Der Schweizer Minister, der nie so richtig im Amt ankam
Bundesrat Johann Schneider-Ammann tritt auf Ende dieses Jahres aus der Schweizer Regierung aus. Zweifellos war der Berner ein guter Unternehmer. Als Politiker aber wirkte er oft hölzern und vermochte weniger zu überzeugen.
Von Gewerkschaften und Bauern angefeindet, unter Beschuss wegen Waffenexporten und Freihandelsabkommen: Am Ende wirkte Schneider-Ammann angeschlagen, ein Volkswirtschaftsminister, der es niemandem mehr recht machen konnte. Doch richtig rund ist es dem Politiker der Freisinnig-demokratischen Partei (FDP.Die Liberalen, eine Mittepartei, die Red.) in der Regierung nie gelaufen.
Die Wahl ging noch glatt: Als es 2010 die Nachfolge von Hans-Rudolf Merz zu bestellen galt, setzte sich der Berner Patron dank linker Stimmen gegen die partei-interne Konkurrentin, die damalige St. Galler Sicherheitsdirektorin Karin Keller-Sutter, durch. Als Präsident des Industrieverbands Swissmem hatte er in den Krisenjahren mit demonstrativer Distanz zu den Banken und seinem Bekenntnis zum Werkplatz Schweiz gepunktet.
Im Amt schien sich Schneider-Ammann dann aber nicht entscheiden zu können, ob er den Dingen in liberaler Manier ihren Lauf lassen oder ob er ihnen als Regierungsmitglied seinen Stempel aufdrücken sollte. Oft genug entschieden andere für ihn, oder die Dinge nahmen ihren Lauf.
Verhängnisvolles Versäumnis
Als exemplarisch gelten die Verhandlungen über eine Stärkung der flankierenden Massnahmen, welche die Sozialpartner 2013 unter Schneider-Ammanns Schirmherrschaft aufgenommen hatten. Am Vorabend der Abstimmung über die so genannte Masseneinwanderungs-Initiative Anfang 2014 hatte Schneider-Ammann keine Resultate vorzuweisen. Heute weiss man, dass ein kleines Zugeständnis an die Linke wohl ein anderes Abstimmungsergebnis bedeutet hätte – das Schweizer Stimmvolk hatte die restriktive Initiative knapp angenommen.
Die Probleme aber hatten schon früher begonnen. Als Schneider-Ammann im November 2010 sein Amt antrat, ächzten Tourismus- und Exportindustrie unter dem starken Franken. Wenige Monate später stellte er ein zwei Milliarden Franken schweres Hilfspaket in Aussicht. Geplant waren sogar direkte Subventionen für Unternehmen. Der Widerstand der Wirtschaft war dann aber so stark, dass der Bundesrat zurückkrebsen musste.
Zweifelhaftes Denkmal
Während dieser Vorfall inzwischen vergessen ist, könnte sich Schneider-Ammann mit seinem unermüdlichen Einsatz für die Schweizer Rüstungsindustrie ein dauerhaftes Denkmal gesetzt haben. Gegen Ende seiner Amtszeit hatte er im Bundesrat endlich eine Mehrheit für den Export von Waffen in Bürgerkriegsländer. Ein Entscheid aber, der auch bei Bürgerlichen für Unbehagen sorgt.
«Jobs-Jobs-Jobs!» lautet das Mantra des Volkswirtschaftsministers. Doch der De-Industrialisierung des Landes hatte er wenig entgegenzusetzen. Bei der Übernahme von Alstom durch General Electric etwa gab Schneider-Ammann nach Gesprächen mit der Chefetage Entwarnung. Wenige Monate später musste er hilflos den Abbau von 1400 Jobs im Land zur Kenntnis nehmen.
Der scheidende #BundesratExterner Link hat sich zu seinem Rücktritt geäussert – und nahm die jüngsten Medienberichte auf die Schippe. #JSAExterner Link #SchneiderAmmannExterner Linkhttps://t.co/OHs9TPJuzFExterner Link
— SRF News (@srfnews) 25. September 2018Externer Link
Schneider-Ammanns Fachkräfteinitiative ist zwar besser als ihr Ruf. In Bundesbern gilt sie inzwischen aber als Sinnbild für das Wirken des Berner Bundesrats. Während das Land jahrelang auf handfeste Massnahmen wartete, machte Schneider-Ammann mit Vielfliegerei und häufigen Auslandreisen von sich reden.
Der Aktivismus forderte seinen Tribut. Wenn der Minister Bundesbern wieder einmal mit einem Aussetzer erschreckte, verwies sein Stab auf das enorme Pensum hin. Auch die ständigen Anfeindungen zehrten offensichtlich an den Kräften.
Dauer-Clinch mit den Bauern
Die Bauern hatte Schneider-Ammann schon mit der neuen Landwirtschaftspolitik auf die Strasse getrieben. Kaum hatte der Ernährungssicherheits-Artikel für etwas Ruhe gesorgt, machte Schneider-Ammann Freihandelspläne für die Landwirtschaft und eine Reorganisation bei Agroscope publik. Es dauerte Monate, bis Bauernpräsident Markus Ritter wieder mit ihm sprach.
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Die Bundesrats-Karriere von Johann Schneider-Ammann
Wegen des EU-Forschungsprogramms überwarf sich der Volkswirtschaftsminister bei der Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative mit Bundesratskollegin Simonetta Sommaruga. Im Zusammenhang mit dem Rahmenabkommen brachen die Gewerkschaften mit dem einstigen Vorbeter der Sozialpartnerschaft. Die Digitalisierer haben den Glauben ob der Flut folgenloser Berichte und Initiativen längst verloren.
Hölzerne Auftritte
Zusätzlich kratzten Offshore-Konten, ein Korruptionsskandal im Staatssekretariat für Wirtschaft oder Bürgschaften für die marode Schweizer Hochseeflotte an Schneider-Ammanns Ruf. Viele dieser Pannen hatten lange vor dessen Wahl in den Bundesrat ihren Lauf genommen. Andere gehen auf Entscheide des Gesamtbundesrats zurück. Dennoch blieben sie in der öffentlichen Wahrnehmung oft an Schneider-Ammann hängen.
Als Wirtschaftsführer hatte er als Brückenbauer gegolten. Als Bundesrat gelang es ihm nur selten, Allianzen zu schmieden und Begeisterung für seine Projekte zu wecken. Viel mehr Aufmerksamkeit erregt Schneider-Ammann mit seinen Ansprachen, die nicht einmal abgelesen richtig gelingen wollen. Die Rede zum Tat der Kranken mag weltweit für Schmunzeln gesorgt haben. In Bundesbern sorgte der hölzerne Auftritt selten für Heiterkeit.
Nur beim Abschluss des Freihandelsabkommens mit China schien das Publikum dem Wirken des Volkswirtschaftsministers Respekt zu zollen und seinen Enthusiasmus zu teilen. Dabei gäbe es auch andere Entwicklungen zu würdigen: Die Arbeitslosigkeit ist trotz Zuwanderung tief, die Zahl der Stellen steigt, immer mehr Frauen arbeiten. Auch die Berufsbildung und die Hochschulen haben von Schneider-Ammann profitiert.
Erfolgreicher Unternehmer
Trotzdem dürfte er als Bundesrat in Erinnerung bleiben, der nie ganz im Amt angekommen ist. Als jener Magistrat, bei dem man sich stets fragte, warum er nicht Unternehmer geblieben ist. Denn als solcher war er bemerkenswert erfolgreich.
Der Sohn eines Emmentaler Tierarztes war Anfang der 1980er-Jahre als ETH Elektroingenieur ins Geschäft des Schwiegervaters eingestiegen. Mit dem Baumaschinenbau-Unternehmen Ammann fuhr er eine erfolgreiche Internationalisierungs- und Wachstumsstrategie. Er rettete nicht nur die 800 Schweizer Arbeitsplätze durch die Krise der 1990er-Jahre, sondern baute die Firma aus und erhöhte die Zahl der Stellen in der Schweiz auf 1200.
Den Umsatz konnte er mehr als vervierfachen. Zudem gehört er zu den Rettern der Bieler Firma Mikron. Als der Vater zweier erwachsener Kinder die Firma im Herbst 2010 in die Hände der sechsten Generation der Familie übergab, lag der Umsatz bei rund einer Milliarde Franken. Das Schweizer Wirtschaftsmagazin «Bilanz» zählt die Familie Schneider-Ammann zu den 300 reichsten der Schweiz. Geschätztes Vermögen: 425 Millionen Franken.
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