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«In der Flüchtlingskrise muss man den Griechen ein Kränzchen winden»

Hans-Rudolf Hodel, der zuvor die Schweiz u.a. in Afrika vertrat, in seiner Botschaft in Athen. swissinfo.ch

Der Schweizer Botschafter in Athen erlebt die griechische Bevölkerung als gastfreundlich und zuvorkommend, auch gegenüber den Flüchtlingen. Auf Bitte Griechenlands klärt die Schweiz zurzeit ab, wie das Land in der Flüchtlingskrise unterstützt werden kann. Und für die griechischen Schwarzgelder auf Schweizer Bankkonten rechnet Hans-Rudolf Hodel mit einer baldigen Lösung.

Hodel ist erst seit Ende 2015 Botschafter in Athen, deshalb könne er aus persönlicher Erfahrung nicht sagen, wie das Leben für die Bevölkerung vor der Krise war. «Aus meinen vielen Gesprächen habe ich aber den Eindruck gewonnen, dass die wirtschaftliche Lage für die meisten Griechen schwierig ist.»

swissinfo.ch: Griechenland ist nicht nur tief verschuldet, sondern hat auch ein Flüchtlingsproblem. Hundertausende kamen über die Ägais-Inseln ins Land, um nach Norden zu gelangen. Jetzt ist die Balkanroute zu, viele Flüchtlinge und Migranten sind gestrandet und bleiben. Wie unterstützt die Schweiz Griechenland in der Flüchtlingskrise?

Hans-Rudolf Hodel: Der Bundesrat hat bekanntgegeben, dass er sich an der Umverteilung beteiligen will, aus europäischer Solidarität. Die Schweiz ist bereit, 1500 Asylsuchende aufzunehmen, 900 aus Italien, 600 aus Griechenland. Zudem schauen wir mit den griechischen Behörden, wie die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) helfen kann, wo es die grössten Bedürfnisse gibt.

Zum Zug kommen dürfte vor allem die humanitäre Hilfe etwa im Wasser- und Sanitärbereich. Die humanitäre Hilfe der Schweiz stellt seit September 2015 dem UNHCR (UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge) zwei bis drei Experten im Wasser- und Unterkunftsbereich zur Verfügung, die in enger Zusammenarbeit mit den griechischen Behörden die Situation in den Camps verbessern helfen.

Schweiz-Griechenland

In Griechenland leben gut 3000 Auslandschweizer, viele sind Doppelbürger. Zudem verbringen jedes Jahr rund 400’000 Schweizerinnen und Schweizer ihre Ferien in Griechenland. Intensiv sind auch die Beziehungen zu Schulen und Universitäten.

Der direkte Warenaustausch zwischen den beiden Ländern ist gering: So exportierte die Schweiz im letzten Jahr für weniger als 1 Mrd. Franken, v.a. Pharmaprodukte. Rund 50 Schweizer Firmen sind mit Vertretungen vor Ort. Die Schweiz gehört zu den wichtigsten Investoren im Land. Aus Griechenland wurden hauptsächlich landwirtschaftliche Produkte und Textilwaren für rund 300 Mio. Franken importiert.

Als Schengen-Mitgliedstaat setzt sich die Schweiz im Rahmen der Grenzschutzagentur Frontex für die gemeinsame Überwachung der Schengen-Aussengrenze ein und entsendet auch eigene Grenzwächter an neuralgische Punkte der Grenze, so auch nach Griechenland. Angesichts der Flüchtlingskrise hat das Grenzwachkorps für 2016 zusätzliche fünf Mitarbeiter für Einsätze in Griechenland bereitgestellt.

Einen grossen Erfolg konnten wir mit einem Büchlein verbuchen, einer Art Lexikon mit den wichtigsten Ausdrücken im Gesundheitsbereich auf Griechisch, Französisch, Arabisch, Farsi u.a. Wir wurden gebeten, eine Neuauflage zu drucken, damit es in Flüchtlingszentren, Ambulanz-Fahrzeugen und allen Spitälern aufliegt. Zudem haben wir eine Broschüre zur Einschulung von Kindern verfasst. Diese ist für Migranten bestimmt, die länger bleiben.

Natürlich sind auch Schweizer NGO hier aktiv. Und wie immer ist die Schweiz über internationale Organisationen, bei denen wir oft zu den grösseren Beitragszahlern gehören, indirekt beteiligt.

swissinfo.ch: Wie steht es um das Verständnis und die Toleranz der Griechen gegenüber den Flüchtlingen?

H.-R.H.: Man muss der griechischen Bevölkerung ein Kränzchen winden, sie gibt sich äusserst zuvorkommend und gastfreundlich. Viele Leute, die selber nicht viel haben, versuchen den Flüchtlingen zu helfen und sehen diese nicht in erster Linie als Problem, sondern als Bedürftige, als Gäste. Auch Auslandschweizer, die ich vom Schweizer Club her kenne, sind als freiwillige Helfer in der Flüchtlingskrise aktiv. Viele von ihnen sind Doppelbürger.

swissinfo.ch: Was bekommen Sie als Botschafter von der Flüchtlingskrise mit?

H.-R.H.: Im Strassenbild ist sie nicht so ersichtlich, in den Medien und der öffentlichen Diskussion aber sehr wohl. Man spürt auch die Beunruhigung der Bevölkerung über das Schicksal dieser Leute. Und klar: Im Hafen von Piräus sieht man mehr Flüchtlinge als in gewissen Athener Quartieren.

swissinfo.ch: Um das EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen umzusetzen, braucht Griechenland eine ganze Menge an Fachkräften, z.B. Juristen, Übersetzer, Asylexperten und FrontexExterner Link-Grenzwächter. Stellt die Schweiz auch Personal zur Verfügung?

H.-R.H.: Die Schweiz ist am Abkommen EU-Türkei nicht beteiligt. Unabhängig vom Abkommen unterstützt die Schweiz Griechenland bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise, die für die griechischen Behörden eine riesige Herausforderung darstellt.

Ich habe dem griechischen Migrationsminister Ioannis Mouzalas vor kurzem gesagt, dass wir Griechenland dort unterstützen würden, wo es aus deren Sicht am Sinnvollsten ist. Die Schweiz stellt auch regelmässig Grenzwächter im Rahmen von Frontex-Operationen zu Verfügung.

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swissinfo.ch: Wie kooperiert die Schweiz bezüglich griechische Schwarzgelder auf Schweizer Bankkonten? Ist eine Lösung in Sicht?

H.-R.H.: Seit 2012 besteht ein revidiertes Doppelbesteuerungs-Abkommen zwischen der Schweiz und Griechenland. Dieses ermöglicht den Austausch von Informationen auf Anfrage, gemäss OECD-Standards. Zudem haben wir am 27. Mai 2015 mit der EU ein Abkommen über den Automatischen Informationsaustausch (AIA) in Steuerfragen unterzeichnet, das 2017 in Kraft treten soll. Das gilt natürlich für die ganze EU, also auch für Griechenland.

Von Vorteil wäre, wenn Griechenland ein Programm verabschieden würde, das die Offenlegung griechischer Gelder auf freiwilliger Basis zulässt (voluntary disclosure program). Dieses ist vom griechischen Parlament noch nicht verabschiedet. Es würde Kunden unserer Banken aus Griechenland falls nötig helfen, mit ihren Behörden ins Reine zu kommen.

swissinfo.ch: Offenbar wird Griechenland von deutschen Steuerfahndern bei der Suche nach griechischem Schwarzgeld in der Schweiz unterstützt – auch mit Hilfe von Daten auf gestohlenen CDs. Was heisst das für die Schweiz?

H.-R.H.: Im zweiten Halbjahr 2015 hat der Bundesrat eine Vernehmlassung zur Änderung des Steueramtshilfegesetzes durchgeführt. Mit der vorgeschlagenen Änderung soll die Praxis der Schweiz in Bezug auf gestohlene Steuerdaten gelockert werden. Neu soll auf Ersuchen eingetreten werden können, falls ein ausländischer Staat solche Daten auf ordentlichem Amtshilfeweg oder aus öffentlich zugänglichen Quellen erhalten hat. Weiterhin nicht möglich ist die Amtshilfe, falls ein Staat gestohlene Daten ausserhalb eines Amtshilfeverfahrens aktiv erworben hat.

Vorgesehen ist, dass die Vorlage diesen Sommer dem Bundesrat zur Verabschiedung vorgelegt wird. Nach Inkrafttreten der Rechtsgrundlagen für den Automatischen Informationsaustausch dürften die Partnerstaaten der Schweiz ein geringeres Interesse an gestohlenen Daten haben, da sie automatisch über Bankdaten verfügen werden.

swissinfo.ch: Wie viel unversteuertes griechisches Geld wird auf Schweizer Banken vermutet?

H.-R.H.: Es gibt keine offiziellen Statistiken über nicht deklarierte Gelder in der Schweiz. Die einzigen Zahlen, über die wir verfügen, sind die der Nationalbank. Diese schliessen die Beteiligungen bei Aktiengesellschaften aber nicht ein, es wären nur Gelder, die auf Depots liegen.

Und was wir auch nicht wissen, ist, wie viel davon versteuert ist. Der Umfang unversteuerter Gelder dürfte jedenfalls viel tiefer sein, als die Zahlen, die in gewissen griechischen Medien genannt wurden. Eine freiwillige Offenlegung der Vermögenswerte, eine Steueramnestie also, sowie der AIA würden eine Lösung sicher vorwärts bringen.

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