«Auch Grossenkel der Auslandschweizer müssen für marode AHV bluten»
Petra Gössis Äusserungen im Blick haben die Fünfte Schweiz erzürnt. Die Präsidentin der FDP stellt nun klar: "Auslandschweizer haben selbstverständlich Anspruch auf ihre AHV-Rente und dieselben Rechte wie die Inlandschweizer."
«Rentenausbau hilft den falschen Personen, nämlich den Rentnern im Ausland, die keine Wertschöpfung in der Schweiz generieren. Ihnen vergolden wir den Ruhestand auf Kosten der nächsten Generationen.» Diese Aussage im Blick hat die Rentner im Ausland und speziell die Auslandschweizer vor den Kopf gestossen.
swissinfo.ch: Können Sie diese Empörung nachvollziehen?
Petra Gössi: Ich verstehe den Unmut aufgrund der etwas ungeschickten und unsensiblen Kommunikation und halte als Parteipräsidentin den Kopf hin dafür. Das gehört zum Job.
Ich habe viele Zuschriften per E-Mail erhalten, positive und negative, aber überwiegend negative Reaktionen von Auslandschweizern. Die Zuschriften haben vor allem gezeigt, dass der Text nicht im richtigem Kontext verstanden wurde. Der Blick hat den Text nicht verdreht, aber er wurde dann in falschem Zusammenhang von anderen Medien übernommen.
Altersreform 2020
Mit der Altersreform soll das Frauenrentenalter auf 65 steigen. Neue AHV-Rentner erhalten 70 Franken mehr pro Monat. Dafür werden 0,3 zusätzliche Lohnprozente erhoben. Der Umwandlungssatz der zweiten Säule wird von 6,8 auf 6 Prozent gesenkt. Angehoben werden der Mehrwertsteuersatz und teilweise die Sätze der Altersgutschriften.
swissinfo.ch: Wenn das kein Angriff auf die Rentner im Ausland war, was wollten Sie denn sagen?
P.G.: Wir haben immer gesagt, dass wir keine Rentenkürzungen wollen. Diskutiert wird jetzt ja nicht über die bestehende AHV, sondern über eine Scheinreform, die aufgegleist wird und mit den 70 Franken mehr AHV ein Giesskannen-Prinzip vorsieht, das die nächste Generation sehr viel kostet und nichts bringt.
Bereits ab 2035 schreiben wir ein jährliches Defizit von 7 Mrd. Franken. Sogar ein Rentenalter 67 würde nicht genügen, um dieses Loch zu stopfen. Die Rentenreform 2020 genügt vor allem wegen dem Rentenausbau um 70 Franken nicht, um die Kasse zu sanieren. Es lagen bessere Vorschläge auf dem Tisch, die weniger Giesskanne, dafür mehr Wirkung bei den Ärmsten wollten. Von der SP und der CVP wurden diese sozial gerechten Lösungen aber leider nicht mitgetragen.
So haben wir etwa einen Vorschlag unterstützt, der die Rente der Ärmsten erhöht und auch den Auslandschweizern, die ja keine Ergänzungsleistungen erhalten, viel gebracht hätte.
swissinfo.ch: Sie haben also auch an die Auslandschweizer gedacht. Dennoch sprechen Sie «von einem Ruhestand auf Kosten der nächsten Generationen»…
P.G.: Auch die Auslandschweizer müssen bedenken, dass das Loch in der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und mehr Lohnprozente bezahlt wird. Der Rentenanspruch der Leute im Ausland ist unbestritten, sie haben nichts zu befürchten. Aber sie müssen die AHV nicht mitfinanzieren über eine höhere Mehrwertsteuer. Will heissen, die Jungen, auch die Grossenkel der Auslandschweizer, müssen umso mehr bezahlen. Und deshalb ist es eine generationen-ungerechte Vorlage.
swissinfo.ch: Die jetzigen Rentner in der Schweiz müssen den Rentenausbau auch nicht mitfinanzieren…
P.G.: Diejenigen, die heute schon eine Rente beziehen und in der Schweiz leben, bezahlen 0,6% Mehrwertsteuer mehr, erhalten aber die zusätzlichen 70 Franken nicht. Das heisst, dass sie wegen dieser Reform am Ende des Monats weniger Geld im Portemonnaie haben als ohne Reform.
swissinfo.ch: Auslandschweizer erhalten aber keine Ergänzungsleistungen. Stellen Sie sich vor, nur ein Bruchteil der weit über 750’000 Landsleute im Ausland würde zurückkehren – das würde die Ergänzungsleistungen enorm belasten…
P.G.: Das stimmt. Die Rückkehrer hätten natürlich denselben Rechtsanspruch wie jeder Inlandschweizer. Sehen Sie: Ich bin eine durch und durch Liberale.
Jeder ist frei, dort zu leben, wo er will. Und es ist selbstverständlich, dass jeder seine Rente bekommen soll und damit machen kann, was er will.
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