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Schweiz bleibt bei Japans Marke «I love Switzerland» untätig

Kinder schwenken Lampions mit Schweizerkreuz
Kinder schwenken Lampions bei den Feierlichkeiten zum Schweizer Nationalfeiertag am Montag, den 1. August 2022 in Nyon. © Keystone/ Valentin Flauraud

Weisses Kreuz mit weissem Herz auf rotem Grund. Dieses Zeichen ist in Japan weit verbreitet. Werden dadurch Schweizer Markenrechte verletzt? Bis jetzt hat die Schweiz nicht interveniert – weil sie nicht kann oder nicht will.

Anfang Oktober sorgte in Japan ein Werbegeschenk zur CD einer beliebten Sängerin für Gesprächsstoff in den sozialen Medien. Denn das Kartenetui, das ein weisses Kreuz und einen Apfel vor rotem Grund zeigt, ähnelt einer von der Präfektur Tokio ausgegebenen «Helpmark».

Das Zeichen steht für die Botschaft «Ich brauche Ihre Unterstützung». Es soll Menschen dienen, die ein von aussen nicht erkennbares Handicap haben oder in der ersten Phase einer Schwangerschaft sind.

Wer jemanden mit diesem Symbol sieht, sollte seinen Sitzplatz im öffentlichen Verkehr freigeben oder Hilfe leisten, bei einem Unfall, einer Evakuierung und dergleichen. Die Helpmark war 2012 von der Präfektur Tokio eingeführt worden und wurde anlässlich der Olympiade 2020 landesweit zur offiziellen Marke.

Die Kritiken zum Give-away der Sängerin lauteten, dass das neue Symbol Verwirrung stifte und es so Menschen mit der Helpmark erschwere, die nötige Unterstützung zu erhalten. Auf Anregung des Roten Kreuzes und der Präfektur Tokio beschloss der Vertrieb der CD am 18. Oktober, das Design des Give-aways zu ändern.

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In der Debatte fiel noch ein anderer Hinweis, nämlich dass das Design der Helpmark dem Zeichen des Roten Kreuzes und der Schweizer Flagge ähnlich sehe, was als Verstoss gegen Markenkonventionen betrachtet werden könne. Eine Person gestand, dass sie die Helpmark immer mit dem Markenzeichen einer Schweizer Tasche verwechselt habe.

Roger Mottini, Auslandschweizer in Japan, beschäftigt sich schon lange mit dieser Angelegenheit und hat bei verschiedenen Behörden vorgesprochen. Er lehrt an der Universität Tokio und hat ein Buch über die Geschichte der schweizerisch-japanischen Beziehungen geschrieben. Titel: «Tell in Tôkyô»Externer Link.

«Wenn japanische Touristinnen und Touristen mit dieser Helpmark in der Schweiz auftauchen und erklären, wie diese in Japan verstanden und eingesetzt wird, kann ich mir – je nach Temperament – auch sehr ‹unfreundliche› Reaktionen von Schweizer:innen vorstellen», meint er.

Mottini beklagt, die Helpmark sei ein Missbrauch des Schweizerkreuzes. Das hat er so unter anderem der Gouverneurin von Tokio und an der Schweizer Botschaft in Tokio erklärt. Allerdings sehen Behörden und Politik keinen Handlungsbedarf.

Das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) teilte mit, dass es nicht eingreife, da es sich nicht um eine kommerzielle Nutzung handle. Die Aussenpolitische Kommission des Schweizer Parlaments reagierte gar nicht erst auf eine Anfrage Mottinis.

Dieser schrieb auch an Bundespräsident Ignazio Cassis, vor dessen Besuch in Japan im April, in der Hoffnung, dass Cassis Premierminister Fumio Kishida bei seinem Treffen auf die Situation aufmerksam machen würde. Er erhielt aber keine Antwort.

Rechtlich nicht in der Lage, zu intervenieren

Und die Antwort auf die Frage, ob die Schweiz überhaupt eine Beschwerde gegen Tokios Helpmark führen könnte, lautet Nein. Zwar regelt die Schweiz die Verwendung ihrer Flagge sehr streng: Das Markenschutzgesetz und das Wappenschutzgesetz legen seit 2017 detailliert fest, wann das Schweizerkreuz verwendet werden darf, um Produkte und Dienstleistungen als «Swiss Made» zu vermarkten.

Ein Produkt muss dafür in der Schweiz hergestellt werden, und 80% der Rohstoffe müssen aus der Schweiz stammen (mit einigen Ausnahmen wie Uhren oder Schokolade).

Bei Dienstleistungen müssen sich die Basis und der Hauptsitz des Unternehmens in der Schweiz befinden. Tochtergesellschaften können das Wappen ebenfalls verwenden, wenn die Dienstleistungen von einer Schweizer Muttergesellschaft verwaltet werden.

Das Swissness-Gesetz gilt jedoch nur für Schweizer Unternehmen. Missbräuche von ausländischen Unternehmen werden auf der Grundlage des Markenrechts oder Lauterkeitsrechts des ansässigen Landes, oder auf der Basis multi- und bilateraler Abkommen angefochten.

Das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum interveniert weltweit in etwa 200 Fällen pro Jahr – zusammen mit den Botschaften und privaten VereinenExterner Link. Laut David Stärkle vom IGE besteht nicht immer die Absicht, das Schweizerkreuz zu missbrauchen, manchmal entstehe das Schweizer Wappen auch quasi als Inversion, weil die Verwendung eines roten Kreuzes auf weissem Grund global verboten ist.

Das Symbol des Roten Kreuzes ist ein wichtiges Zeichen zum Schutz von Krankenhäusern und Hilfskräften vor Angriffen in Konfliktgebieten, und die Organisationen, die es verwenden dürfen, sind durch internationales Recht bestimmt. Historisch gesehen wurde das Symbol zu Ehren der Schweiz, dem Heimatland des Gründers des Roten Kreuzes, Henry Dunant, gewählt.

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Die Schweizer Anstrengungen zum Schutz des Wappens haben mit dem Markenwert zu tun. Laut SRF NewsExterner Link kann alles um 20 bis 50 Prozent teurer verkauft werden, von Kleidung bis hin zu Uhren, wenn es das Schweizerkreuz trägt. Der Wert der Marke für die Schweizer Wirtschaft wird auf sechs Milliarden Franken pro Jahr geschätzt.

In Fällen, die keine wirtschaftlichen Folgen haben, wird von Schweizer Seite häufiger nicht interveniert. Im Fall der Helpmark sei die Schweizer Exportindustrie nicht betroffen, und man sehe keine Stakeholder in der Schweiz, so Stärkle, weshalb auch keine Beschwerden eingereicht würden.

Ansehen und Ehrgefühl

Roger Mottini, der selbsternannte «Don Quichote, der gegen japanische Windmühlen ankämpft», ist der Ansicht, dass es eigentlich um mehr geht: «die Deutungshoheit über unser Schweizer Staatssymbol».

Wenn man die Deutungshoheit erst einmal verliere, sei es schwierig, sie zurückzuerlangen. Mottini sagt, er erwarte von der Schweizer Diplomatie, dass sie in der Lage sei, dem Schweizer Staatssymbol denselben Respekt zu verschaffen, wie er für Staatssymbole ganz allgemein gilt.

Das Schweizerkreuz wurde 1848 als Schweizer Flagge in der Bundesverfassung verankert, doch seine Ursprünge gehen auf die Schlacht bei Laupen im Jahr 1339 zurück.

Um sich von den anderen Akteuren auf dem Schlachtfeld zu unterscheiden, hatten sich die Schweizer Soldaten ein weisses Kreuz auf ihr Kettenhemd genäht. Später tauchte das Kreuz auf Waffen und Bannern der Schweizer Soldaten auf.

Über die Begründung der roten Hintergrundfarbe streiten sich die Historiker:innen. Einige meinen, das Rot verweise auf das Blut Christi, andere vermuten, es stamme von der damaligen Berner Flagge.

(Quelle: EDA)

Die Nationalflaggen der einzelnen Länder spiegeln deren Geschichte, Kultur und Gründergeist wider. Zum Schutz des nationalen Ansehens und des Ehrgefühls ist die Verwendung ausländischer Flaggen als Markenzeichen nach der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums verboten.

Auch das japanische Lauterkeitsrecht verbietet die Verwendung ausländischer Flaggen als Marken, und das Markengesetz schliesst die Registrierung aus. Laut der japanischen Behörde wurde die Eintragung der Helpmark einst abgelehnt, aber die Präfektur Tokio argumentierte erfolgreich, dass sie mit Kreuz und Herzform als integrale Figur wahrgenommen werde. So wurde die Helpmark am 25. Oktober 2013 für einen Zeitraum von zehn Jahren als Marke eingetragen.

Editiert von Samuel Jaberg

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