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Schneider Ammann beendet Mission mit Farbtupfer

Johann Schneider-Ammann: Ein Moment der Ruhe als Modell des russischen Porträtisten Sergei Balovin. swissinfo.ch

Zum Ende seiner Wirtschaftsmission im Reich der Mitte hat der Schweizer Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann das Swatch Art Peace Hotel in Shanghai besucht. Er entdeckte diesen mythischen Ort, den er selber mitgeplant hatte.

«Es ist das erste Mal, dass ich das Porträt eines Ministers male», gibt Sergei Balovin zu, als er den Pinsel ergreift, um Johann Schneider-Ammann zu verewigen.

Der Bundesrat hat kurz vor der Staffelei des 28-jährigen russischen Malers innegehalten, er wollte sich dieses kleine persönliche Vergnügen gönnen, ein paar Minuten der Ruhe in diesen vier Tagen voller politischer Treffen und offizieller Besuche.

Der Porträtist ist nicht einer jener, die Touristen in den grossen Flanierzonen der Metropole ansprechen. Er ist Artist in Residence im Swatch Art Peace Hotel und verkauft seine Bilder nie. Vielmehr tauscht er sie mit was auch immer ihm seine Modelle dafür geben wollen.

Sergei Balovin nutzt eines der 18 Studio-Ateliers in diesem Haus, das sich die Erschaffung und Promotion von Kunst auf die Fahne geschrieben hat. Es steht Künstlern aus allen vier Ecken der Welt offen. Ein Komitee wählt die besten Dossiers aus.

«Die ausgewählten Künstler erhalten das Recht, im Peace Hotel zu wohnen. Sie haben keine anderen Verpflichtungen, als ein Kunstwerk zu schaffen und dieses dem Hotel zu stiften. So bezahlen sie quasi ihren Aufenthalt», erklärt Alain Diller, Swatch-Finanzchef für China.

«Alles wird bezahlt», bestätigt der russische Künstler. «Sogar die Flüge in der Business Class.»

Geschäftsmann im Herzen

«Ich bin gerührt, und sehr, sehr stolz», sagt Schneider-Ammann in der Ansprache, die er vor der Schweizer Gemeinschaft in Shanghai hält. Als Geschäftsmann im Herzen, vielleicht etwas nostalgisch, erinnert er sich: Er war zu jener Zeit Mitglied des Verwaltungsrats der Swatch Group, als die Idee für dieses Hotel geboren worden war, er hatte für das Projekt gestimmt, sich dafür eingesetzt.

Heute ist diese Vision Realität geworden. «Das ist der beste Ort in der Stadt», sagt er in einer improvisierten Ansprache, sichtlich gerührt. «Das ist wirklich ein starker Moment, das Resultat ist fantastisch», betont der Wirtschaftsminister, nachdem er das Hotel besichtigt hat.

Ausserordentlich

Die Geschichte, der Standort und die Bauqualität dieses Gebäudes sind aussergewöhnlich. Als das im viktorianisch-barocken Stil erbaute Palace Hotel 1909 eröffnet wurde, war es mit seinen sieben Etagen das höchste Gebäude Shanghais – und das erste mit einem Fahrstuhl.

Seine Dachterrasse mit zwei Türmen und einem luxuriösen Garten bot einen unvergleichlichen Blick auf die Flusspromenade Bund und den Fluss Huangpu. Im Eröffnungsjahr tagte hier die die erste Internationale Opium-Kommission. 1927 feierten der Militär und Politiker Tschiang Kai-shek und seine zukünftige Frau Song Mei-ling im Hotel ihre Verlobung.

Heute bevölkern die Yuppies der Stadt die Bar auf dem Dach unter freiem Himmel, im Schatten der Wolkenkratzer des neuen Quartiers Pudong am anderen Ufer des Huangpu.

Uhren und Kulturerbe

Um dem Hotel neues Leben einzuhauchen, hat die Swatch Group einen Mietvertrag über 30 Jahre abgeschlossen. Das Haus gilt als historisches Monument. «Wir haben darüber gewacht, dass so viele Elemente aus der Epoche erhalten bleiben, wie nur möglich», betont die PR-Verantwortliche Vera Zhu.

Holzarbeiten, Marmor, Buntglasfenster, das Treppenhaus, Fussböden aus seltenen Hölzern… Die Überbleibsel einer ruhmreichen Vergangenheit wurden kühn mit postmodernem Design vereinigt. So wurden aus den Gästezimmern des ehemaligen Hotels Künstlerateliers, Ausstellungsräume, angesagte Restaurants und andere Treffpunkte.

Ohne die vier Verkaufsstellen im Erdgeschoss zu vergessen, welche die vier wichtigsten Uhrenmarken der Swatch Group präsentieren: Swatch, Omega, Blancpain und Breguet.

7000 Franken pro Nacht

Das letztes Jahr eingeweihte Swatch Art Peace Hotel hat sich aber noch nicht zur vollen Pracht entfaltet. Demnächst soll auch noch die Hotellerie selber eröffnet werden, «vermutlich im August», wie Zhu verspricht.

Weil Swatch-Boss Nick Hayek nicht mit allen Arbeiten der Designer Patrick Jouin und Sanjit Manku aus Paris zufrieden gewesen sei, «kam es zu einigen Verzögerungen bei der Einrichtung».

Einmal eröffnet, wird das Hotel sieben Zimmer anbieten, darunter drei Suiten zu 7000 Franken pro Nacht. «Wir stellen uns auf eine renommierte Kundschaft ein», erklärt Alain Diller. «Ein George Clooney, verschiedene Botschafter unserer Marken, Leute aus solchen Kreisen.»

Bundesrat Schneider-Ammann ist der Meinung, 7000 Franken pro Nacht seien unbegreiflich viel. Doch «die Atmosphäre in diesem Gebäude, die sorgfältig bewahrten Details, sind ihren Preis wert», schätzt er.

Porträtist Sergei Balovin selber lebt vom Tauschhandel und macht sich nichts aus finanziellen Überlegungen. «Geld ist mir egal, ich verhandle nicht gerne für meine Werke», gibt er zu. Im Tausch für das Porträt erhält er vom Bundesrat ein Sackmesser und das Lob seines prominenten Modells. «Sie sind ein wahrer Künstler. Ich werde das Porträt in meinem Büro aufstellen. Und in meinem nächsten Beruf möchte ich Künstler in diesem Hotel werden.»

Die Wirtschaftsmission von Bundesrat Johann Schneider-Ammann in China bezweckte, zu einem möglichst raschen Abschluss der Verhandlungen für ein Freihandels-Abkommen zwischen der Schweiz und China zu kommen.

«Mission erfüllt», sagte der Schweizer Wirtschaftsminister am Ende des China-Besuchs. Er hoffe, das Abkommen könne noch vor Ende Jahr zum Abschluss gebracht werden, erklärte Schneider-Ammann. Das sei auch die Hoffnung der Chinesen.

Es stehe viel auf dem Spiel, namentlich für die Schweizer Industrie.

«Der chinesische Markt soll noch bedeutender werden», sagte Maurice Altermatt, Leiter der Abteilung Wirtschaft des Verbands der Schweizerischen Uhrenindustrie (FH).

«Ein vorteilhafter Abschluss wird es ermöglichen, die Zollschranken einzuschränken und den Schutz im Bereich des geistigen Eigentums zu verbessern.»

Was die Verlangsamung des chinesischen Wirtschaftswachstums betrifft, ist Altermatt nicht sehr beunruhigt. Er spricht lediglich von einem «leichten Rückgang» der Schweizer Uhrenexporte nach China.

«Genau genommen handelt es sich nicht um einen Rückgang, sondern um ein vermindertes Wachstum. Im vergangenen Jahr waren wir ungefähr bei 50% Wachstum. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres erreichte das chinesische Wirtschaftswachstum 25%. Es bleibt also beim Wachstum, und dies immer noch auf hohem Niveau», so Altermatt.

(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

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