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Das Ende der Zurückhaltung: Das EDA fordert Nawalnys Freilassung

Nawalny
Alexej Nawalny. Keystone

Nach anfänglicher Zurückhaltung bezieht das Schweizer Aussendepartement EDA Stellung im Fall Nawalny. Typisch Schweiz, sagt ein Sicherheitsexperte.

Der Gesundheitszustand des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny hat sich verschlechtert, seit er vor bald drei Wochen in den Hungerstreik getreten ist. Jetzt zeigt sich auch die Schweiz besorgt über den Zustand Nawalnys.

Benno Zogg
Benno Zogg, Sicherheitsexperte an der ETH Zürich. / Vladislav Culiomza

Das Aussendepartement EDA fordert seine sofortige Freilassung. Die russischen Behörden müssten Sicherheit und Wohlergehen für Nawalny sicherstellen, schreibt das EDA in einer Stellungnahme vom Montagabend.

Bemerkenswerter Zeitpunkt

Dass sich das EDA jetzt äussert, liegt für Benno Zogg, Sicherheitsexperte an der ETH Zürich, an der dramatischen Verschlechterung von Nawalnys Gesundheitszustand. «Sein Leben ist in Gefahr. Erneut, muss man sagen.» Dies erfordere, dass man auf menschenwürdige Haftbedingungen oder eben auf der Freilassung des Kreml-Kritikers bestehe.

Das Aussendepartement wählt in seiner Stellungnahme letztere Option. Es sei problematisch, dass Nawalny im Zusammenhang mit einem Strafverfahren verurteilt worden sei, das der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2017 als «willkürlich und offenkundig unangemessen» bezeichnet habe.

Benno Zogg im Gespräch mit SRF 4 News am 20. April 2021:

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Sicherheitsexperte Zogg hält den Zeitpunkt des Schreibens des EDA für bemerkenswert. Russland steht derzeit wegen der Massierung von Truppen an der Grenze zur Ukraine in den Schlagzeilen, daneben sorgt ein mutmasslicher Spionage- und Sabotage-Akt in Tschechien für Verstimmungen.

Dem EDA dürfte bewusst sein, dass die Forderung nach einer Freilassung des Oppositionellen den Kreml kaum beeindrucken wird. «Realistischerweise wird der Kreml nicht einlenken, darüber macht sich auch niemand Illusionen. Das ist aber kein Grund für die Schweiz, sich nicht zu äussern und auf die Einhaltung von Menschenrechten zu bestehen», so der Sicherheitsexperte.

Russland stellt sich auf den Standpunkt, dass Haftbedingungen nicht Angelegenheit anderer Länder seien. Zogg widerspricht: «Russland hat sich zu den Standards der Europäischen Menschenrechtskonvention und des UNO-Pakts für Menschenrechte bekannt. Diese einzuhalten, muss eingefordert werden – auch von der Schweiz.»

Die EU und die USA hätten gegenüber Russland Sanktionen ergriffen im Zusammenhang mit den Vorfällen um Nawalny, schreibt das EDA. Auf der Grundlage des Embargogesetzes könne der Bundesrat von Fall zu Fall entscheiden, ob die Schweiz sich Sanktionen der EU anschliessen wolle oder nicht. Einen Beschluss dazu habe die Landesregierung noch nicht gefasst. Sanktionen der USA habe sich die Schweiz noch nie angeschlossen.

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Russland verletze mit der Verurteilung Nawalnys internationale Konventionen, zu deren Einhaltung es sich verpflichtet habe, schrieb das EDA denn auch. Staaten unterstünden gegenüber Personen in ihrem Gewahrsam besonderen Verpflichtungen.

Für Zogg ist es wichtig, dass sich auch die Schweiz positioniert – nicht «nur» im Hinblick auf Nawalny. «In ähnlich gelagerten Fällen können internationaler Druck und vielleicht auch Sanktionen dazu führen, dass sich autoritär regierte Staaten zurückhalten oder dass sie aufsehenerregende Menschenrechtsverletzungen gar nicht erst begehen.»

SRF berichtete am 19. April 2021, Alexej Nawalny sei in ein Spital eingeliefert worden:

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Besser spät als nie?

Länder wie die USA und Grossbritannien haben bereits die Festnahme und anschliessende Verurteilung Nawalnys scharf kritisiert. Die offizielle Schweiz hielt sich auffallend zurück. «Die Schweiz besteht grundsätzlich immer auf der Einhaltung von Menschenrechten und des Völkerrechts – aber sie kommuniziert und entscheidet sicherlich zögerlicher», sagt Zogg.

Dazu kommt: Die Schweiz versuche, sich weniger auf medienwirksame Einzelfälle zu fokussieren, sondern bestehe konsistent auf die Einhaltung gewisser Standards. «Das wirkt dann oft so, als komme ein Bekenntnis der Schweiz zu spät und zu wenig bestimmt.» Dies sei aber schlichtweg Ausdruck der ruhigen und sachlichen Diplomatie der Schweiz.

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