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Die Prinzessin als CEO der verschwiegenen Genfer Privatbank

Michaela Zanello Sturdza
Michaela Zanello Sturdza: Ein Berufsleben in der Firma ihres Vaters, doch CEO wurde sie alles andere als "gratis". Banque Sturdza

Sie ist eine der jüngsten Direktorinnen einer Schweizer Bank und eine waschechte Prinzessin. Doch sie scheut Glamour und lebt lieber "im Verborgenen": Michaela Zanello Sturdza. Seit 2021 hat die Mittdreissigerin von ihrem Vater die Leitung der Genfer Privatbank Banque Eric Sturdza übernommen. Doch das sei kein Selbstläufer gewesen, sagt sie im Interview.

Die Banque Eric Sturdza entspricht auf den ersten Blick vielen Klischees einer Schweizer Bank: Erlauchte, sehr reiche Kund:innen, super diskret, nie in den Schlagzeilen.

Etwas aber ist bei der Genfer Familienbank ganz anders: Sie hat eine Frau als CEO, und die trägt erst noch den Titel einer echten Prinzessin – Michaela Zanello Sturdza. Die zweifache Mutter führt gut 100 Mitarbeitende, die für ihre Kund:innen Vermögen von rund 6,5 Milliarden Franken verwalten.

swissinfo.ch: Ihr Vater hat das Geldhaus gegründet, das nach ihm benannt ist, und 36 Jahre lang geleitet. Welche Vor- und Nachteile hat es, die Tochter des Gründers zu sein und – ganz allgemein gesagt – eine junge Frau zu sein?

Michaela Zanello Sturdza: Ich war immer die Tochter meines Vaters, ich kenne nichts Anderes (lacht). Ich war von klein auf mit unserem Familienunternehmen vertraut, habe mir aber nicht einmal im Traum vorstellen können, eines Tages die Leitung zu übernehmen.

Frauen sind in den oberen Etagen der Wirtschaft immer noch stark untervertreten. So sind beispielsweise nur 13% der 20 Unternehmen im Leitindex SMI der Schweizer Börse mit Frauen in Führungspositionen besetzt. In dieser Hinsicht schneidet die Schweiz im internationalen Vergleich schlecht ab.

SWI swissinfo.ch lässt im Rahmen einer Serie in diesem Jahr Geschäftsführerinnen von weltweit tätigen Schweizer Unternehmen zu Wort kommen.

Als Vertreterinnen der Schweizer Wirtschaft sprechen sie über die dringlichsten Herausforderungen, von der Coronavirus-Krise bis zum Platz der Schweiz und ihrer Unternehmen in der Weltwirtschaft.

Als ich dann anfing, für unsere Bank zu arbeiten, habe ich mich allmählich in die Abläufe hineingefunden und eine Leidenschaft für diese Arbeit entwickelt. Aber natürlich ist es nicht immer leicht, das Geschäft des Vaters zu übernehmen und in einem Familienunternehmen zu arbeiten.

Als Frau musste ich doppelt so hart arbeiten, um meine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Ich habe meine gesamte Karriere in verschiedenen Abteilungen unseres Instituts verbracht.

Erst nachdem ich jahrelang im operativen Geschäft tätig war, entschied der Vorstand, dass ich für den Posten der Generaldirektorin geeignet sei. Ich wurde – im Sinne einer Gleichstellung mit anderen Kandidaturen – im Rahmen eines strukturierten und unparteiischen professionellen Assessments ernannt.

Einige Führungskräfte wie Tesla-Gründer Elon Musk sind wandelnde, hypermediale Werbeträger. Andere, wie der CEO von Rolex, meiden die Presse. Welchen Stil verfolgen Sie?

«Um glücklich zu leben, leben wir im Verborgenen.»

Meine Eltern sind diskret. «Um glücklich zu leben, leben wir im Verborgenen», hätte ihr Motto lauten können. Ich denke, dass ich diesen Hang zur Diskretion geerbt habe. Natürlich bewundere ich Elon Musk, aber ich sehe auch, dass es Rolex gelungen ist, eine sehr starke Marke aufzubauen und dabei diskret zu bleiben.

Sie sind Mitglied einer Fürstenfamilie mit rumänischen Wurzeln. Wie wichtig ist das für Sie?

Ich spreche nie darüber, obwohl dies in meinem Umfeld bekannt ist. Es wäre anmassend von mir und in meinem Alter, den Titel Prinzessin zu verwenden. Die Leute sollten mich nach meinen persönlichen und beruflichen Verdiensten beurteilen und nicht, weil ich mit einem Titel geboren wurde.

Ausserdem bedeutet eine fürstliche Abstammung in Rumänien auch, dass die Familie früher ihren gesamten Besitz wegen des Kommunismus verloren hat.

Prinzessin? Berufsfrau und Mutter, und nicht in der Öffentlichkeit, so ist es Michaela Zanello Sturdza am liebsten. Banque Sturdza

Es gibt unzählige Privatbanken in der Schweiz und auf der ganzen Welt. Wie unterscheidet sich Ihr Geldinstitut von der Konkurrenz?

Wir sind ein sehr familiäres Unternehmen mit einer engen Beziehung zu unseren Kunden. Unsere Aktien befinden sich hauptsächlich in den Händen unserer Familienmitglieder, abgesehen von einigen Führungskräften, die ebenfalls Beteiligungen besitzen. Unsere Philosophie lautet: «Small is beautiful» (Klein ist schön).

Wir möchten eine kleine Bank bleiben, weil wir davon überzeugt sind, dass uns diese Grösse ermöglicht, einen qualitativ hochwertigen und umfassenden Service anzubieten und gleichzeitig verhindert, dass sich unsere verschiedenen Geschäftsabteilungen aufgrund der immer komplexer werdenden Regulierungen voneinander abschotten.

Seit April 2021 ist Michaela Zanello Sturdza Generaldirektorin der Banque Eric Sturdza. Das Institut gehört zur Eric Sturdza Group, die von ihrem Vater Eric Sturdza gegründet wurde und nach wie vor präsidiert wird.

Vor ihrer Tätigkeit als Generaldirektorin hatte Michaela Zanello Sturdza eine Reihe von Positionen innerhalb der familieneigenen Privatbank inne.

Die junge Geschäftsführerin und zweifache Mutter verfügt über einen Bachelor of Arts in internationalem Management an der École Supérieure de Management (Genf). Berufsbegleitend erwarb sie zudem einen Master of Business Administration an der Lausanne Business School.

Welche Prioritäten haben Sie seit Ihrem Amtsantritt als Generaldirektorin gesetzt?

Michaela Zanello Sturdza: Ich habe mich einerseits darauf konzentriert, mehrere Transitionsprozesse zu managen. Ich muss auf unseren historischen Stärken aufbauen, aber gleichzeitig die Geschäfte neuen Randbedingungen anpassen. Auf der einen Seite braucht es eine Anpassung an externe Veränderungen wie die verschärften Regeln zur Bankenregulierung, den Generationenwechsel bei unseren Kunden oder an neue technologische Entwicklungen.

Auf der anderen Seite haben wir intern praktisch alles revidiert: Unsere Produktpalette, unsere Backoffice-Abläufe und die Einhaltung der Compliance-Vorschriften. Der wichtigste interne Wandel war sicherlich der Vollzug des Generationswechsels innerhalb unserer eigenen Familie. Tatsächlich wurden alle diese Dinge ab dem Jahr 2018 gemeinsam mit meinem Vater umgesetzt.

Wie würden Sie Ihre typische Kund:innen beschreiben?

Unsere Kundschaft ist vor allem europäisch. Es handelt sich hauptsächlich um Unternehmerfamilien. In diesem Sinne ähnelt unsere Kundschaft unserer eigenen Familie.

Bei einem Grossteil unserer Kundinnen und Kunden gibt es im Moment einen Generationswechsel, aber glücklicherweise bleibt in den meisten Fällen die neue Generation unserer Bank treu.

Wie viel Geld muss man Ihnen mindestens anvertrauen, um zu Ihren Kunden gehören zu dürfen?

Ein rein zahlenbasierter Ansatz in Bezug auf das Vermögen ist typisch für das Geschäftsmodell von Grossbanken. Bei uns steht die Kundennähe im Vordergrund. Dennoch sind wir natürlich verpflichtet, einen Mindestbetrag von etwa einer Million Franken als Anlagevermögen festzulegen, um die Fixkosten decken zu können.

Wegen des Krieges in der Ukraine sind Hunderte von russischen Bürgern von Sanktionen betroffen. Inwieweit hat dies Auswirkungen auf Ihre Bank?

Ich kann ganz klar und voller Stolz sagen, dass im Moment niemand von unseren Kund:innen von den Sanktionen gegen Russland betroffen ist, obwohl die Listen immer länger werden. Wir müssen bei diesem Thema vorsichtig sein: Es sind nicht die Banken, sondern die Regierungen, die die Russen blockieren. Die Banken vollstrecken lediglich die politischen Vorgaben der Regierung.

Wie hat sich das Ende des Bankgeheimnisses und die Annahme des automatischen Informationsaustauschs durch die Schweiz auf Ihre Bank ausgewirkt?

Wie alle anderen Banken mussten wir nicht nur die von Ihnen erwähnten Änderungen umsetzen, sondern uns im Laufe der Jahrzehnte auch an eine Vielzahl anderer steuerlicher Entwicklungen anpassen.

Sicher ist, dass eine gute Begleitung der Kund:innen während dieser Übergangsphasen die Loyalität zu unserer Bank förderte.

Hat Ihre Bank alle notwendigen Massnahmen ergriffen, um die Annahme von nicht deklarierten und illegalen Geldern, auch aus Entwicklungsländern, zu verhindern?

Selbstverständlich. Unser Familienname ist ein integraler Bestandteil des Namens unserer Bank. Es ist daher unvorstellbar, dass wir unseren Ruf aufs Spiel setzen.

Im Jahr 2020 hat sich das verwaltete Vermögen Ihrer Bank um eine halbe Milliarde Franken reduziert. Hat sich die Situation seither normalisiert?

Auf alle Fälle. Dieser Verlust war eine Folge einiger wichtiger Veränderungen innerhalb unserer Bank sowie des Generationenwechsels bei unseren Kunden. Aber seither haben wir dank der erwähnten Veränderungen nicht nur unsere Produkte neu definiert, sondern auch unsere Teams verstärkt.

Diese Verbesserungen können nun in die Tat umsetzt werden. Ich sehe der Zukunft gelassen und zugleich ungeduldig entgegen.

Innerhalb der Eric Sturdza Gruppe haben Ihre drei Vermögensverwaltungsgesellschaften ihren Sitz im Ausland. Warum nicht in der Schweiz?

Historisch gesehen wurden diese Tochtergesellschaften in ausländischen Staaten gegründet, die für ihr Knowhow in der Vermögensverwaltung bekannt und anerkannt sind. Dennoch könnten wir eventuell einen Teil dieser Abläufe in die Schweiz zurückverlagern. Dies würde eine grössere Nähe zwischen den unterschiedlichen Geschäftsbereichen ermöglichen.

Wie beurteilen Sie die Rahmenbedingungen in Genf und in der Schweiz?

Die Schweiz ist mein Heimatland. Ich schätze die aussergewöhnlichen Vorzüge dieses Landes, angefangen bei der Lebensqualität bis hin zu einer unglaublichen Konzentration an Weltklasseunternehmen. Darüber hinaus bewundere ich unser Sozialsystem mit seinen zwei Säulen.

(Übertragung aus dem Französischen: Gerhard Lob)

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