälin.

Auch Pilatus spürt die Wirtschaftskrise, besonders in den USA, einem der wichtigsten Märkte für den Schweizer Flugzeughersteller. «Ohne die Aufträge aus dem Nahen Osten wären wir zu Einschränkungen beim Personal oder zur periodischen Einführung von Teilzeitarbeit gezwungen gewesen», sagt Kälin.

Pilatus hat mit den Vereinigen Arabischen Emiraten, Saudiarabien und kürzlich auch mit Katar Verträge für PC-21 abgeschlossen. Im vergangenen Mai folgte ein Vertrag mit Indien, das 75 Flugzeuge für eine halbe Milliarde Franken kaufen wird.

«Wir machen uns noch Überlegungen zum Lieferungsmodus. Die begrenzte Reichweite der PC-7Mk II (rund 1500 km) erfordert einen Flug in mehreren Etappen. Wir müssen also eine Reiseroute erstellen, die auch die Situation in Syrien und im Nahen Osten berücksichtigen muss», beton Kälin. «Für die Lieferung jedes einzelnen Flugzeuges nach Indien brauchen wir zwischen sieben und acht Tagen.»

Ohne Schulden

Im Verlauf seiner Karriere bei Pilatus sah Markus Kälin sein Unternehmen wachsen. In Sachen Belegschaft – von 800 auf 1400 Angestellte – , aber auch in Sachen Reputation. Zu Beginn der 1980er-Jahre, als der PC-12 lanciert worden sei, hätten sich im Ausland viele Leute gefragt, «was zum Teufel ist Pilatus?», erinnert sich Kälin.

Auch in der Schweiz hätten nicht alle an die Chancen des Stanser Flugzeugherstellers geglaubt. «Der Gründer der schweizerischen Fluggesellschaft Crossair, Moritz Suter, war der Meinung, dass wir höchstens 30 Flugzeuge verkaufen würden. Der PC-12 wurde jedoch in 38 Ländern verkauft. 2010 haben wir das tausendste Exemplar davon ausgeliefert…»

Den Erfolg von Pilatus führt Kälin auf zwei Gründe zurück. «Wir hatten immer einen visionären Geist. Wir haben auch ohne staatliche Subventionen modernste Technologien angewendet. Der PC-6 war 1961 zum Beispiel das erste Kleinflugzeug mit Turbopropmotor. Einige PC-6-Maschinen sind nach über 50 Jahren immer noch im Dienst.»

Pilatus habe die Füsse immer auf dem Boden behalten, sei immer realistisch geblieben, fährt Kälin fort. «Wir sind zu klein, um mit den grossen Akteuren des Sektors, wie Cessna oder Embraer, zu konkurrieren. Deshalb haben wir uns auf von der Konkurrenz offen gelassene Nischen konzentriert und uns bemüht, die Marktbedürfnisse vorauszusehen. Eine lohnende Strategie angesichts der Tatsache, dass wir schon seit zehn Jahren keine Bankschulden mehr haben.»

Schwierige Momente

In der Geschichte des Stanser Unternehmens gab es allerdings auch einige Flops, räumt Markus Kälin ein. «Der PC-11, besser bekannt als B4, war für mich ein ausgezeichnetes Flugzeug, das namentlich von den weltbesten Kunstfliegern benutzt wurde. Finanziell war das Flugzeug jedoch ein Fass ohne Boden. Stattdessen wurden andere Modelle konzipiert, sie wurden aber nicht in Serie produziert.»

Und was sagt Kälin zu den Pilatus-Skandalen im Ausland? Laut gewissen Nichtregierungs-Organisationen, darunter die Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA), wurden Pilatus-Flugzeuge nach ihrer Auslieferung mit Waffen bestückt und zu militärischen Zwecken eingesetzt.

«Von weitem sieht das aus wie Bomben», kommentiert Markus Kälin diese Frage ironisch und zeigt auf die unter den Flügeln angebrachten Reservetanks eines PC-6, der nach Brasilien geliefert werden soll. In einem ernsteren Ton räumt er ein, dass das «lästige Fragen» seien. «Ein bewaffnetes Flugzeug gibt viel mehr zu reden als Hunderte Maschinen, die wir ohne jegliches Problem verkaufen», ärgert sich der Pilatus-Mitarbeiter.

Vor dem Verlassen der Pilatus-Werke zieht ein Gebäude mit blauen Wänden unsere Aufmerksamkeit auf sich. Es ist das einzige Gebäude, in das man uns nicht geführt hat. «Hier wird am PC-24 gearbeitet, unserem neusten Modell. Wir werden dafür 400 Millionen Franken investieren, und das Flugzeug wird in Kürze präsentiert werden», erklärt Kälin. «Mehr dazu kann ich nicht sagen.»

Gründungsjahr: 1939

Unternehmensstandort: Stans, Kanton Nidwalden

Filialen: Altenrhein, Kanton St. Gallen, Broomfield (USA) und Adelaide (Australien)

Beschäftigte: 1455 (90% davon arbeiten in Stans)

Umsatz (2011): 781 Millionen Franken

Nettogewinn (2011): 108 Millionen Franken

In der Vergangenheit stand Pilatus im Mittelpunkt von mehreren Kontroversen. Einige Pilatus-Modelle wurden nach ihrer Auslieferung mit Waffen bestückt und zu militärischen Zwecken eingesetzt. Nach Schweizer Gesetz ist es jedoch verboten, Kriegsmaterial in Länder zu exportieren, die sich im Krieg befinden oder die Menschenrechte verletzen.

Laut der Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) wurden PC-7-Flugzeuge modifiziert, um gegen Rebellen eingesetzt werden zu können. Seit 1970 wurden gemäss GSoA Pilatus-Maschinen umgebaut in Burma, Guatemala, Mexiko, Chile, Bolivien, Nigeria, Irak und Tschad. Der Schweizer Flugzeughersteller anerkennt seinerseits nur zwei Fälle: PC-7 in Burma (80er-Jahre) und PC-9 in Tschad.

Die GSoA hat auf die Ankündigung von Pilatus im Juli dieses Jahres, PC-21 an Katar zu verkaufen, negativ reagiert. «Die ständigen Menschenrechtsverletzungen in Katar und die Repression gegen die Opposition lassen befürchten, dass das gelieferte Material in jedem Augenblick gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden könnte», schreibt die GSoA in einer Mitteilung.

In einem Interview mit dem schweizerischen Wochenblatt Handelszeitung erklärte Pilatus-Chef Oscar J. Schwenk, es sei «unmöglich», PC-21 Flugzeuge ohne die Hilfe von Pilatus mit Waffen zu bestücken. Dies wegen der grossen Komplexität der Maschine.

(Übertragung aus dem Italienischen: Jean-Michel Berthoud)

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