Rohstoffgigant Glencore geht an die Börse
Glencore, eine der weltweit grössten Rohstoff-Handelsfirmen, will aus ihrem Schatten treten. Sie bringt 20% ihrer Aktien an die Börse. Die viel kritisierte Firma hat ihren Hauptsitz in der Schweiz.
Von dem schon lange erwarteten Börsengang an die Börsen von London und Hongkong erwarten die Verantwortlichen eine Summe von 10,9 Milliarden Schweizer Franken (12,1 Milliarden Dollar), die sie für Firmenkäufe einsetzen wollen.
Der Schritt wurde von einigen Nichtregierungsorganisationen nicht begrüsst. Sie werfen der Firma vor, Entwicklungsländer auszubeuten und Menschenrechte zu verletzen.
Die Baar im Kanton Zug beheimatete Firma Glencore hat sich als Gigant für Öl, Mineralien, Metalle und landwirtschaftliche Produkten auf dem Markt etabliert, seitdem sie von Marc Rich 1974 gegründet worden war. Seit Rich 1993 die Firma für 600 Millionen Dollar verkauft hat, hat sich ihr Wert auf 70 Milliarden Dollar vervielfacht.
Der Börsengang, der am Donnerstag angekündigt wurde, ist aus zwei Gründen signifikant: Er stellt einen der grössten Aktienverkäufe dar, die jemals in London und Hong Kong getätigt worden sind und bringt die Kontrolle über einen privaten Konzern teilweise in die Öffentlichkeit, trotz grossen institutionellen Anlegern wie Hedge Fonds und Staatsfonds.
Mit diesem Vorgehen wird der bisher auf äusserste Diskretion bedachte Rohstoffriese gezwungen werden, Details zur Betriebsführung zu veröffentlichen.
«Ein Börsengang ist der nächste logische Schritt in unserer Entwicklung und Strategie», sagte Firmenchef Ivan Glasenberg in einer Stellungnahme.
Werden andere folgen?
Weitherum wird erwartet, dass mit der Finanzspritze von mehreren Milliarden Übernahmen und Hinzukäufe von neuen Anlagen wie Minen finanziert werden. Glencore gab zu einer möglichen Übernahme des Abbaukonzerns Xtrata keinen Kommentar ab. Die Firma hält dort bereits einen Mehrheitsanteil.
Insider sind geteilter Meinung, ob der Börsengang von Glencore ein Modell für andere Rohstoff-Schwergewichte darstellen wird. Viele von ihnen haben eine starke Präsenz in der Schweiz und viele sind in Minen und anderen Infrastrukturen tätig.
«Das könnte den Beginn eines neuen Phänomens markieren», sagt der Rohstoffexperte Joseph Di Virgilio, der Gründer des Globus Capital Managment Fonds, in New York zu swissinfo.ch.
«Glencore agiert wie ein Marktleader, und viele Konkurrenten werden diesen Verkauf beobachten. Es ist der richtige Schritt, der Glencore Fremdkapital geben wird, um weitere Geschäfte zu finanzieren.»
Glencores Börsengang war eines der am schlechtesten gehüteten Geheimnisse in der Industrie in den letzten 18 Monaten. Die Firma deutete ihn an, indem sie 2009 den Markt bereists testete, als sie eine 2,3 Milliarden schwere Anleihe verkaufte.
Die Anleihe wurde massiv überzeichnet und die wenigen glücklichen Investoren, die sie erwerben konnten, haben ihr Geld breits verdoppeln können. In diesem Jahr hat Glencore den Verwaltungsrat restrukturiert, um für den Börsengang bereit zu sein.
Kritik an Firmenethik
Alle Hoffnungen, dass die Glencore – sobald ein Teil ihrer Aktien öffentlich erhältlich sein wird – ihre Strategie in den Entwicklungsländern ändern wird, haben sich laut Beobachtern zerschlagen.
Glencore schreibt auf ihrer Internetsite, dass sie die Menschenrechte beachte, Arbeitssicherheit und die Umwelt schone. Nichtregierungsorganisationen, darunter auch die Erklärung von Bern, kritisieren die Firmenethik jedoch weiterhin.
2008 wurde die Firma als einer der am schlechtesten geführten Betriebe der Welt gebrandmarkt, an der Verleihung des «Public Eye Awards», die zeitgleich mit dem Weltwirtschafts-Forum in Davos stattfindet und auf verantwortungsloses Verhalten von Firmen aufmerksam machen will.
Kürzlich wurde das Unternehmen wegen Verletzungen der Menschenrechte in der Demokratischen Republik Kongo angeklagt. Und Anfang dieser Woche legte die Erklärung von Bern zusammen mit Organisationen in Frankreich, Kanada und Sambia formalen Protest bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und dem Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ein. Sie sind der Meinung, dass Glencore in Sambia Ausbeutung betreibe und Steuerflucht begehe.
Glencore bestreitet all diese Vorwürfe. Die Firma arbeite daran, die schlechten Zustände auszumerzen, die in einigen der von ihr gekauften Minen, geherrscht hätten. Glencore sagt, die Kritik wegen Sambia basiere auf unvollständiger und unkorrekter Information.
Rohstoffe sind «sexy»
CEO Ivan Glasenberg machte klar, dass die Firma ihr Verhalten wegen des Börsengangs nicht ändern werde: «Dass einige Aktien nun öffentlich sind, wird absolut keinen Einfluss auf das Geschäft haben», sage er der britischen Zeitung Financial Times. «Investoren müssen sich bewusst sein, dass wir mehr zu unserem Geld schauen werden als zu ihrem.»
Andreas Missbach, Mitarbeiter der Erklärung von Bern, hat nicht viel Hoffnung, dass Glencore ihre Ethik ändern wird. «Der Börsengang an sich heisst nicht, dass die Firma ethisch handeln muss», sagt er zu swissinfo.ch.
«Glencore musste nicht unter Druck Aktien verkaufen; es scheint, dass die institutionellen Anleger in Bezug auf den Ruf des Unternehmens kein Problem sehen.»
Für Emmanuel Fragnière, der Rohstoff-Handelskurse in der HEG Schule für Business Administration gibt, ist Glencore aus praktischen Gründen an die Börse gegangen.
«Es ist ein rein opportunistischer Weg, sich in der Blütezeit des Rohstoff-Booms mehr finanzielle Mittel zu beschaffen», sagt er gegenüber swissinfo.ch. «Sie wollen ihre Geschäfte in flüssige Mittel umwandeln; dies können sie aufgrund der Tatsache, dass der Rohstoffsektor für Investoren plötzlich sexy geworden ist.»
Glencore ist einer der weltgrössten Händler von Aluminium, Nickel und anderen Metallen.
Der Rohstoffriese hat seine Zentrale in Baar im Kanton Zug. Er wurde 1974 vom bekannten Rohstoffhändler Marc Rich als «Mark Rich & Co.» gegründet.
Rich war 1983 als Steuerflüchtling von den USA in die Schweiz gekommen, um Klagen des damaligen Staatsanwalts Rudolph Giuliani zu entgehen. 2001 wurde er von Präsident Bill Clinton begnadigt.
1993 verkaufte Rich seine Firma für rund 600 Millionen Dollar an das Management, das sie in Glencore umbenannte.
Das Unternehmen gehört derzeit 485 Direktoren, die privat involviert sind.
Im letzten Jahr konnte Glencore den Gewinnn um 40% auf 3,8 Mrd. Dollar steigern. Der Umsatz stieg um 36% auf 145 Mrd. Dollar.
Der in London und Hong Kong geplante Börsengang soll zwischen 15 und 20% der gesamten Aktien der Firma auf den Markt bringen, erklärte Glencore in einer Mitteilung.
Glencore erwartet, dass der Börsengang rund 12,1 Mrd. Dollar einbringt. Somit würde das Unternehmen einen Börsenwert zwischen 45 und 73 Mrd. Dollar erreichen.
Werden diese Zahlen erreicht, könnte der Börsengang der grösste werden, den die Londoner Börse je erlebt hat.
(Übertragen aus dem Englischen: Eveline Kobler)
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