Schweiz stimmt der Aufstockung von Frontex zu
Das Resultat fällt mit 71,5% deutlich aus: Die Schweizer Stimmbevölkerung spricht sich für die finanzielle Aufstockung der europäischen Frenzwachtagentur Frontex aus.
Es wurde eine hohe Zustimmung erwartet; und die traf auch zu: Mit 71,5% Ja fällt das Verdikt sehr deutlich aus. Die Schweizer:innen befürwortern damit den Ausbau von Frontex, der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache.
Als assoziiertes Schengen-Mitglied beteiligt sich die Schweiz an der Finanzierung der Agentur Frontex, deren Aufgabe es ist, die Aussengrenzen Europas zu kontrollieren. Das Gesamtbudget der Agentur wurde aufgestockt, was bedeutet, dass auch die Schweiz mehr zahlen muss. Konkret geht es um eine Erhöhung von 24 auf 61 Millionen Franken jährlich, zudem sollen künftig statt sechs bis zu vierzig Mitarbeitende aus der Schweiz bei Frontex arbeiten. Dagegen hatten Aktivistinnen und Aktivisten erfolgreich das Referendum ergriffen.
Skandale und ein Rücktritt
Die Abstimmung ist aus mehreren Gründen erstaunlich. Zunächst einmal waren es migrantische Basisorganisationen, die die für das Referendum benötigte 50’000 Unterschriften einsammelten. Viele der Aktivistinnen und Aktivisten haben selber keine Schweizer Staatsbürgerschaft und konnten gar nicht abstimmen.
Hinzu kommt die Tatsache, dass Frontex eine EU-Behörde ist. Die erste Abstimmung über eine EU-Sicherheitsbehörde fand also ausserhalb der Union statt.
Der Urnengang fiel zudem in einer für die Agentur turbulenten Zeit. Der langjährige Frontex-Direktor Fabrice Leggeri trat knapp zwei Wochen zuvor vor seinem Amt zurück, nachdem der Druck auf ihn über Monate zunahm. Die Vorwürfe richten sich einerseits an ihn persönlich, da er sich gegenüber Kontrollinstanzen, die Missstände in der Agentur untersuchen sollten, unkooperativ verhalten. Andererseits und gravierender ist jedoch der Vorwurf, Frontex habe illegale Pushbacks an den europäischen Aussengrenzen gedeckt oder sogar unterstützt.
Schengen im Fokus
Der Abstimmungskampf kam nie wirklich in Schwung, auch weil sich die Parteien nur beschränkt engagiert haben. Das Referendum unterstützt haben die Sozialdemokraten und die Grünen, die übrigen Parteien waren dagegen. Die beiden Parteien sprachen sich nicht grundsätzlich gegen Frontex aus, wie das die Basisorganisationen taten, sie wollten jedoch die zusätzliche Finanzierung an einer Erhöhung der Resettlement-Kontingente anknüpfen.
Lesen Sie hier das Interview mit SP-Nationalrat Fabian Molina:
Mehr
Fabian Molina: «Es braucht nicht nur Grenzschutz, sondern auch legale Fluchtrouten»
Gegen das Referendum setzte sich eine breite Allianz von Mitte- und Rechts-Parteien, zusammen mit Organisationen aus der Zivilgesellschaft. Ins Zentrum ihrer Argumentation stand die Schengen-Mitgliedschaft der Schweiz, die sie bei einem Nein zu Frontex gefährdet sahen. Zudem würde die Schweiz von der wichtigen grenzüberschreitenden Polizeikooperation abgeschnitten.
Lesen Sie hier das Interview mit GLP-Nationalrätin Tiana Moser:
Mehr
Tiana Moser: «Wir riskieren den Austritt aus Schengen»
Stimmbeteiligung sackt in den Keller
Die Stimmbeteiligung fiel mit 39% tief aus. Das ist ein Absturz von fast 20%: Noch im letzten Jahr beteiligten sich im Schnitt aller vier nationalen Urnengänge 57% der Stimmberechtigten an den Abstimmungen.
Der damalige Schub habe klar mit der Pandemie zu tun gehabt, sagte Politikanalyst Lukas Golder. Im letzten Jahr hätten viele Menschen mit der Faust im Sack abgestimmt und fast immer teilgenommen. Dies nach dem Motto: «Wenn der Staat mir befiehlt, eine Maske zu tragen, wehre ich mich an der Urne.» Diese seien jetzt wieder weg, so Golder.
Was heisst das und wie geht es nun weiter? Hier finden Sie unsere Analyse zur Frontex-Abstimmung:
Mehr
Die Augen bleiben auf Frontex gerichtet
Hier geht es zu den Resultaten der anderen Abstimmungen:
Mehr
Resultate der Abstimmung vom 15. Mai 2022 in der Schweiz
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch