Der hartnäckige und krisenerprobte Friedensstifter
Politische Konflikte lösen in aller Welt: Dies tut Günther Bächler seit Jahrzehnten. Heikle Missionen sind seine Stärke und seine Passion. Der frühere Schweizer Botschafter in Georgien und erfahrene Mediator ist seit Januar OSZE-Sonderbeauftragter für den Südkaukasus. Ernannt wurde er vom aktuellen OSZE-Vorsitzenden, dem deutschen Aussenminister Frank-Walter Steinmeier.
Als seine Zeit als Schweizer Botschafter in Georgien Mitte 2015 zu Ende war, ging der 63-Jährige eigentlich in Pension. Doch dann kam die Anfrage aus Deutschland, das im laufenden Jahr den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) innehat und Bächler als Sonderbeauftragten für den Südkaukasus vorschlug. Die Schweiz zeigte Interesse, Bächler überlegte, lange und gut – und nahm den Job an.
OSZE-Sonderbeauftragter Südkaukasus
Als Vertreter des aktuellen OSZE-Vorsitzenden, des deutschen Aussenministers Frank-Walter Steinmeier, befasst sich Günther Bächler schwerpunktmässig mit den Konflikten um die abtrünnigen und von Russland unterstützten georgischen Regionen Abchasien und Südossetien. Viermal im Jahr nimmt er an den internationalen Georgien-Diskussionen in Genf teil, reist in die Konflikt-Regionen sowie nach Tbilisi und Moskau.
Sein Mandat beinhaltet auch den Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Berg Karabach. Zudem geht es um eine gesamt-europäische Sicherheitsarchitektur angesichts der Ukrainekrise, der Krim-Annexion und anderer politischer Gefahrenherde in der Region.
«Ich bin letztes Jahr mit einem weinenden Auge aus Georgien abgereist. Die neue Funktion gibt mir nun die Gelegenheit, die Kontakte aufrechtzuhalten. Ich kenne die Region, was ein grosser Vorteil ist.» Seine Nomination wurde laut Bächler auch vom georgischen Ministerpräsident positiv aufgenommen.
Seit Januar ist er viel gereist, hat die «Ochsentour» in der Region absolviert und jene Leute getroffen, mit denen er an den regelmässigen Georgien-Gesprächen in Genf zu tun haben wird. Viele von ihnen kennt er von seiner Zeit in Tbilisi als Schweizer Botschafter. «Die Arbeit ist intensiv und anstrengend, auch physisch. Man muss sich fit halten, damit man durchhält», sagt der krisenerprobte Botschafter.
Schnelle Lösungen gibt es nicht
Bächler gilt als hartnäckiger Unterhändler mit einer Portion Sturheit und grosser Glaubwürdigkeit. Sich selber bezeichnet er als Mann mit einem gewissen Gerechtigkeitssinn, gekoppelt mit Ungeduld. «Ich will, dass es den Leuten am Stacheldraht besser geht, ich will nicht warten, bis der hinterletzte Diplomat begriffen hat, was Frieden ist. Prozesse kann man nicht ewig rausziehen, man muss aktiv und kreativ Lösungen skizzieren», sagt der Basler pointiert.
Er muss es wissen, hat er doch unter anderem als Sondergesandter des Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) im Darfur-Konflikt und zuvor in Nepal vermittelt, wo er den grössten Erfolg seiner Karriere verbuchen konnte. Er brachte die maoistischen Rebellen und die nepalesische Regierung an einen Tisch. Zähe Verhandlungen mündeten schliesslich 2006 in einem Friedensabkommen zwischen den zerstrittenen Seiten. «Der Erfolg löste bei mir eine grosse Freude, ein unbeschreibliches Glücksgefühl aus – wie damals, als ich beim Halbmarathon in den georgischen Bergen durchs Ziel gelaufen bin.»
Mit Instinkt und Verhandlungstaktik
Bächler, der zuerst Kunst und Kunstgeschichte studiert hatte, fand während seines Studiums in Berlin schnell zu dem, was sich wie ein roter Faden durch sein Leben ziehen sollte: Konfliktforschung und internationale Beziehungen. 12 Jahre lang leitete er die Schweizer Friedensstiftung (swisspeace), entwickelte Präventions-Modelle, Frühwarnsysteme, unterrichtete Mediation und war vor Ort, wenn Konflikte gelöst werden mussten.
Günther Bächler
Bächler, geboren 1953, studierte in Basel Kunst und Kunstgeschichte sowie an der Freien Universität Berlin Politikwissenschaft, Geschichte und Internationale Beziehungen.
1988 – 2000: Leiter der Schweizerischen Friedensstiftung in Bern (swisspeace).
2005 – 2007 war er für die Politische Direktion als Spezialgesandter im Friedensprozess in Nepal tätig. Nach dem Friedensabkommen wechselte er im November 2007 in die Botschaft Khartum. Als Sondergesandter war er vor allem im Darfur-Konflikt tätig.
Von 2010 -2015 war er Schweizer Botschafter in Georgien.
Seit Januar 2016 ist er OSZE-Sonderbeauftragter für den Südkaukasus.
Bächler hat verschiedene Publikationen auf dem Gebiet der Konfliktanalyse und Friedensförderung publiziert. Sein neustes Werk «Building Democracy» entstand zum Abschluss seiner Zeit als Botschafter in Georgien.
Offenbar hat er den richtigen Instinkt, um vorwärtszukommen, und die nötige Theorie im Rucksack, um die Konfliktdynamik einstufen zu können. «Vor allem muss man sich auf die Leute einlassen, beide Seiten anhören, Vertrauen schaffen, glaubwürdig bleiben. Als Vermittler muss man alle gleich behandeln, aber auch seine Wertehaltung klar machen. Ich bin nicht passiv, ich urteile jedoch nicht, höchstens für mich selber. Mein Ziel ist es, in der Konfliktbearbeitung weiterzukommen.»
Bächler sagt auch, dass die Schweiz grundsätzlich mit allen Parteien rede, die verhandeln wollten und eine Lösung jenseits von Gewalt suchten. «Auch wenn sie für die eine oder andere Seite als Terroristen gelten – wie zum Beispiel die Hamas. Mit dem IS jedoch kann man nicht sprechen, die will keine Verhandlungslösung, sie will nicht Konfliktpartei sein.»
Befriedung mit Militärgewalt
Auch wenn der Schweizer Mediator grundsätzlich der Meinung ist, dass sich Konflikte nicht nachhaltig mit militärischen Mitteln lösen lassen, hat er den Militäreinsatz der NATO im Konflikt um Kosovo 1999 begrüsst. «Ich fand die militärische Intervention von damals angesichts der Massenvertreibungen durch Serbien und als Genozid-Prävention angebracht – trotz aller Kritik und eines fehlenden UNO-Mandats.»
Beim Syrien-Krieg spricht Bächler von einem Dilemma des Westens und zeichnet ein düsteres Bild. «Heute sind wir in einer prekären Situation. Auf die Dauer gibt es nur eine Lösung: Die UNO sollte befähigt werden, mit einer eigenen, stark ausgerüsteten Polizeitruppe zu intervenieren – mit dem Zugeständnis des UNO-Generalsekretärs. Dazu braucht es aber Mechanismen, die man heute nicht hat.»
Die Enge der Schweiz
Bewunderung findet Günther Bächler für Persönlichkeiten wie Egon Bahr, den Architekten der deutschen Ostpolitik, oder für Willy Brandt. Aber auch «mutige und gradlinige Schweizer Demokratinnen» wie die ehemaligen Bundesrätinnen Ruth Dreifuss und Micheline Calmy-Rey haben seine Bewunderung. Oder Friedrich Dürrenmatt, der grosse Schweizer Schriftsteller, der die Schweiz in einer Rede von 1990 als Gefängnis bezeichnete.
Mit der aktuellen geistigen Elite der Schweiz hat der Topdiplomat zurzeit seine liebe Mühe. «Breite akademische Diskurse, die auf die Politik Einfluss nehmen, fehlen weitgehend. Alles wird politisiert, es ist eine Polarisierung im Gang. Es fehlen die Grautöne, das Abwägen. Ich finde es seltsam, wie Initiativen und Referenden heutzutage eingesetzt werden und wie man das Erfolgsmodell der Schweiz dermassen strapazieren kann.»
Seit er aus Georgien zurück ist, fällt ihm besonders auf, dass sich Lebensqualität nicht alleine an Bruttoinlandprodukt und Reichtum messen lässt. «Im Gegensatz zur Schweiz ist Georgien ein sehr armes Land, hat aber trotzdem eine hohe Qualität: Eine gewisse Dynamik und Offenheit und eine reiche Kultur.» In der Schweiz hingegen werde vieles über Geld definiert. Zudem führe die Gesetzeswut zu einer Enge, welche die Freiheit des Einzelnen aufs Spiel setze. «In Georgien hingegen habe ich viel Freiheit erlebt, auch weil nicht alles reguliert ist.»
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