Sanktionen gegen Wettbewerbs-Sünder
2003 wurden im Schweizer Wettbewerbsrecht direkte Sanktionen gegen Fehlbare möglich. Walter Stoffel wurde im selben Jahr Präsident der Wettbewerbs-Kommission. Er nutzte das Werkzeug, was ihm harsche Kritiken aus der Wirtschaft eintrug. Mitte Jahr wird er zurücktreten.
In der Wirtschaft der Schweiz spielt ein funktionierender Wettbewerb eine Schlüsselrolle. Konsumentinnen, Unternehmer und Politiker sind gleichermassen betroffen oder involviert, wenn im Inland gewisse Produkte teurer bleiben als im Ausland, wenn Firmen sich nicht an Spielregeln und Gesetze halten oder wenn Marktmacht ausgespielt wird.
In der Schweizer Wirtschaftspolitik fällt deshalb auch der Wettbewerbs-Kommission (Weko) eine Schlüsselrolle zu: Deren Präsidenten stehen oft im Kreuzfeuer zwischen Wirtschaft und Bevölkerung.
Walter Stoffel, seit 2003 Weko-Präsident, konnte als erster direkte Sanktionen aussprechen. Die Summen erreichen dreistellige Millionenzahlen und können deshalb schmerzhaft sein.
swissinfo.ch: Spricht man von Konkurrenz, Wettbewerb oder Marktmissbrauch, treten oft Wettbewerbs-Kommission und Konsumentenschutz gleichzeitig oder nebeneinander auf. Wo liegt der Unterschied zwischen diesen beiden Behörden?
Walter Stoffel: Sie werden zu Recht zusammen gesehen. Ein funktionierender Wettbewerb ist sinnvoll für die Konsumenten. Der Sinn des Wettbewerbs ist ja die Konsumentenwohlfahrt.
In der Schweiz haben wir die Besonderheit, neben der Wettbewerbsbehörde noch einen Preisüberwacher zu haben. Dieser stellt eine Art Klagemauer für Konsumenten dar. Und er arbeitet von Amtes wegen eng mit der Weko zusammen.
Er nimmt auch Teil an den Beratungen. Daneben hat er eine eigenständige, ergänzende Aufgabe. Er überwacht die Preise dort, wo der Wettbewerb nicht funktioniert. Die beiden Institutionen ergänzen sich, und die Zusammenarbeit funktioniert gut.
swissinfo.ch: Hat die Wettbewerbsbehörde in einem kleinen Land mehr zu tun als in einem grossen? Sind in kleineren Ländern andere Kartellgefahren oder Missbräuche als in grossen zu beachten?
W.S.: Auf einer ersten Ebene, innerhalb Europas, sind die Probleme grundsätzlich die gleichen, die Aufgaben auch. So klein ist die Schweiz auch wieder nicht. Der Markt ist mit beinahe acht Millionen Einwohnern beachtlich, es hat viele Grossunternehmen. Im europäischen Vergleich gilt Luxemburg als klein.
Auf einer zweiten Ebene, im Vergleich zu unseren unmittelbaren Nachbarländern sind wir natürlich viel kleiner. Deshalb stimmt es schon, dass man sich in der Schweiz besser kennt und sich näher steht.
Auch eine gewisse Kooperations-Tradition ist vorhanden. Weil es weniger Platz hat für Unternehmen mit kritischer Grösse, trifft man in der Schweiz öfter auf marktbeherrschende Unternehmen. Dagegen findet man in grösseren Ländern vielleicht Kartellsachverhalte, also Absprachen, etwas häufiger.
swissinfo.ch: Wie steht es mit Ihrem Instrumentarium? Dürfen Sie in der Schweiz einfacher sanktionieren und Missbräuche aufdecken als Ihre deutschen oder europäischen Kollegen?
W.S.: Wir haben dieselben Instrumente und rechtlichen Grundlagen wie die Europäer. Das schweizerische Gesetz entspricht dem europäischen Standard.
Nachholbedarf gibt es bei uns aber auf der Mitarbeiter-Ebene. 15 bis 20% mehr Personal wäre sicherlich angezeigt. Ein oder zwei Fusionen, plus das übliche Geschäft, und schon geraten wir in der Weko personell an den Anschlag.
swissinfo.ch: Und wie steht es mit der starken internationalen Verflochtenheit der Schweizer Unternehmen? Arbeiten Sie als nationale Wettbewerbs-Behörde gut international zusammen?
W.S.: Das ist ein wichtiger Punkt. Wir haben hier ein Problem, das dem Gesamtproblem unserer Stellung im europäischen Kontext entspricht. Hier sucht das Land seinen Platz ja immer noch.
Die Zusammenarbeit mit den Behörden unserer Nachbarstaaten, mit der Brüsseler Wettbewerbs-Kommission und jenen in Übersee ist zwar ausgezeichnet und findet auch häufig statt. Aber sie beschränkt sich notwendigerweise auf den Austausch von allgemein zugänglichen, nicht von vertraulichen Informationen in laufenden Verfahren.
Diese ist für beide Seite ausgeschlossen – und das ist ein grosser Nachteil. Denn die Wirtschaft ist für uns in der Schweiz meist europäisch. Die Wettbewerbsverstösse sind es dementsprechend auch, sie reichen über die Schweiz hinaus.
Hier haben beide Teile, sowohl wir als auch unsere europäischen Schwesterbehörden, einen Nachteil, wenn die Missbräuche ausserhalb der Landesgrenzen passieren. Deshalb plädieren wir seit 2003 für ein Kooperationsabkommen mit der EU, und dann auch mit den Nachbarstaaten.
So ein Abkommen steht an sich schon bereit, die vorbereitenden Texte liegen auf dem Tisch des Wirtschaftsdepartements. Ich hoffe, dass nun bald ein Verhandlungsmandat erteilt wird.
swissinfo.ch: Das Jahr 2003 markiert den Beginn ihrer Weko-Präsidentschaft. Seither haben Sie wohl einiges an Missbräuchen miterlebt. Welche Fälle haben Sie am meisten schockiert?
W.S.: Das Asphaltkartell im Tessin! Dieser Missbrauch fiel zeitlich in die Übergangsperiode für das Inkrafttreten der Sanktionen. Diese wurden am 1. April 2005 eingeführt. Wir hatten das Kartell bereits im Jahr 2003 entdeckt, und die Untersuchungen waren am Laufen.
Weil die Sanktionen aber wegen der Übergangszeit erst ab April 2005 verhängt werden durften, bestand dieses Kartell tatsächlich bis fast Ende März 2005 munter weiter und löste sich erst dann auf. Im Wissen darum, dass dieses Verhalten widerrechtlich ist, dass man hätte aufhören müssen, haben diese Tessiner Bauleute die Möglichkeit, sich noch sanktionsfrei weiter absprechen zu können, sehr kaltschnäuzig ausgenützt. Das fand ich schon schockierend!
Alexander Künzle, swissinfo.ch
Die Weko ist als Milizbehörde eine unabhängige Bundesbehörde mit eigenem Sekretariat.
Sie besteht aus 12 vom Bundesrat gewählten Mitgliedern und einem dreiköpfigen Präsidium.
Die Mehrheit der Mitglieder soll aus unabhängigen Sachverständigen bestehen (Rechts- und Wirtschaftsprofessoren), der Rest aus Verbandsvertretern und Konsumenten-Organisationen.
Sie wendet das Instrumentarium des Kartellgesetzes an und schützt damit den Wettbewerb.
Sie bekämpft schädliche Kartelle und übt die Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen aus.
Sie kontrolliert Fusionen und verhindert staatliche Wettbewerbs-Beschränkungen.
Die Entscheide der Weko können an das Bundesverwaltungsgericht weitergezogen werden. Dessen Entscheid kann weiter bis vor das Bundesgericht gezogen werden.
Neben solchen Verfügung produziert die Weko Empfehlungen, Gutachten und Stellungnahmen zu Wettbewerbsfragen an politische Behörden.
Der Freiburger Rechtsprofessor Walter Stoffel tritt Mitte Jahr als Präsident der Wettbewerbskommission Weko zurück.
Er gehört der Weko seit 12 Jahren an. Seit 2003 präsidierte er die Kommission.
In seine Amtszeit fielen die Umsetzung der revidierten materiellrechtlichen Bestimmungen des Kartellgesetzes und die Einführung von Direktsanktionen.
Zu seinen Schwerpunkten gehörten die Sanktionen im Bauwesen (Submissionswesen, nicht nur im Tessin, das so genannte «Asphaltkartell»).
Auch die Abschottung des Schweizer Marktes führte zu Entscheiden. Zum Beispiel beim Automobilimport, beim Parallelimport von patentgeschützten Gütern (‹Cassis de Dijon› mit dem so genannten Elmex-Entscheid), bei der «Hochpreisinsel Schweiz».
Es gab auch bedeutende Entscheide im Detailhandel (Migros-Denner, Coop-Carrefour), im Gesundheitswesen, in den Medien und bei Kreditkarten.
Die Weko begleitete auch die Liberalisierungen, die in der Schweiz langsam und etwas verspätet anliefen (Elektrizität, Telekommunikation).
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch