«Schweizer Clubs haben in Kalifornien noch Wachstumspotenzial»
Einst waren Schweizer Vereine zentrale Anlaufstelle für Neuankömmlinge. Heute leben Sie vom Bedürfnis nach Traditionen. Diane Wagner ist überzeugt, dass die Schweizer Clubs den Schritt in die Zukunft schaffen. Wir trafen sie in Kalifornien.
Im Swiss Park in Newark, Kalifornien, läuft gerade eine Parade. Die Fahnen der 26 Schweizer Kantone wehen, Kuhglocken läuten. So feiern die Vereinigten Schweizer Gesellschaften Nordkaliforniens USSNC Externer Linkden Nationalfeiertag. Seit ihrer Gründung in San Francisco 1910 setzt sich diese Dachorganisation von Schweizer Clubs in Nordkalifornien für die Schweizer Kultur ein. Bratwurst, Spätzli und Rotkohl werden heute serviert, Schokolade, Weine und andere typische Produkte angeboten.
Emotionen kommen hoch
Diane Wagner ist die Präsidentin der Organisation. Von der Bühne aus kündigt sie das Video an, das Bundespräsident Ignazio Cassis für die Auslandschweizer:innen zum Nationalfeiertag aufgenommen hat. Dann folgt die Nationalhymne, Emotionen kommen hoch. Wagner ist zufrieden. «Ich wollte, dass diese Veranstaltung den Geist und die Traditionen unseres Landes widerspiegelt», sagt sie.
swissinfo.ch portraitiert Schweizerinnen und Schweizer im Silicon Valley und in der San Francisco Bay, die in ihrem Job oder in ihrem Leben Exzellentes leisten. Journalistin Mariangela Mistretta betreut diese Serie.
Geboren in Modesto, Kalifornien, als Tochter von Schweizer Eltern, wuchs Wagner im Central Valley auf, einem Landwirtschaftsgebiet. «Mein Vater stammt aus Stans und meine Mutter aus dem Kanton Uri.» Als ihr Vater sich später ebenfalls an den Tisch setzt, erzählt Diane ihre Familiengeschichte. «Es war eine Bauersfamilie, die zu Hause nicht genug verdienen konnte. Hier in Kalifornien fand die Generation meiner Eltern nach dem Zweiten Weltkrieg grosse Chancen.»
Silicon Valley war Schweizer Bauernland
Schweizer dominierten seinerzeit die Milchindustrie in der Gegend. Die Bauhofer-Molkerei oder die Edelweiss-Molkerei waren Institutionen in diesem Sektor. «Auch mehrere Gebiete im heutigen Silicon Valley waren früher im Besitz von Schweizer Bauern», sagt Diane Wagner. Das wisse heute kaum noch jemand.
Ihre Eltern waren wie viele Landsleute dieser Generation in Kalifornien immer Mitglied in einem Verein. «Meine Mutter, die in Fremont aufgewachsen ist, war Mitglied der Älpler-Gruppe.» Sie wollte, dass auch ihre Kinder Mitglieder werden. «Also habe ich mich ihr angeschlossen.»
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Mit der Zeit übernahm Wagner die Rolle der Delegierten ihres Clubs bei der Dachorganisation USSNC. 2015 wurde sie dann Präsidentin der Organisation. «Es war viel mehr Arbeit, als ich dachte. Aber es war notwendig, die Organisation auf den neuesten Stand zu bringen», erinnert sich Wagner. Sie wollte alle Prozesse digitalisieren, erstellte eine E-Mail-Liste und richtete eine neue Website ein. «Wir haben jetzt 1700 Kontakte», sagt sie. Die Herausforderung war, die Vergangenheit zu bewahren und gleichzeitig am Wachstum des USSNC zu arbeiten.
Unter dem Dach des Verbandes gibt es inzwischen 11 Vereine. «Als ich ankam, hatten wir nur sechs. Gemeinsam sind wir stärker.» Viele Clubs sind deutschsprachig. Wagner sieht noch Wachstumspotenzial bei den lateinischsprachigen Clubs, etwa dem Monterey Swiss Club, der aus dem Tessin stammt oder dem französischsprachigen Humboldt Swiss Club.
Anlässlich des Nationalfeiertags vom traf Diane Wagner zuvor im Schweizer Konsulat junge Menschen mit Schweizer Wurzeln. Sie erzählte ihnen von den Schweizer:innen, die Vereine gegründet hatten, um ihre Traditionen im Ausland zu pflegen. «Ich habe die Jungen gefragt, ob sie ebenfalls Mitglied in einem Verein sind.» Sie machte Werbung für die Vereine. «Man spricht dieselbe Sprache, kocht traditionelle Gerichte, spielt Jass.» Wagner appellierte an die jungen Menschen, auch ihr Beitrag zähle, damit dieses kulturelle Erbe weitergeführt werden könne.
Auch für die Feier in Newark hat sie an den Nachwuchs gedacht. Für die Kinder wurde eine Family Fun Zone eingerichtet, ein Bereich mit Spielen, eine Ausstellung über Schweizer Züge. Zu den wichtigsten Veranstaltungen der Organisation, die jährlich den Jüngsten gewidmet sind, gehört das Swiss Kids Camp, an dem dieses Jahr 90 Kinder und 35 Freiwillige teilnahmen. Für ältere Kinder hingegen gibt es eine Online-Auktion, die unter anderem von Schweiz Tourismus gesponsert wird. Zu gewinnen gibt es Aufenthalte in Schweizer Hotels oder Vergünstigungen bei einer Reise durch die Schweiz.
Blick in die Zukunft
Doch nicht nur der Nachwuchs ist eine Herausforderung. Es braucht auch Ressourcen: Menschen, die mitmachen, und es braucht Geld. «Das alles ist nur möglich, weil der Vorstand, die Vereine und die ganze Gemeinde dazu beitragen», sagt Diane Wagner. Sie hat eine Vision für weiteres Wachstum. Sie möchte den einzelnen Mitgliedern mehr Raum geben, sie einbeziehen, ihnen das Gefühl geben, dass sie dazugehören. «In unserem Verein ist Platz für alle», sagt sie. «Einer für alle und alle für einen», das sei das Motto.
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