Rückgabe der Mubarak-Gelder ernsthaft bedroht
Nach dem arabischen Frühling haben die Schweizer Behörden fast 700 Millionen Franken aus dem Umfeld des Mubarak-Clans blockiert und damit in der ägyptischen Bevölkerung hohe Erwartungen geweckt. Heute scheint die Konfiszierung dieser Gelder, eine Voraussetzung für ihre Rückgabe, immer unwahrscheinlicher. Ein Blick auf die Gründe eines angekündigten Misserfolgs.
Nach dem Sturz von Hosni Mubarak am 11. Februar 2011 hatte die Schweizer Regierung gerade mal eine halbe Stunde gebraucht, um die Gelder der Familie des ägyptischen Diktators und dessen Entourage zu blockieren. Die Schweiz stand damals mitten im Sturm um das Bankgeheimnis und wollte zeigen, dass sie mit starker Hand gegen Hosni Mubarak und andere Potentaten vorgeht, die in Folge der Revolten im arabischen Raum gestürzt wurden.
Die beträchtlichen Summen, um die es ging – insgesamt wurden im Kontext des arabischen Frühlings rund eine Milliarde Franken blockiert – zeigten aber auch die Komplizenschaft der Schweizer Banken mit den politischen Führern, denen vorgeworfen wurde, in ihren Ländern jeweils umfassende Korruptionssysteme aufgebaut zu haben.
Besonders im Rampenlicht stand die zweitgrösste Bank des Landes, Credit Suisse: Sie hatte mit offenen Armen fast 300 Millionen Franken entgegengenommen, die von Alaa und Gamal Mubarak, den beiden Söhnen des ehemaligen ägyptischen Staatschefs, kamen. Dies war fast die Hälfte aller insgesamt in der Schweiz blockierten ägyptischen Vermögenswerte.
«Durch die rasche Sperrung der Gelder und das Versprechen, diese an die ägyptische Bevölkerung zurückzugeben, wollte die Schweiz einen Skandal im Keim ersticken und leidige Fragen über die Wirksamkeit ihres Dispositivs im Kampf gegen die Geldwäscherei verhindern», erklärte Olivier Longchamp, Finanz- und Steuerexperte bei der Schweizer Nichtregierungsorganisation Public EyeExterner Link.
Internationale Rechtshilfe eingestellt
Heute jedoch, fast sieben Jahre später, scheint die Prozedur zur Rückerstattung dieser Gelder an Ägypten an einem toten Punkt angelangt zu sein. Ein Viertel der blockierten Gelder wurde im Dezember 2016 freigegeben. Und im August 2017 stellte die Bundesanwaltschaft (BA)Externer Link ihre Zusammenarbeit mit Ägypten in der Rechtshilfe ein, die ergebnislos geblieben war.
«Im Verlauf der letzten fünf Jahre hatte [zwischen den beiden Ländern] ein reger Austausch stattgefunden. Dennoch musste festgestellt werden, dass die notwendigen Elemente für die Weiterführung des Vollzugs der Rechtshilfe fehlten. Aus diesem Grunde wurde die Rechtshilfe abgeschlossen», erklärte BA-Sprecher Anthony Brovarone, ohne weitere Details bekannt zu geben.
«Das Einstellen der Rechtshilfe mit Ägypten war der Entscheid, der sich aufdrängte», erklärte seinerseits Lionel Halpérin, der Genfer Anwalt von Alaa und Gamal Mubarak. In der Tat habe es «keine Verbindung zwischen den ägyptischen Rechtshilfegesuchen und den Guthaben meiner Kunden in der Schweiz» gegeben, wie das Bundesamt für Justiz von Anfang an erklärt habe, sagte Halpérin weiter. «Zudem machten die Freisprüche in Ägypten die an die Schweiz gerichteten Gesuche gegenstandslos.»
Tatsächlich war die Rechtshilfe zwischen den beiden Staaten wegen der postrevolutionären Instabilität und der mangelnden Unabhängigkeit der ägyptischen Justiz von Anfang an mit Schwierigkeiten konfrontiert. Einerseits werden gewisse Richter, die seit 2011 im Amt sind, als Gesandte der Ära Mubarak betrachtet. Zudem konnte der geschwächte ägyptische Justizapparat den Anforderungen der Schweizer Behörden nicht Folge leisten, die darauf abzielten, die illegale Herkunft der vom Mubarak-Clan auf Schweizer Banken deponierten Gelder beweisen zu können, eine unabdingbare Voraussetzung für die Konfiszierung und Rückgabe der Gelder.
Kaum noch Hoffnung
«Die Einstellung der Rechtshilfe ist sicher ein schlechtes Zeichen», schätzte Olivier Longchamp. «Die Hoffnungen auf eine Konfiszierung der Gelder sind nun sehr gering, denn es dürfte für die Schweiz überaus schwierig sein, Delikte nachzuweisen, die zum Teil vor mehreren Jahrzehnten in Ägypten erfolgten, wenn ihr dazu keine Beweise aus dem Land selber übermittelt wurden.»
Aus Sicht des Public-Eye-Experten ist es daher wahrscheinlich, dass sich die Bundesanwaltschaft bald einmal dazu gezwungen werden sieht, die noch blockierten Gelder wieder freizugeben, die an frühere Verbündete des Mubarak-Clans zurückfliessen dürften. Ein Szenario, welches die Schweizer Behörden nicht kommentieren wollen. Die Bundesanwaltschaft erklärte lediglich, «das Strafverfahren wegen Verdachts auf organisierte Kriminalität und Geldwäscherei, das sich gegen sechs Personen richtet, ist noch im Gang».
Der Druck auf Bern nimmt jedoch zu: Der Anwalt von Alaa und Gamal Mubarak verlangt eine sofortige Einstellung der in der Schweiz gegen seine Mandanten laufenden Strafverfahren.
«In sechs Jahren Untersuchungen hat die Bundesanwaltschaft nicht die geringste konkrete Anklage oder einen Hinweis vorgelegt, die auf eine illegale Herkunft der in der Schweiz blockierten Gelder meiner Kunden hinweisen würden. Obschon die Beweislast bei der BA liegt, kooperierten wir in vollem Umfang und leisteten proaktiv enorm viel Arbeit, um zu dokumentieren, dass diese Gelder absolut rechtmässig sind und aus internationalen Aktivitäten meiner Kunden stammen, die beide in wichtigen Finanzinstitutionen tätig waren», unterstrich der Genfer Anwalt.
Da es überhaupt keine verdächtigen Transaktionen gegeben habe, wären diese Strafverfahren in der Schweiz ohne den Kontext des arabischen Frühlings zudem gar nie eingeleitet worden, sagte Lionel Halpérin weiter. «Den Schweizer Behörden blieb jedoch wahrscheinlich angesichts der damaligen politischen Umstände keine andere Option, als zu handeln.» Der Genfer Anwalt betont zudem, dass sich das Strafverfahren in der Schweiz nie direkt gegen Hosni Mubarak gerichtet habe, da dieser in der Schweiz nie Vermögen besessen habe.
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Schweizer Modellgesetz für Blockierung von Diktatorengeldern
Unzureichende Gesetzgebung?
Die Sackgasse, in der die politischen und juristischen Behörden der Schweiz steckten, illustriere, dass die rechtlichen Instrumente, mit denen gegen zweifelhafte Vermögenswerte aus dem Ausland vorgegangen werden könne, unzureichend seien, findet die Nichtregierungsorganisation Public Eye, die letzte Woche einen detaillierten Bericht zu dem Thema veröffentlicht hat.
Seit dem arabischen Frühling ist – auch wenn die Verfahren für die Rückerstattung oft lang und schwierig sein können – von den auf Schweizer Banken blockierten Geldern aus Ägypten, Libyen und Tunesien, rund eine Milliarde Franken, noch kein einziger Franken in die andere Richtung geflossen.
«Das neue Gesetz über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen (SRVG), das 2016 in Kraft trat, ist sicher ein Schritt nach vorne, aber die Anwendungsbedingungen des Gesetzes sind bisher zu restriktiv. Wir plädieren schon lange für eine Norm im Strafgesetzbuch, mit der es möglich würde, Vermögenswerte zu beschlagnahmen, wenn die internationale Rechtshilfe versagt», unterstrich Olivier Longchamp.
Mit einer solchen Gesetzesbestimmung würde die Beweislast umgekehrt, wie das schon bei so genannt «gescheiterte Staaten» der Fall ist: Es wäre Sache der Potentaten und ihres Umfelds, die rechtliche Herkunft ihrer Vermögenswerte vor Schweizer Gerichten zu beweisen – und nicht umgekehrt.
«Die Glaubwürdigkeit der Schweiz in den betroffenen Ländern steht auf dem Spiel, vor allem in Ägypten, wo das Land grosse wirtschaftliche Interessen hat», erklärte Olivier Longchamp. Die Schweiz wolle sich bei der Blockierung und Rückgabe illegaler Vermögenswerte einen Ruf als weltweit führende Kraft schaffen. «Sollte die Rückgabe der in Folge des arabischen Frühlings blockierten Gelder scheitern, würde dieses Bild schwer ramponiert», sagte der Public-Eye-Experte.
Chronologie: Gelder von Diktatoren auf Schweizer Banken
Rückgabe von blockierten Geldern
Die Rückgabe von Vermögenswerten (Gelder auf Bankkonten, Immobilien, Fahrzeuge etc.) erfolgt in mehreren Etappen. In einem ersten Schritt werden die Vermögenswerte blockiert. Sie gehören immer noch der betroffenen Person, die aber keinen Zugriff mehr darauf hat. Kommt ein Gericht zum Schluss, dass es sich um illegal erworbene Vermögenswerte handelt, können diese beschlagnahmt werden. Ab diesem Zeitpunkt gehören sie nicht mehr der angeklagten Person.
Im nächsten Schritt geht es um die Rückerstattung dieser Vermögenswerte an die geschädigten Bevölkerungen. Konkret kann diese Etappe über Stiftungen oder die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) erfolgen. Dank den zurückerstatteten Geldern können Projekte vor Ort umgesetzt werden (zum Beispiel Armutsbekämpfung oder Stipendien). Die Schweiz gab so in den vergangenen 20 Jahren gegen 1,8 Milliarden Dollar an Bevölkerungen in Entwicklungsländern zurück, die von ihren politischen Führern bestohlen worden waren.
Quelle: La Liberté
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Übertragung aus dem Französischen: Rita Emch
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