Nationalrat will «Diskriminierung» von Auslandschweizern stoppen
Trotz des Schweizer Bürgerrechts werden sie von den Schweizer Banken nicht gleich behandelt wie ihre Landsleute im Inland. Seit Jahren kämpfen die Auslandschweizer auch auf politischem Weg erfolglos gegen "diese Diskriminierung". Nun haben sie in der Grossen Parlamentskammer einen beachtlichen Etappensieg erzielt.
Es ist ein aussergewöhnlicher Meinungsumschwung, und diesmal stiessen die Argumente der Landesregierung auf taube Ohren. Die Grosse Parlamentskammer sagte mit mit 174 zu 4 Stimmen bei 7 Enthaltungen fast einhellig Ja zur entsprechenden Motion.
«Der Bundesrat wird beauftragt, die Postverordnung so zu ändern, dass Auslandschweizerinnen und -schweizer zu ähnlichen Konditionen wie in der Schweiz Zugang zu den Dienstleistungen von Postfinance, einschliesslich des Kreditkartenangebots, haben.»
Tim Guldimann, der einzige im Ausland lebende Schweizer Parlamentarier – er bezeichnet sich selber als Internationalrat – erklärt den Meinungsumschwung wie folgt: «Es hat sich generell etwas aufgestaut, nämlich das Bewusstsein, dass es ein Problem gibt und nichts geschieht. Der Vorstoss, welcher der Diskriminierung der Auslandschweizer im Vergleich mit Schweizern im Inland ein Ende setzt, hat offensichtlich überzeugt. Wir konnten darlegen, dass es nicht darum geht, etwas Besonderes für die Auslandschweizer herauszuholen, sondern dass die Versorgungssicherheit mit Finanzdienstleistungen, die obligatorisch als Aufgabe der Postfinance gesetzlich vorgeschrieben ist, auch den Landsleuten im Ausland zu gewähren ist.»
Nationalrat Laurent Wehrli (FDP, VD), der Initiant der Motion, argumentierte: «Es ist nicht gerechtfertigt, dass die Kontoführungsgebühren bis zu zehnmal höher sind als die Gebühren, die in der Schweiz für die gleichen Dienstleistungen erhoben werden.»
Vor wenigen Wochen noch wurde eine ähnlich lautende Motion knapp abgelehnt. Jetzt scheint ihre Argumentation aber nicht mehr überzeugt zu haben. Für den Meinungsumschwung sieht Guldimann zwei Gründe: Die Eidgenossenschaft sei verfassungsrechtlich verpflichtet, für die Beziehungen zu den Auslandschweizern einzutreten. Und weil es eine Bank betreffe, die sich im Eigentum der Eidgenossenschaft befinde, lasse sich das Problem relativ einfach lösen, nämlich mit einer Änderung der Postverordnung.
Davon profitieren würden viele, denn immer mehr Schweizerinnen und Schweizer leben über kurz oder lang im Ausland. Seit dem Steuerstreit zwischen der Schweiz und wichtigen Handelspartnern wie den USA und Deutschland ist es für sie schwieriger geworden, Bankbeziehungen mit der Schweiz zu unterhalten, obwohl viele von ihnen für die Aufrechterhaltung ihrer Beziehungen zur Heimat darauf angewiesen sind. Sie fühlen sich gegenüber Landsleuten im Inland diskriminiert, weil die Banken Geschäftsbeziehungen (Bankkonten, Kreditkarten) kündigen oder immer höhere Gebühren verlangen. Die Banken begründen dies mit zusätzlichen regulatorischen Vorgaben, insbesondere den mit wachsendem administrativem Aufwand verbundenen Informationsaustausch.
Und die staatsnahe Postfinance?
Die Auslandschweizer-Organisation (ASO) zeigt zwar Verständnis, dass die Veränderungen auf dem Finanzplatz mehr Aufwand bedeuten, kommt aber zum Schluss, dass diese von den Banken als Vorwand benutzt werden, um nur reiche Kunden aufzunehmen. Beschwerden der ASO blieben bisher erfolglos. Der Bund argumentierte jeweils, die Banken könnten als privatwirtschaftliche Institutionen selber entscheiden, mit welchen Kunden sie Geschäfte tätigen wollten.
Gar kein Verständnis haben die Auslandschweizer-Vertreter, dass sogar die parastaatliche Postfinance die Landsleute im Ausland diskriminiere.
Fast 100% Zustimmung der Kommission
Die Interessenvertreter der Auslandschweizer im Parlament konnten die Aussenpolitische Kommission (APK) der grossen Parlamentskammer für eine Motion gewinnen, die verlangt, dass die Postverordnung so zu ändern sei, dass Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer zu ähnlichen Konditionen wie in der Schweiz Zugang zu den Dienstleistungen von Postfinance haben.
Während 19 von 20 Mitgliedern der APK (eine Enthaltung) hinter der Motion standen, wird diese von der Landesregierung abgelehnt.
Regierung stützt Postfinance.
«Der Bundesrat erachtet es als starken Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit der Banken, wenn diese regulatorisch gezwungen werden, allenfalls höhere als von ihnen selbst gewählte Risiken einzugehen», hält sie fest. Aus Sicht der Wettbewerbsgleichheit liesse sich nicht begründen, weshalb nur Postfinance von einer gesetzlichen Pflicht betroffen sein sollte.
Dass Postfinance als Konzerngesellschaft der Schweizerischen Post, die sich indirekt im Besitz des Bundes befindet, eine besondere Verpflichtung auch gegenüber Landsleuten im Ausland habe, wie dies die APK in ihrer Motion geltend macht, lasse sich nicht mit deren Mandat rechtfertigen, argumentiert der Bundesrat.
Auch nicht Kreditkarten
Die Ausstellung einer Kreditkarte hänge von der finanziellen Situation der Antragsstellenden ab. «Kreditkarten seien nicht Bestandteil des Grundangebots, auf das jede in der Schweiz wohnhafte Person im Rahmen des Grundversorgungsauftrags der Postfinance Anspruch hat», schreibt der Bundesrat. Mit der Forderung der APK würden Auslandschweizer gegenüber Inländern sogar noch bevorteilt. Doch alles Argumentieren half diesmal nicht: Der Nationalrat stellte sich praktisch in seiner Gesamtheit hinter die Anliegen der Fünften Schweiz.
Noch ist es aber ein weiter Weg, bis Auslandschweizer bei Postfinance ähnliche Konditionen wie die Inländer erhalten. «Internationalrat» Guldimann ist überzeugt, dass die Motion auch in der Kleinen Kammer durchkommen wird. Ständerat Filippo Lombardi – auch er ein Interessenvertreter der Fünften Schweiz im Parlament – habe zuvor schon mit einem ähnlich lautenden Vorstoss im Ständerat viel Zustimmung bekommen, begründet Guldimann seinen Optimismus.
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