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Wächst die Krise, wollen die meisten Demokratie

Der Schweizer Politikwissenschaftler Hanspeter Kriesi. European University Institute Florence

"Im Namen des Volkes": Dies ist das Mantra von Populisten, die in den Demokratien an die Macht drängen oder diese erobert haben. Mit ihren Angriffen auf "Eliten" spalten sie die Gesellschaften. Was sind die Gründe für ihren Aufstieg und wie gefährlich sind sie für die Demokratien? Antworten von Hanspeter Kriesi, dem Doyen der Schweizer Politikwissenschaften.

Dieser Beitrag ist Teil von #DearDemocracy, der Plattform für direkte Demokratie von swissinfo.ch.

Die Schweiz zählt in Europa zu den Ländern mit der längsten Präsenz von Populismus in der Politik. Hanspeter Kriesi zum Anfang dieser Strömung in der Schweiz:

«Der Aufstieg der Schweizerischen Volkspartei (SVP) hat mit der Abstimmung über den Beitritt der Schweiz zum damaligen Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) 1992 begonnen. Er wurde abgelehnt, wenn auch sehr knapp.»

Gilt die Schweiz damit bei den populistischen Parteien Europas als Vorreiterin?

«Das Vorbild für eine starke populistische Bewegung in Europa ist der französische Front National. Die Schweiz spielt keine Rolle.»

2012 hat Kriesi in Europa eine grossangelegte Vergleichsstudie durchgeführt, die European Social SurveyExterner Link. Im Zentrum stand die Frage, was Menschen von der Demokratie erwarten und was sie von ihr halten. Einer seiner Schlüsse daraus:

«Je schlechter es einem Land wirtschaftlich geht und je unzufriedener die Menschen mit der Regierung sind, desto stärker pochen sie auf die demokratischen Prinzipien.»

Wie mit Populisten und dem Phänomen des Populismus umgehen? Diese Frage sorgt bei etablierten Politikern für Kopfzerbrechen. Bändigung durch Einbindung in die Regierungsverantwortung oder strikte Abgrenzung? 

«Entscheidend ist das demokratische System. In Konsensdemokratien gibt es zahlreiche Beispiele, wo Integration oder Zusammenarbeit nicht schlecht funktionierten. In Mehrheitsdemokratien dagegen geht es nicht um Zusammenarbeit mit den Populisten als Partner, sondern darum, ob diese die Wahlen gewinnen und damit die Macht, alleine zu regieren.»

Italien, eine Demokratie in Dauerkrise: Premiers kommen und gehen, die Politik durch Skandal-Figuren wie Berlusconi, Andreotti, Craxi etc. diskreditiert. Ist Italien der Beweis, dass es hoffnungslose Demokratien gibt?

«Das hoffnungslose an der italienischen Demokratie ist, dass die Bürger gar nicht wollen, dass die Politik effizienter funktioniert. Sie haben lieber ein System, das nicht funktioniert, als eines, das ihnen effizient sagt, was sie zu tun haben. Ein Ausweg wäre tatsächlich das Referendum. »

Populisten predigen gern Demokratie. Diese hat aber ihre klaren Grenzen, wie Hanspeter Kriesi erklärt:

«Populisten verletzten die liberalen Prinzipien der Demokratie, indem sie sich auf das demokratische Prinzip berufen.»

«Das Problem besteht darin, dass sich Populisten einzig auf das demokratische Prinzip der Wahl durch eine Mehrheit stützen. Dabei blenden sie aus, dass Wahlen offene Meinungsbildungs-Prozesse beinhalten sowie Minderheiten einbezogen und richterliche Schranken beachtet werden müssen.»

Die Zitate stammen aus einem Interview, das #DearDemocracy mit Kriesi jüngst in Zürich geführt hat.

Fühlen Sie sich mitgemeint, wenn Politiker sagen, sie handelten «im Namen des Volkes»? Schreiben Sie uns in den Kommentaren!

Der Autor auf Twitter: @RenatKuenziExterner Link

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