Sami zwingen Schweizer Unternehmen zu mehr Verantwortung
Nach jahrelangem Widerstand der indigenen Bevölkerung hat ein Schweizer Energiekonzern seine Investition in ein norwegisches Windkraftprojekt, das die traditionellen Rentierweiden beeinträchtigen könnte, überdacht. Dies könnte den Druck auf Schweizer Unternehmen erhöhen, sich bei Investitionen im Ausland verantwortungsvoll zu verhalten.
Nach monatelangem Hin und Her und vier Mediationssitzungen hat die Schweizer NGO Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) diesen Monat eine Einigung mit dem Schweizer Energiekonzern BKW über dessen Investition in ein norwegisches Windkraftprojekt erzielt. Das Projekt bedrohte die Lebensgrundlage der lokalen indigenen Gemeinschaft der Sami.
Das Schweizer Unternehmen erklärte sich bereit, seinen Verhaltenskodex zu überarbeiten und seine Due-Diligence-Prüfung von Projekten Dritter weiterzuentwickeln. Wichtig ist, dass die BKW eine Opt-out-Klausel in die Verträge mit Dritten aufnimmt. Diese gibt ihr die Möglichkeit, jederzeit von ihren vertraglichen Verpflichtungen zurückzutreten, wenn Verstösse festgestellt werden und die Partner diese nicht in zufriedenstellender Weise beheben.
«Die BKW wird sicherstellen, dass die Vertragspartner bei Kraftwerk-Projekten auf die Einhaltung der Menschenrechte achten und wird als letztes Mittel eine Ausstiegsoption vorsehen», teilte das Unternehmen am 26. August mit.
Der Entscheid, eine Ausstiegs-Klausel vorzusehen, könnte in der Branche einen Präzedenzfall schaffen. Die Verpflichtung der BKW kommt zwar zu spät, um den samischen Rentierzüchter:innen zu helfen, sie könnte aber als Vorbild für Schweizer Unternehmen dienen, die im Ausland in Energie- und Infrastrukturprojekte investieren oder Partnerschaften eingehen wollen.
«Die GfbV begrüsst diese ersten Schritte zu mehr Unternehmensverantwortung als klares Signal an die gesamte Energiebranche und erwartet, dass die BKW diese neuen Instrumente konsequent anwendet», so die NGO.
Grüne Energie bedroht traditionelle Lebensgrundlagen
Die Gruppe der indigenen Sami in Norwegen kämpft seit Jahren gegen das Windkraftprojekt der BKW, das ihrer Meinung nach ihre Lebensweise zerstören würde. Storheia, der Standort des grössten von sechs Windparks, ist eine wichtige Winterweide für die Rentierherden der Südsami.
Die BKW ist an der Nordic Wind Power DA beteiligt, einem von der Credit Suisse Energy Infrastructure Partners gegründeten europäischen Investorenkonsortium, das seinerseits 40% der Anteile am Joint Venture Fosen Wind DA hält, welches das Projekt auf der Halbinsel Fosen in Westnorwegen realisiert.
Im Januar 2020 reichte die GfbV bei der Nationalen Kontaktstelle der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eine Beschwerde gegen die BKW ein. Die GfbV behauptet, dass der Verlust dieser Gebiete durch das Windkraftprojekt die letzten samischen Rentierzüchter:innen dazu zwingen würde, ihre Lebensgrundlage und Kultur aufzugeben.
Trotz der laufenden rechtlichen Anfechtung durch Samen wurde das Windkraft-Projekt genehmigt, und der Windpark Storheia wurde im Februar in Betrieb genommen. Die öffentliche Einweihungszeremonie für den letzten von sechs Windparks fand am 12. August statt, obwohl der Rechtsstreit derzeit vor dem höchsten norwegischen Gericht verhandelt wird.
Wer ist verantwortlich?
Schweizer Unternehmen und Banken werden immer wieder kritisiert, ihre Dienste Firmen anzubieten, die der Verletzung von Menschenrechten oder der Umweltzerstörung im Ausland beschuldigt werden. Dazu gehören Verbindungen zu umstrittenen Projekten, die sich auf indigene Völker und natürliche Ökosysteme auswirken, wie die Dakota Access Ölpipeline in den USA oder die Ölexploration im Amazonasgebiet in Peru und Ecuador.
In den meisten dieser Fälle haben Schweizer Firmen nicht direkt in die Projekte selbst investiert, sondern in Dritte, die an den Projekten arbeiten, wie im Fall des BKW-Projekts auf der Halbinsel Fosen. Damit bleibt die Frage des Fehlverhaltens von Dritten weitgehend offen. Im Idealfall sollten Unternehmen und Banken eine angemessene Due-Diligence-Prüfung durchführen, bevor sie solche Partnerschaften überhaupt eingehen. Die schädlichen Auswirkungen eines Projekts sind jedoch nicht immer von vornherein klar erkennbar.
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Eine weitere Möglichkeit besteht darin, von den Partnern die Einhaltung interner oder internationaler Richtlinien zu Menschenrechten und Umwelt zu verlangen. Allerdings können Unternehmen nur wenig tun, wenn der Schaden bereits angerichtet ist.
Aus Sicht der betroffenen Gemeinschaften und der Zivilgesellschaft ist es schwierig, Schweizer Unternehmen für ihr Handeln im Ausland zur Rechenschaft zu ziehen. Dies gilt umso mehr, wenn Dritte wie Zulieferer oder Investmentgesellschaften involviert sind. Ein Versuch, eine gesetzliche Haftung einzuführen – die sogenannte Konzernverantwortungs-Initiative – wurde bei der Abstimmung im letzten Jahr knapp abgelehnt. Die Regierung arbeitet an einer Alternative, die aber wahrscheinlich für die Unternehmen milder ausfallen wird.
Aufgrund der begrenzten rechtlichen Möglichkeiten sind Betroffene und NGO darauf angewiesen, Beschwerden bei der nationalen Kontaktstelle der OECD in der Schweiz einzureichen. Diese bietet einen Vermittlungsdienst an, der beide Parteien an einen Tisch bringt, kann aber keine Lösungen vorschreiben oder die Einhaltung der Vorschriften erzwingen.
Es bleibt daher abzuwarten, ob die BKW ihre Versprechen einhalten wird. Die Vereinbarung gilt dennoch als wichtiger Schritt zur Anerkennung der Verantwortung für Investitionen und Kooperationen im Ausland.
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