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«Das Dümmste wäre ein Ultimatum Trumps an Kim»

Dieses Foto, das vom Regime verbreitet wurde, zeigt den Diktator Nordkoreas an einem geheimen Ort. (Korean Central News Agency/Korea News Service via AP, File) Keystone

Der neueste Atomtest Nordkoreas hat die Spannungen zwischen den USA und Nordkorea verschärft und nährt Befürchtungen vor einer militärischen Eskalation. Der Politikwissenschaftler Dieter Ruloff hat analysiert, wie Kriege anfangen. Schweizer Radio und Fernsehen SRF fragte ihn, wie er die Kriegsgefahr beurteile. 


SRF: Sie haben anhand von 165 Fällen seit dem Jahr 1792 die verschiedenen Formen von Kriegsanfängen untersucht. Wie beginnen Kriege am häufigsten?

Porträt Dieter Ruloff
Dieter Ruloff ist emeritierter Professor für internationale Beziehungen. SRF-SWI

Dieter Ruloff: Am häufigsten ist die Eskalation. Die Kriegsparteien rutschen sukzessive in einen immer grösseren Konflikt hinein. Beispielhaft dafür ist der Vietnamkrieg. Am Anfang hatte man hier einen sogenannten unkonventionellen Krieg. Im Kampf gegen den Vietcong entsandten die Amerikaner zuerst nur Militärberater. Am Schluss führte man einen grossen konventionellen Krieg, mit Panzern, Bombern. Niemand hat dies anfänglich so gewollt. Die Amerikaner sind in diesen Krieg hineingeschlittert.

SRF: Sie beschreiben auch den «begrenzten Krieg». Sind sich Militärs und Politiker aller Folgen bewusst, wenn sie einen solchen «begrenzten» Krieg auslösen?

D.R.: Häufig bleiben begrenzte Kriege tatsächlich begrenzt, etwa geographisch. Dann nämlich, wenn beide Seiten zu schwach sind für eine weitere Eskalation, wie es Bürgerkriege in Afrika zeigen. Oder man ist sich der grossen Risiken auf beiden Seiten bewusst. Doch wenn eine Partei diese Zurückhaltung nicht kennt, dann wird es sehr gefährlich. Allerdings passt diese Form des Kriegsbeginns nicht zur aktuellen Situation im Konflikt mit Nordkorea.

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SRF: In welches Muster würde dann der gegenwärtige Konflikt um Nordkoreas Atomwaffen passen?

D.R.: In das, was ich als «Nervenkrieg am Rande des Abgrunds» beschrieben habe. Dabei geht es um ein Spiel mit dem Feuer, um einen Wettkampf der Risikobereitschaft. Ein Beispiel dafür war der Irakkrieg im Jahr 2003. Damals stellte George W. Bush Saddam Hussein ein Ultimatum. Er solle binnen 48 Stunden das Land verlassen. Doch das hat nicht funktioniert, weil Saddam nicht rational kalkulierte. 

SRF: Welches sind die Parallelen zu heute?

D.R.: Es gibt auch jetzt einen Wettbewerb der Risikobereitschaft. Kim Jong Un signalisierte: Wir sind bereit, wir könnten Guam zerstören. Er riskiert damit von Seiten der USA einen sogenannten Enthauptungsschlag. Bei einem solchen Schlag geht es darum, die Führung wegzubomben. Das ist das, was die Luftwaffe der südkoreanischen Armee in ihrem Manöver gestern geübt hat. Doch das könnte zu einem grossen konventionellen Krieg führen, mit Tausenden Toten auf der koreanischen Hauptinsel. 

SRF: Kims Grossvater Kim Il Sung hat einen Krieg geführt.

D.R.: Der Koreakrieg wurde 1950 von Kims Grossvater vom Zaun gebrochen. Das war ein Überfall. Kim Il Sung war der Meinung, dass er den Süden erobern könnte. Er glaubte irrtümlich, dass die Amerikaner Südkorea nicht beistehen würden. 

SRF: Sie haben die Anfänge von 165 Kriegen analysiert. Kommt es in Korea wieder zum Krieg?

D.R.: Ich glaube eher nicht. Kim Jong Un möchte die Anerkennung der USA. Er will die Öffnung der Weltmärkte und keinen Krieg. Zudem will er die Garantie, dass die USA keinen Regime-Change wollen, anders als im Irak mit Saddam Hussein. Man könnte also zu einem Deal mit Nordkorea kommen. Dazu müsste man auf Geheimdiplomatie setzen und einen Gesprächsfaden aufbauen, so wie es in den 1970er-Jahren Henry Kissinger unter Präsident Nixon mit der Volksrepublik China gemacht hat. Kissinger ist damals klammheimlich nach Peking gereist. Am Schluss hatte man diplomatische Beziehungen mit China. Auf Seiten der USA würde ein Krieg gegen Nordkorea auch mit dem Bekenntnis von «America First» von Präsident Trump kollidieren.

SRF: Wann könnte es gefährlich werden?

D.R.: Das Dümmste wäre eine Art Ultimatum von Donald Trump an Kim Jong Un, sowie es im Jahr 2003 George W. Bush Saddam Hussein gestellt hat. Das würde nicht funktionieren und könnte unüberschaubare Folgen haben. Mit einem Ultimatum übergibt man die Kontrolle an den Gegner. Und Kriegsdrohungen muss man wahrmachen, sonst ist der Reputationsschaden riesengross.

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