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Schweizer Startup will mit virtuellem Rennsport die Welt erobern

Gisela Schober

In der Schweiz sind Autorennen auf Rundstrecken verboten. Nun will Monisha Kaltenborn, die ehemalige Chefin des Schweizer Sauber-Teams in der Formel 1, von Zug aus eine weltweite Community von E-Rennfahrerinnen und -rennfahrern aufbauen. Wie die CEO des Startups Racing Unleashed das schaffen will, sagt sie im Interview.

In den vergangenen zwanzig Jahren hat der elektronische Sport, kurz: E-Sport oder auch eSports, ein fantastisches Wachstum erlebt. Nach Angaben des Internationalen E-Sport-Verbandes (IESF) gibt es heute weltweit mehr als 200 Millionen E-Sport-Begeisterte, die einen Jahresumsatz von über einer Milliarde Dollar generieren.

Und im Bereich des E-Sport-Renngeschäfts beginnt das Zuger Unternehmen Racing Unleashed, sich einen Namen zu machen. Das Startup wurde 2018 von Francisco Fernández gegründet und betreibt heute Formel-1-Simulatoren in der Schweiz, Deutschland und Spanien. Das Unternehmen mit rund 50 Mitarbeiter:innen organisiert auch internationale Meisterschaften für E-Racerinnen und E-Racer rund um den Globus.

Seit Mai 2019 ist eine absolute Leaderfigur an Bord, die sich im realen internationalen Motorsport einen Namen geschaffen hatte: Monisha Kaltenborn leitet die Geschäfte von Racing Unleashed. swissinfo.ch hat sie am Sitz des Unternehmens in Cham (Kanton Zug) getroffen.

Frauen sind in den oberen Etagen der Wirtschaft immer noch stark untervertreten. So sind beispielsweise nur 13% der 20 Unternehmen im Leitindex SMI der Schweizer Börse mit Frauen in Führungspositionen besetzt. In dieser Hinsicht schneidet die Schweiz im internationalen Vergleich schlecht ab.

swissinfo.ch lässt im Rahmen einer Serie in diesem Jahr Geschäftsführerinnen von weltweit tätigen Schweizer Unternehmen zu Wort kommen. Als Vertreterinnen der Schweizer Wirtschaft sprechen sie über die dringlichsten Herausforderungen, von der Coronavirus-Krise bis zum Platz der Schweiz und ihrer Unternehmen in der Weltwirtschaft.

swissinfo.ch: Bevor Sie die Leitung von Racing Unleashed übernahmen, waren Sie Chefin des Sauber Motorsport Teams. Welche Kompetenzen konnten Sie auf Ihren neuen Arbeitgeber übertragen?

Monisha Kaltenborn: Vor allem die Möglichkeit, die Welt der Formel 1 in einem E-Sport-Unternehmen wie Racing Unleashed so realistisch wie möglich nachzubilden.

Sind Sie je ein echtes Formel-1-Auto gefahren, als Sie bei Sauber Motorsport tätig waren?

Nie! Man hat mir oft die Möglichkeit dazu gegeben, aber ich habe es immer vorgezogen, das den Experten zu überlassen…

Monisha Kaltenborn mit dem Formel-1-Team von Sauber.
Monisha Kaltenborn wurde in Indien geboren und wanderte schon in jungen Jahren mit ihren Eltern nach Österreich aus. Sie studierte Rechtswissenschaften an der Universität Wien und erwarb danach einen Master in Internationalem Wirtschaftsrecht an der London School of Economics. Von 2010 bis 2017 war sie Teamchefin von Sauber Motorsport, einem Schweizer Team, das an vielen Formel-1-Weltmeisterschaften teilnahm. Seit 2019 ist sie Geschäftsführerin von Racing Unleashed. Wri2/KEYSTONE/MAXPPP/Jad Sherif.

Ist es in Ihrer derzeitigen Position ein Vorteil oder Nachteil, eine Frau mit ausländischer Herkunft zu sein?

Eine knifflige Frage! Was bedeutet es, ausländischer Herkunft zu sein, wenn man für so internationale Unternehmen wie Sauber Motorsport oder Racing Unleashed arbeitet? Generell bin ich der Meinung, dass Nationalität und Geschlecht weder ein Vorteil noch ein Nachteil sind.

Wer sitzt in Ihren Rennsimulatoren? 

Unsere Vision ist es, den Autorennsport für alle auf sichere und umweltfreundliche Weise zugänglich zu machen. Deshalb richten wir uns grundsätzlich an Fahrer und Fahrerinnen aller Altersgruppen.

Unter den Nutzerinnen und Nutzern unserer Simulatoren befinden sich natürlich viele Jugendliche: Sie fahren unsere virtuellen Autos zum Spass oder auch um ihre Fähigkeiten als zukünftige Rennfahrer und Rennfahrerinnen zu entwickeln.

Daneben konzentrieren wir uns auf die Altersgruppe der 18- bis 40-, 45-Jährigen. Viele unserer Fahrer sind zudem noch älter; Besitzer von echten Sportwagen etwa, die keine Zeit haben, auf Rennstrecken zu fahren.

Und was ist mit Ihren Konkurrenten?

Wir vermieten nicht nur hochpräzise Formel-1-Simulatoren, sondern veranstalten auch zwei internationale Meisterschaften, die mit Geldpreisen dotiert sind. Unsere letzten Rennen wurden von mehr als 100’000 Zuschauern und Zuschauerinnen aus der ganzen Welt verfolgt – online oder in unseren Lounges.

Wir sind derzeit das einzige Unternehmen weltweit, das diese verschiedenen Aktivitäten miteinander verbindet. Wir haben daher keine direkte Konkurrenz. Aber natürlich gibt es viele andere Sportwagen-Simulatoren, zum Beispiel in virtuellen Spielhallen.

Hoffen Sie auf eine offizielle Anerkennung durch den Internationalen Automobilverband (FIA) und/oder das Internationale Olympische Komitee (IOC)?

Wie der reale Motorsport kann auch der virtuelle Automobil-Rennsport als echter Wettkampfsport angesehen werden. In beiden Fällen braucht es eine grosse körperliche Anstrengung. Es gibt also keinen Grund, warum der Internationale Automobilverband oder das Internationale Olympische Komitee nicht an unserem Sport interessiert sein sollten.

Unser Ziel ist es, mehr und mehr Interesse zu wecken und so einen wirklich globalen Sport zu etablieren, indem wir uns auf die Qualität unserer Simulatoren und auf die Organisation von internationalen Meisterschaften konzentrieren.

Mit anderen Worten: Unsere oberste Priorität ist es, von der E-Piloten-Gemeinschaft anerkannt zu werden und nicht von etablierten Institutionen. Wir hoffen jedoch, dass die institutionelle Anerkennung folgen wird.

Neben den fünf Lounges in der Schweiz ist ihr Unternehmen auch in Madrid und München präsent. Wie wurden diese Städte ausgewählt?

Wir haben uns für Spanien und Deutschland entschieden, weil es in diesen zwei Ländern sehr viele Motorsportbegeisterte gibt. Zudem ist Francisco Fernández, der Gründer und Präsident unseres Unternehmens, spanischer Herkunft.

Was sind Ihre internationalen Ambitionen?

Unser Ziel ist es, in andere Länder oder Regionen zu expandieren, die für den virtuellen Rennsport sehr wichtig sind, nämlich Frankreich, der Nahe Osten, die Vereinigten Staaten und natürlich Asien, die Wiege des E-Sports. Zu diesem Zweck werden wir auch in Zukunft die Eröffnung neuer Niederlassungen mit der Gründung von Franchise-Unternehmen kombinieren.

Wo sehen Sie Racing Unleashed in zehn Jahren?

In zehn Jahren? In unserer Branche kann man nicht so weit vorausplanen… Aber unser Ziel ist es, innerhalb von drei Jahren eine starke globale Community aufzubauen. Darüber hinaus wollen wir unsere Position als Technologieführer festigen, wahrscheinlich in Partnerschaft mit Unternehmen, die in ihren Bereichen führend sind.

Was sind Ihre Haupteinnahmequellen?

Einerseits werden wir von den Nutzern und Nutzerinnen unserer Simulatoren bezahlt. Andererseits sponsern Firmenkunden unsere virtuellen Autos, Lounges und Meisterschaften. Und wir erhalten Lizenzgebühren für unsere Franchise-Lounges.

Zudem verkaufen wir unser technisches Knowhow an einige wenige, nicht konkurrierende Unternehmen. Zumindest vorläufig zahlen unsere Zuschauer und Zuschauerinnen nichts, denn unsere Priorität ist es, eine möglichst grosse Gemeinschaft aufzubauen.

Die Racing Unleashed AG wurde im Oktober 2018 gegründet. Schreiben Sie bereits schwarze Zahlen?

Es ist noch zu früh, um über das finanzielle Gleichgewicht zu sprechen, unter anderem, weil unsere Anfangsinvestitionen beträchtlich waren. Dennoch können wir aufgrund unseres Wachstums und der Etablierung unserer Marke schon jetzt sagen, dass sich die Anfangsinvestitionen auszahlen.

Ihr Hauptsitz befindet sich auf dem Land, in Zug. Welche Unternehmensaktivitäten erfolgen an diesem Standort? Und wie einfach ist es, die Talente zu finden, die Sie brauchen?

Nichts ist einfach in dieser Welt, aber weil die Schweiz so klein ist, können wir Talente für die verschiedenen Funktionen an unserem Hauptsitz anziehen. In diesem Fall für die Bereiche Strategie, Marketing, Broadcasting und Software-Entwicklung. Andererseits werden unsere Simulatoren in unserem Werk in Maranello entwickelt und hergestellt, das sich gegenüber der renommierten Scuderia Ferrari befindet.

Haben Sie nicht in Erwägung gezogen, Ihre Simulatoren in Zürich zu entwickeln, um von der Expertise der Eidgenössischen Technischen Hochschule in dieser Stadt zu profitieren?

Dafür liegt Maranello im Herzen des «Motor Valley», einem der berühmtesten Orte der Welt des Motorsports! Und es gibt viel berufliche Kompetenz im Automobilbereich, die mit dieser Region verbunden ist. Zudem haben wir in Maranello ein Unternehmen erworben, das sich auf Simulatoren spezialisiert hat.

(Übertragung aus dem Französischen: Rita Emch)

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