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Privatbanken öffnen sich dem Zeitalter der Transparenz

Ist die Publikation gewisser Geschäftszahlen ein Zeichen für weniger Diskretion bei den Genfer Privatbanken? Keystone

Pictet, die ehrwürdige Schweizer Privatbank, pflegte Diskretion auf höchstem Niveau: Der Briefkasten des Genfer Hauptsitzes war einst nur mit den Buchstaben "P & Co" beschriftet. Die Publikation des Geschäftsergebnisses zum ersten Mal in der 209-Jahre alten Geschichte ist Zeichen eines Wandels im Schweizer Privatbankwesen.


George Washington war Präsident der Vereinigten Staaten, als Lombard Odier 1796 gegründet wurde. Aber ‹Onkel Sams› Gerichtsklagen gegen Steuerflüchtlinge hat die diskrete Institution dazu gezwungen, ihre Bücher diese Woche auch dem Blick der Öffentlichkeit freizugeben

Beide Institutionen, Pictet und Lombard, aber auch Mirabaud und La Roche, haben ihre Gesellschaftsstruktur geändert, um die persönliche Haftbarkeit der Partner zu begrenzen, die einst Visitenkarte für Vertrauen und Stabilität war.

Der gesamte Schweizer Privatbanken-Sektor ist von einem Wandel erfasst worden, angetrieben von der Finanzkrise, Kurseinbrüchen an den Börsen, niedrigsten Zinsraten und dem globalen Kreuzzug gegen (Beihilfe zur) Steuerhinterziehung, welche die Bank Wegelin in die Knie zwangen und die UBS und Credit Suisse demütigten.

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Berge von Problemen

Laut PricewaterhouseCoopers (PwC) Schweiz haben sich seit 2008 verwaltete Kundenguthaben von rund 600 Mrd. Franken in Luft aufgelöst. In diesem Zeitraum haben ausländische Kunden 350 Mrd. mehr abgehoben, als angelegt.

Einige Banken haben ihre Türen geschlossen oder sind von Konkurrenten übernommen worden. PwC sagt voraus, dass bis zu 25% der Institute demnächst verschwinden könnten.

Eine Studie von KPMG und der Universität St. Gallen kommt zum Schluss, dass ein Drittel der Privatbanken, die von ihnen analysiert wurden, im letzten Jahr einen Verlust machten, der ungefähr den 900 Mio. Franken entsprach, die sie zur Deckung allfälliger Gerichtskosten für Steuerhinterziehung  zurückstellen mussten.

Laut PwC hatten Schweizer Banken im Jahr 2008 rund 800 Mrd. unversteuertes Geld angenommen, zwei Drittel aller ausländischen Guthaben, die sie verwalteten. Dieser Betrag sei inzwischen auf rund 200 Mrd. reduziert worden, aber einige Banken müssten die juristischen Probleme jetzt lösen.

Die Banken bestreiten, dass die Steuerflucht-Probleme sie zu Änderungen veranlasst hätten. Pictet und Lombard Odier sind der Ansicht, dass die Zeit reif sei, das alte Gewand abzuwerfen und  neue Strategien anzuwenden, um sich der modernen Zeitalter zu stellen.

Neuanfang

Aber wie sollte das neue Modell aussehen, und welche Banken werden damit erfolgreich sein, welche werden scheitern? Diese Frage zu beantworten, ist so einfach wie in eine Kristallkugel zu schauen, die jahrelang nicht abgestaubt wurde.

Das regulatorische Umfeld ist noch nicht bestimmt, die Steuerflucht-Problematik muss jetzt vollständig gelöst werden und niemand weiss, wann sich die Aktienmärkte – vor allem in Westeuropa – erholen werden.

Ein Schlüssel zum Erfolg sei der Eintritt in die neuen Vermögenswachstums-Märkte, wie Asien, sagt Martin Schilling, Direktor Konzernfinanzierung und Finanzdienstleistungen bei PwC Schweiz. «Die Banken können es sich nicht leisten, zurück zu lehnen und darauf zu warten, dass die Vermögen von selber zu ihnen kommen. Sie müssen lernen, sich aktiv auf die besten Märkte zu begeben», sagt er.

«Aber sie können nicht einfach überall die Schweizer Privatbank-Tradition abrollen. Es gibt nicht einfach ein einziges Modell, das überall passt. Die Banken müssen ihre eigenen Kompetenzfelder bestimmen und anpassen.»

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Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Seine Reise führt uns direkt ins Herz eines 7-Billionen-Dollar (= 7’000 Mrd.)-Geheimnisses. Auf Schweizer Banken liegt ein Drittel aller Offshore-Vermögen, in einem sicheren Hafen dank strikten Bankgeheimnis-Gesetzen. Die beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse kontrollieren die Hälfte dieses Marktes und dominieren das asketische Herz des Bankensektors.

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Als Daumenregel gelte, dass die Grösse entscheidend sei, sind sich die Analysten von PwC und der KPMG-Universität einig. Die Kosten für die Erfüllung der neuen Rechtsvorschriften, zum Beispiel, werden die kleinen Banken viel härter treffen, wie es ihr Kampf deutlich macht, den sie in einer bereits angespannten Situation führen, um über die Runden zu kommen. 

Aber Martin Schilling ist überzeugt, dass das traditionelle Modell der unbegrenzten Haftung der Partner, das von immer weniger kleinen Schweizer Banken angewendet wird, in gewissen Fällen ein Mittel zum Überleben sein kann.

«Der gegenwärtige Druck bedeutet nicht zwingend das Ende der traditionellen Schweizer Bankiers, aber sie sollten sich anpassen, um zu überleben», sagt er. «Individuellere Dienstleistungen, bei welchen der Kunde als Person anstatt als Nummer wahrgenommen wird,  wird immer noch geschätzt.»

«Aber es genügt nicht, die neue Generation reicher Familien wie bisher zu betreuen. Auch wenn eine Bank das Vermögen einer Familie über mehrere Generationen hinweg verwaltet hat, verlangt die jüngste Generation trotzdem Zugang zu den modernsten Bankenlösungen.» 

Hoffnungsschimmer

PwC ist aber optimistisch, was die Zukunft der überlebenden Schweizer Privatbanken und den Status des Landes als globaler Leader in diesem Sektor betrifft. In ihrem Bericht «Schweizer Privatbanken: von gestern bis übermorgen», sagen die Wirtschaftsprüfer gesündere Gewinne voraus, sobald die Ordnung in der Finanzbranche hergestellt ist.  

Ergebnisse von Pictet und Lombard

Zwei der grossen Genfer Privatbanken haben die Ergebnisse des ersten Semesters 2014 publiziert.

Obwohl die Zahlen unvollständiger sind als jene eines börsenkotierten Unternehmens (und keinen Vergleich mit den Vorjahren ermöglichen), haben die Analysten daraus geschlossen, dass Pictet und Lombard Odier finanziell gesund seien.

Pictet Externer Link

Verwaltete Vermögen: CHF 404 Mrd.

Konzerngewinn: CHF 203 Mio.

Kernkapitalquote: 21,7%

Lombard Odier Externer Link

Verwaltete Vermögen: CHF 211 Mrd.

Nettogewinn: CHF 62,5 Mio.

Kernkapitalquote: 23,8%

Der Bericht der KPMG-Universität St. Gallen hält fest, dass 36% der Privatbanken im letzten Jahr Geld verloren hätten. Dieser Prozentsatz werde auf 16% sinken, wenn die einmaligen Bussen der USA für  Beihilfen zur Steuerhinterziehung wegfallen werden, prognostiziert PwC.

Tatsächlich haben einige Banken von den Problemen anderer profitiert. Pictet hat bekannt gegeben, dass «ihre wichtigste Quelle für neue Geschäfte» gegenwärtig der Transfer von Kundenvermögen auf gescheiterten Schweizer Banken sei.

In den letzten sechs Jahren haben die Steuerhinterziehungs-Affären dem Ruf des Schweizer Bankenwesens grössten Schäden verursacht, aber das Image des Privatbankings mit höchster Qualität und Kompetenz bleibe intakt.

«Vielleicht weist die Vermögensverwaltungs-Industrie in Singapur höhere Wachstumsraten aus, aber die Prognose, dass sie jene der Schweiz in drei Jahren überholen werde, ist übertrieben», sagt  Schilling. Die europäischen Volkswirtschaften werden vermutlich eine gewisse Zeit brauchen, um sich aufzurichten, aber wenn es so weit ist, werden die Schweizer Banken bereit sein, um davon zu profitieren.»

(Übertragung aus dem Englischen: Peter Siegenthaler)

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