Schweiz gerät im Rennen um Renminbi-Hub ins Hintertreffen
Auf den ersten Blick machen die Erfahrung der Schweiz als Finanz- und Rohstoffhandelsplatz sowie starke politische und wirtschaftliche Verbindungen mit China das Land zum idealen Handelsplatz für den Renminbi. Dennoch gerät sie gegenüber konkurrierenden Ländern wie Luxemburg ins Hintertreffen.
Obschon sie in den letzten 12 Monaten etwas vorwärts gemacht hat, lösen die relativ geringen Fortschritte der Schweiz in gewissen Kreisen Frustrationen aus.
«In der Schweiz wird viel über den Renminbi gesprochen, aber nichts gemacht», beklagte sich Michel Wohl, der ehemalige Chef der Banque Internationale à Luxembourg (BIL), jüngst an einem Mediengespräch des Verbands der Auslandsbanken in der Schweiz (AFBS).
Wohl erklärte, der Schweizer Finanzsektor lebe in der Vergangenheit und warf diesem «Arroganz» vor. Er wies insbesondere auf eine Meinungsverschiedenheit zwischen der Bank of China und der Schweizer Finanzmarktaufsicht hin, die dazu geführt habe, dass die chinesische Bank ihre Filiale in der Schweiz vor zwei Jahren wieder aufgegeben habe.
Anders sieht es in Luxemburg aus, wo schon mehrere chinesische Banken ihr europäisches Hauptquartier aufgeschlagen haben. Bis 2015 sollen insgesamt sechs chinesische Banken in Luxemburg tätig sein. Und ein Renminbi-Handelsplatz kann nur dann funktionieren, wenn mindestens eine chinesische Bank präsent ist, welche die konkrete Abwicklung der Transaktionen (Clearing) gewährleisten kann.
Wohls Bemerkungen waren vielleicht etwas harsch gegenüber der Schweiz, die im Juni einen wichtigen Meilenstein erreichte, als die Schweizerische Nationalbank (SNB) mit der Zentralbank Chinas ein bilaterales Währungs-Abkommen (Swap-Abkommen) abschloss; der erste Schritt der Schweiz auf dem Weg zu einem Renminbi-Hub.
Und das war noch nicht das Ende der Bemühungen. Nach Abschluss des Swap-Abkommens reiste SNB-Präsident Thomas Jordan im August nach China, und Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf traf einen Monat später Chinas Vize-Finanzminister für weitere Gespräche über den möglichen Status der Schweiz als Renminbi-Handlungsplatz.
EU-Vorteil
Aber es ist unbestreitbar, dass Luxemburg mit einer vergleichbaren Finanzdienstleistungs-Industrie wie die Schweiz die Nase vorne hat. Luxemburg rechnet damit, dass die Zahl der chinesischen Banken im Land 2015 auf sechs ansteigen wird, und eine hat eben ihre Tätigkeit als Clearing-Bank aufgenommen.
«Dies ist ein solch kleines Land, es ist sehr einfach, Zugang zur Regierung zu erhalten», erklärte Elizabeth Adams von Luxembourg for Finance, der Agentur zur Förderung des Finanzplatzes Luxemburg, gegenüber swissinfo.ch. «Die Regierung ist bekannt für ihre unternehmensfreundliche Haltung und dafür, dass sie Dinge früher als in anderen Ländern möglich macht.»
Luxemburg hofft jetzt, den Status als Renminbi Qualified Foreign Institutional Investor (RQFII) zu erhalten. Dies würde seinen Finanzinstitutionen erlauben, direkt an der Börse in Beijing zu handeln.
Als weiteren Vorteil führt Adams die Mitgliedschaft Luxemburgs in der Europäischen Union auf, besonders in einer Zeit wie jetzt, in der die Beziehungen der Schweiz zur EU getrübt sind, was Befürchtungen aufkommen lässt, dass in der Schweiz ansässige Finanzfirmen mit einem eingeschränkten Zugang zum EU-Markt konfrontiert werden könnten.
In Aussagen gegenüber der Tageszeitung China Daily hatte Zhou Lihong, der Geschäftsführer der Bank of China (BoC) Luxembourg keinen Zweifel daran gelassen, dass das Grossherzogtum die richtige Art roten Teppich ausgerollt habe.
«Die Aufsichtsbehörden in Luxemburg haben extrem strikte Standards», erklärte er. «Und da Luxemburg der EU-Gesetzgebung folgt, kann Luxemburg auf keinen Fall weniger streng sein als andere EU-Länder. Wo die Luxemburger Aufsichtsbehörden einen Vorteil haben, ist bei ihrer Flexibilität, ihrer Effizienz und ihrem Pragmatismus. Ich denke, es ist eine sehr offene Beziehung. Wir arbeiten auf das gleiche Ziel hin.»
Im Gegensatz dazu zog sich die BoC 2012 angeblich wegen Meinungsunterschieden mit der Schweizerischen Finanzmarktaufsicht (Finma) aus der Schweiz zurück. Dass es bisher nicht gelungen ist, eine chinesische Bank in die Schweiz zu locken – und hier zu behalten – ärgert Thomas Aeschi, einen Banker und Nationalrat der Schweizerischen Volkspartei (SVP).
«Es scheint nicht allzu viel Interesse von anderen chinesischen Banken zu geben, in die Schweiz zu kommen. Schauen Sie nach Luxemburg, dort werden chinesischen Banken aktiv umworben. Bei uns gibt es verschiedene Standort-Promotionsagenturen, aber bisher war keine sehr erfolgreich», sagte Aeschi gegenüber swissinfo.ch.
«Nicht jedes Land hat die gleichen regulatorischen Standards, aber es wäre dumm, aus diesen Gründen allein die Diskussion nicht zu suchen.»
«Goldene Chance» verpasst
Die FINMA bestreitet, jemals chinesische Banken diskriminiert zu haben, kommentiert aber keine einzelnen Fälle,
«Wir sind an einen Gesetzesrahmen gebunden und behandeln jeden Antrag für eine Bankenlizenz gleich», erklärte FINMA-Sprecher Vinzenz Mathys gegenüber swissinfo.ch. «Es gibt keinen länderspezifischen Ansatz.»
In der Schweiz wurde das bilaterale Freihandelsabkommen mit China, das Mitte 2014 in Kraft trat, viel beschworen und weckte teils grosse Erwartungen. Aber auch dieses Abkommen sorgte bei der AFBS für gewisse Irritationen, da es keine Renminbi-Clearingstelle für Schweizer Unternehmen enthält, die in China handeln.
«Die Schweiz hat eine goldene Chance verpasst, ein führender Akteur zu werden und Schweizer Firmen zu ermöglichen, direkt mit ihren chinesischen Partnern in Renminbi Geschäfte zu machen», erklärte Martin Maurer, Generalsekretär der AFBS, gegenüber swissinfo.ch.
«Das Freihandelsabkommen hätte Schweizer Firmen die Erlaubnis bringen sollen, dieselben Bankdienstleistungen durchführen zu können, wie ein Unternehmen in China.»
Dies hätte Unternehmen einen viel grösseren Schutz gegen Wechselkursschwankungen in ihrem 8,8 Mrd. Franken umfassenden Exporthandel mit China geboten. Stattdessen sind Schweizer Firmen gezwungen, über Hongkong, London oder Frankfurt zu gehen, um ihre Zahlungen in Renminbi zu tätigen oder zu erhalten.
Für Maurer ist die Schweiz als Händler von Anleihen und Fonds in Renminbi bereits zu weit hinter Luxemburg zurückgefallen, um noch als Konkurrentin auftreten zu können. Stattdessen sollte sie sich darauf konzentrieren, ihren Unternehmen zu helfen, in China Geschäfte machen zu können, bevor man zu viel Boden an konkurrierende Länder verliere.
Jiazhi Chen Seiler, Renminbi-Expertin bei der Bank Julius Bär, ist anderer Meinung. Sie argumentiert, der Schweizer Finanzsektor könne viel profitieren, wenn er sein eigenes Angebot an jungen Renminbi-Produkten wie Anleihen und Derivative entwickle. Sie ist überzeugt, dass die Schweizer Finanzkompetenz und die grosse Kundenbasis genau das Richtige sind für die zunehmend gefragte Währung einer solch globalen Wirtschaftsmacht.
«Die Schweiz verfügt über bedeutende Vermögensverwaltungs- und Rohstoffhandels-Unternehmen, es ist daher wirklich sinnvoll, Kunden eine breitere Palette von Produkten in Renminbi anzubieten», erklärte sie gegenüber swissinfo.ch.
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch