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Schuldenkrise bewegt die Welt

Die neue IWF-Chefin Christine Lagarde plädiert für die Konsolidierung der Staatshaushalte. Reuters

Die Probleme von Weltwirtschaft und Finanzwesen sind zwar zu bewältigen, die Politik muss aber in vielen Ländern noch den Ernst der Lage erkennen und Massnahmen treffen. Das sagte Bundesrätin Widmer-Schlumpf am Herbstreffen von IWF und Weltbank.

Die Schweizer Finanzministerin lobte nach dem Treffen in Washington den Aktionsplan der neuen Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) Christine Lagarde. Dieser zeigt das Instrumentarium auf, mit dem der Währungsfonds Mitgliedstaaten helfen kann, die in Schwierigkeiten geraten sind. Der Plan sieht auch eine Stärkung der Überprüfung der Wirtschaft und des Finanzsektors vor und bemüht sich um globale Finanzsicherung.

Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, Leiterin der Schweizer Delegation am IWF-/Weltbank-Treffen in Washington, rief die am meisten verschuldeten Industriestaaten zu einer «glaubwürdigen Konsolidierung des Staatshaushaltes» auf. Neben Widmer-Schlumpf nahmen auch Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann und der Chef der Schweizerischen Nationalbank (SNB), Philipp Hildebrand, an dem Treffen teil.

In der Schweiz mit ihrem starken Franken hatte die SNB am 8. September gegenüber dem schwachen Euro eine Wechselkursuntergrenze von 1,20 Franken festgelegt. Ein «teurer, aber unentbehrlicher Entscheid», wie SNB-Präsident Philipp Hildebrand sagte.

Labile Situation

In ihrer Rede vor dem Internationalen Monetär- und Finanzkomitee betonte die Schweizer Finanzministerin die Notwendigkeit der Rekapitalisierung von Banken, die ins Schlingern geraten seien. Nach dem Verlust der UBS von 2,1 Mrd. Franken infolge Betrugs eines Investmentbankers in London hatte UBS-Chef Oswald Grübel am Samstag seinen Rücktritt angekündigt.

Grübel nimmt den Hut, ohne sein erklärtes Ziel, die UBS wieder auf Vordermann zu bringen, erreicht zu haben. SNB-Chef Hildebrand sagte, Grübel verdiene Respekt dafür, wie er die UBS restrukturiert und geführt habe.

Hildebrand erklärte vor der Presse weiter, der Schweizer Franken bleibe weiterhin überbewertet, und die aktuelle Wirtschaftslage sei ein «bedeutendes und globales Problem», das man sehr schnell lösen müsse.

US-Steuerstreit ein Thema

Bundesrätin Widmer-Schlumpf zeigte sich zuversichtlich, dass der Steuerstreit zwischen der Schweiz und den USA vielleicht schon bis Ende Jahr beigelegt werden könne.

Nach dem Entscheid des Ständerates, den Zusatzbericht zum Doppelbesteuerungs-Abkommen (DBA) nicht abzusegnen, habe das Schweizer Finanzdepartement die amerikanischen Behörden sofort darüber informiert, dass man mehr Zeit brauche, um den Ordnungsauftrag aus Washington zu klären, sagte die Finanzministerin.

Die USA hätten auch kein Ultimatum für die Übergabe von Daten gestellt, wie dies in verschiedenen Medien berichtet wurde. «Wir versuchen, das Klima in allen Bereichen zu verbessern», sagte Widmer-Schlumpf. Sie kündigte an, dass sich der Schweizer Verhandlungsführer, Staatsekretär Michael Ambühl, diese Woche wieder mit seinen amerikanischen Partnern treffen werde.

Gemeinsame Antwort auf die Krise

Am Rande des IWF-/Weltbank-Herbsttreffens hielten die Finanzminister und Notenbankpräsidenten der reichen Industriestaaten sowie der Schwellenländer (BRICS) eine Dringlichkeitssitzung ab. Dabei versprachen sie, eine «solide und gemeinsame Antwort» auf die Krise zu geben.

Das nach einem Arbeitsessen publizierte Communiqué der G20 hatte zum Ziel, die Öffentlichkeit zu beruhigen, dies nach einem weiteren schwarzen Börsentag, verursacht durch die Schuldenkrise in der Euro-Zone.

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Die Notenbanken ihrerseits liessen verlauten, man unterstütze weiterhin einen Wiederaufschwung. Und die Schwellenländer erklärten sich bereit, wenn nötig ihre Unterstützung beizutragen, via IWF oder andere Finanzinstitutionen.

Budgetkonsolidierung

Der französische Wirtschaftsminister François Baroin, der die G20 dieses Jahr präsidiert, kündigte einen gemeinsamen und ambitiösen Aktionsplan an, der am nächsten G20-Gipfel vom 3. und 4. November in Cannes erörtert werden soll. Jedes Land werde eine Rolle zu spielen haben, um das Wirtschaftswachstum zu unterstützen und Massnahmen für eine glaubwürdige Konsolidierung des Staatshaushaltes anzugehen, so Baroin.

Der IWF rechnet heute mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 4% für die Jahre 2011 und 2012, 1,6% für die reichen Industriestaaten und 6% für die Schwellenländer, die von ihrer demografischen Entwicklung profitieren konnten.

Die USA und die Euro-Zone

Der IWF forderte die USA auf, ihren Schuldenberg so rasch wie möglich abzutragen, um eine Rezession zu verhindern. US-Finanzminister Timothy Geithner antwortete darauf, sein Land sei daran, «Reformen zu veranlassen». Die USA erwarteten dasselbe von anderen Ländern, «namentlich von Europa und von China».

Geithner kritisierte die Divergenzen der Antworten auf die Krise zwischen Europa, den USA und den Schwellenländern. Die USA plädieren für eine Politik des Wirtschaftsaufschwungs, während die Europäer ihre Defizite begleichen wollen.

Die Schweizer Behörden wollen die Lage intensiv verfolgen und wenn nötig Massnahmen ergreifen. SNB-Chef Hildebrand präzisierte, seine europäischen Amtskollegen seien sich des Ernstes der Lage bewusst und bereit, strenge Massnahmen zu ergreifen. Die Schweiz will im Übrigen ihre Wechselkursuntergrenze gegenüber dem Euro aufrechterhalten.

Für eine gerechteres Wachstum

Wirtschaftsminister Johann Schneider-Amman betonte die Notwendigkeit, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Vom angestrebten Wirtschaftswachstum müssten zudem allen Bevölkerungsschichten profitieren können. Der Wirtschaftsminister sagte weiter, insbesondere junge Menschen und Frauen müssten vermehrt Zugang zur Arbeitswelt finden.

Weltbank-Präsident Robert Zoellik würde es begrüssen, wenn China sich auf die Struktur eines anderen Wachstumsmodells stützen und sich vom Wachstum durch Exporte abwenden würde. Dies würde laut dem Amerikaner einen besseren Rahmen schaffen zum Ausgleich der chinesischen und der Weltwirtschaft.

«Keinem Land ist es gelungen, die Millenniums-Ziele zu erreichen – wir beginnen wieder bei null», sagte der Weltbank-Präsident. Eine Wirtschaftskrise in den entwickelten Ländern könne leicht zu einer verheerenden Krise in den schwachen Ländern führen. Es sei wichtig, dass die USA, Japan und Europa jetzt sofort versuchten, ihre wirtschaftlichen Probleme zu lösen, bevor sie für die übrige Welt zum Problem würden.

IWF-Präsidentin Christine Lagarde sei deutlicher als ihr Vorgänger Dominique Strauss-Kahn und habe viel Kraft in die Diskussionen eingebracht, sagte Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf in Washington vor den Medien.

Am Washingtoner Treffen wurden mehrere Themen erörtert, u.a. die mögliche Aufgabentrennung zwischen dem IWF und den Zentralbanken. Auch wurde diskutiert, ob den Sonderziehungsrechten als Reservewährung noch eine grössere Bedeutung zukommen sollte und welche Währungen darin auch berücksichtigt werden sollten.

Auch sei die Reform der IWF-Quoten ein Thema gewesen, sagte Widmer-Schlumpf. Die Schweiz habe darauf hingewiesen, dass bei einer Neubeurteilung der Quoten auch darauf geachtet werden müsse, welche Rolle der Finanzsektor eines Landes spiele und was ein Mitgliedsland zur globalen Stabilität des Systems beitrage.

Widmer-Schlumpf unterzeichnete zudem mit ihrem russischen Amtskollegen Alexei Kudrin ein revidiertes Doppelbesteuerungs-Abkommen. Darin enthalten sind Elemente zur Einkommens- und Vermögenssteuer. Dazu wurde eine Übereinstimmungs-Vereinbarung unterzeichnet für einen russisch-schweizerischen Dialog über Finanzfragen.

Auch mit dem italienischen Finanzminister Giulio Tremonti kam Widmer-Schlumpf zusammen. Betreffend Lösung des Steuerstreites zwischen der Schweiz und Italien sagte die Bundesrätin: «Wir sind ein ganzes Stück weitergekommen.»

Die Schweiz ist dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank nach einer Volksabstimmung 1992 beigetreten.

Darin führt sie die so genannte Gruppe Helvetistan mit Polen, Serbien, Montenegro, Kirgisistan, Kasachstan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan.

Die Gruppe stellt einen Anteil von 2,8% des IWF-Kapitals zur Verfügung, was der Schweiz einen Sitz im IWF-Verwaltungsrat garantiert.

Der Anteil der USA beläuft sich auf 17,5%, was ihnen innerhalb des IWF ein Vetorecht einräumt.

(Übertragung aus dem Französischen: Jean-Michel Berthoud)

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