Russischer Millionär liess Sans Papiers seine Genfer Villa putzen
Der Multimillionär Rishat Safin, der sein Vermögen mit Öl gemacht hat, ist von der Genfer Staatsanwaltschaft verurteilt worden, weil er seit mehreren Jahren nicht angemeldete und unterbezahlte Russen eingestellt hat.
Als Rishat Safin 2005 Vésenaz besuchte, verliebte er sich laut Immobilienmaklern auf der Stelle in die prächtige Villa in der schicken Gemeinde Collonges-Bellerive. Vielleicht war er von der Aussicht über den Genfer See beeindruckt, vielleicht schätzte er die Ruhe des Ortes… Auf jeden Fall hat er das Anwesen für 20 Millionen Franken gekauft, wie La Tribune de Genève damals verriet.
Die Summe ist nicht riesig für den russischen Oligarchen. Sein Bruder Ralif Safin ist laut Wikipedia auf RussischExterner Link ehemaliger Vizepräsident der Ölgesellschaft Lukoil. Und Rishat Safin selbst scheint eine Tochtergesellschaft von Lukoil geleitet und die Benzinvertriebsgesellschaft Artoil gegründet zu haben. Rishat Safins Vermögen beläuft sich auf mehrere hundert Millionen. Sein Umzug in die Schweiz führte dazu, dass er auf der Rangliste der «300 Reichsten» der Wochenzeitung BilanExterner Link auftauchte.
Harte Arbeitsbedingungen
Doch mit fast 600 Quadratmetern Wohnfläche und mehr als 10’000 Quadratmetern Land kann Rishat Safin sein neues Zuhause nicht allein instandhalten. Im Jahr 2011 beschliesst er, eine Anzeige in Russland zu schalten, um Hausangestellte zu finden. Der Ablauf ist immer derselbe: Nach einem kurzen Skype-Interview zahlt er den ausgewählten Personen – meist Frauen – das Flugticket, und diese reisen dann nach Vesenaz.
Die Aufgaben der Angestellten sind vielfältig: Sie putzen das Haus, kümmern sich um die jüngste Tochter des Russen, bereiten den vom Besitzer geschätzten Griess zu, polieren das Tafelsilber… Die Arbeitsbedingungen sind hart.
Die Arbeitswoche dauert zwischen 70 und 89 Stunden, der Lohn liegt unter dem Mindestlohn der Gewerkschaft, und ausserdem muss man sich die Schikanen von Rishat Safins Mutter gefallen lassen, welche die Arbeit der Russen nicht zu schätzen scheint. Wer sich beschwert, dem wird der Pass weggenommen. Anschliessend wird die Person nach Russland zurückgeschickt.
Gewerkschaft schaltet sich ein
So kommt es, dass sich zwischen November 2011 und Juni 2015 die Angestellten an der Chemin de Botterel 18 die Klinke in die Hand geben. Nach einigen Monaten wurde schliesslich eine Gewerkschaft auf die Situation aufmerksam, das den Sachverhalt beim kantonalen Arbeitsinspektorat «Office cantonal de l’inspection et des relations du travail (OCIRT)» anzeigte. Das OCIRT führte daraufhin eine Untersuchung durch.
Die Untersuchung bestätigte den Verdacht. Dem rechtskräftigen Strafbefehl ist zu entnehmen, dass sich Rishat Safin bewusst geweigert hat, den Behörden genaue Angaben zu machen, um sich einer Inspektion zu entziehen und so die Aufdeckung von Straftaten zu verhindern. Das OCIRT hat daraufhin bei der Genfer Staatsanwaltschaft Anzeige erstattet. Gleichzeitig leiteten die Angestellten ein Verfahren vor Arbeitsgericht ein.
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Arbeitsverträge werden legalisiert
Vor dem Genfer Staatsanwalt bricht Rishat Safin schliesslich sein Schweigen: «Der Angeklagte hat alle Anklagepunkte gegen ihn zugegeben, mit Ausnahme derjenigen, die sich auf die unzulässige Ausbeutung seiner Mitarbeiter beziehen», schreibt Staatsanwalt Cédric Genton im Strafbefehl.
Safin beschloss daraufhin, seine Angestellten auf der Grundlage der geltenden Tarifverträge zu bezahlen, und er regelte die Situation mit den Sozialversicherungs- und Steuerbehörden. Die Klage vor Arbeitsgericht wurde daraufhin zurückgezogen.
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Kein Menschenhandel
Die Staatsanwaltschaft muss sich jedoch noch mit den anderen Tatbeständen befassen, nämlich der unerlaubten Beschäftigung von Ausländern, der mangelnden Zusammenarbeit bei den Ermittlungen des OCIRT und Menschenhandel.
Letzteren Vorwurf lässt der Staatsanwalt Cédric Genton im Strafbefehl und der Teileinstellung des Verfahrens vom 16. Juni 2020 fallen: «Aus dem Verfahren geht nicht hervor, dass der Angeklagte irgendeine Form von Zwang auf seine Hausangestellten zum Zwecke der Ausbeutung ihrer Arbeit ausgeübt hat.»
Da noch dazu ein Teil der Taten verjährt war, wurde Safin zu 180 Tagessätzen à je 1500 Franken bedingt verurteilt. Das entspricht 270’000 Franken. Dazu kommt eine Busse von 7500 Franken sowie Gerichtskosten von 600 Franken. Laut Strafbefehl verfügt Rishat Safin über ein Monatsgehalt von 100’000 Franken.
Seit diesen Ereignissen hat Safin die Schweiz verlassen und sich in Zypern niedergelassen. Er hat sogar die zypriotische Nationalität angenommen, wie aus den «Zypern-Papieren» von Al JazeeraExterner Link hervorgeht.
Rishat Safin wurde von Pascal Aeby verteidigt, der sich auf Anfrage von Gotham City zu der Angelegenheit nicht äussern wollte.
* Gotham CityExterner Link wurde von den investigativen Journalisten Marie Maurisse und François Pilet gegründet und ist ein Newsletter zum Thema Wirtschaftskriminalität.
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Sibilla Bondolfi
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