Weltpremiere auf der Berlinale
Die Berlinale zählt zu den wichtigsten Filmfestivals der Welt. Auch Schweizer Filmemacher präsentieren dort vom 9.-19. Februar ihre Werke, wie etwa die Luzerner Animationsfilmemacherin Lena von Döhren (35). Sie ist bereits zum dritten Mal dabei.
swissinfo.ch: Auf der Berlinale findet die Weltpremiere Ihres neuen Kurzfilms «Der kleine Vogel und die Raupe»Externer Link statt. Ist das ein besonderer Moment für Sie?
Lena von Döhren: Auf jeden Fall. Bisher haben ihn nur die Produzenten, das Auswahl-Team der Berlinale und ein paar Freunde gesehen. Hier wird er zum ersten Mal vor Publikum gezeigt, in einem Saal voller Kinder. Das Schönste überhaupt ist, wenn der Film funktioniert und die Kinder mitgehen und auf ihren Sitzen herumhüpfen.
Schweizer Filme auf der Berlinale
Die Internationalen Filmfestspiele Berlin, kurz Berlinale, gelten neben jenen von Cannes und Venedig zu den weltweit wichtigsten Filmfestivals.
Auf der Berlinale 2017 sind neben Lena von Döhrens Film noch weitere eidgenössische Produktionen und Koproduktionen zu sehen. Der Spielfilm «Tiere» des polnisch-schweizerischen Regisseurs Greg Zglinski feiert dort seine Weltpremiere, der dokumentarische Kurzfilm «Avant l’envol» von Laurence Bonvin läuft im Wettbewerb Berlinale Shorts. Der kurze Animationsfilm «In A Nutshell» von Fabio Friedli ist wie Lena von Döhrens Beitrag im Wettbewerb der Sektion Generation zu sehen. In der Sektion Panorama Dokumente wird der Oscar-nominierte Dokumentarfilm «I Am Not Your Negro» von Raoul Peck gezeigt. «Istiyad Ashbah» des Palästinensers Raed Andoni (Frankreich, Schweiz, Palästina), eine Schweizer Koproduktion von Akka Films, läuft ebenfalls in dieser Sektion. Der Dokumentarfilm «Raving Iran» von Susanne Regina Meures ist als Gewinner des First Steps Award zu Gast im Programm Perspektive Deutsches Kino.
(Quelle: swissfilms.chExterner Link)
swissinfo.ch: Worum geht es im Film?
L.v.D.: Es ist mein dritter Kurzfilm, in dem ein kleiner Vogel und sein Gegenspieler, ein Fuchs, die Hauptrollen spielen. Der kleine Vogel ist etwas naiv, seine besten Freunde sind Blätter, die er giesst und denen er nachtrauert, wenn sie wegfliegen. Im aktuellen Film trifft der Vogel auf eine Raupe, die seine Blätter fressen will und mit der er sich schliesslich dennoch anfreundet und den Fuchs überlistet. Die Filme bringen Kinder zum Lachen, aber sie haben auch eine poetische Ebene und eine Botschaft, die sie entdecken können.
swissinfo.ch: Sie sind in Berlin aufgewachsen, leben aber seit einigen Jahren in der Nähe von Luzern. Wie kam es dazu?
L.v.D.: Ich habe in Amsterdam einen Bachelorabschluss für audiovisuelle Kommunikation gemacht und anschliessend nach einem Masterstudiengang für Animation gesucht. Damals gab es so etwas nur in Glasgow und Luzern. Der Studiengang in Glasgow war mir zu sehr auf 3D-Formate ausgerichtet, ich schätze eher die klassische 2D-Animation. Deshalb habe ich mich für Luzern entschieden und bin dann dort geblieben. Mittlerweile wohne ich in der Nähe auf dem Land mit meinem Partner und unserem kleinen Sohn.
swissinfo.ch: Berlin bildet sich viel auf die hier lebenden Kreativen aus aller Welt ein. Wäre die Stadt für Ihre Arbeit nicht der bessere Standort?
L.v.D.: Dieser kreative Hype kann dich auch umhauen. Die Konkurrenz in Berlin ist enorm. Entsprechend niedrig sind die Honorare, der Wettbewerb ist hart. Für mich sind die Bedingungen in der Schweiz sehr gut. Man wird als Kreativer ernst genommen und entsprechend bezahlt. Ich brauche das Grossstadtleben auch nicht zur Inspiration. Die Idee für meinen aktuellen Film kam mir zum Beispiel auf einem Spaziergang in der Natur, als ich eine Raupe beobachtete.
swissinfo.ch: Wie schafft man es, gleich dreimal auf die Berlinale eingeladen zu werden?
L.v.D.: Das ist schon etwas Besonderes. Ich habe mich wie viele Tausend andere beworben und gehörte zu jenen, die ausgewählt wurden. Den Berlinale-Machern scheint mein Stil zu gefallen.
swissinfo.ch: Hilft die Berlinale der Karriere?
L.v.D.: Die Berlinale ist extrem wichtig. Ich plane meine Produktionen extra so, dass die Filme bis zum Start des Filmfests fertig sind. Zum einen trifft man hier potentielle Interessenten für Filme aus der ganzen Welt. Zum anderen werden nach ein paar Berlinale-Einladungen andere Festivals automatisch auf dich aufmerksam und kommen auf dich zu, ohne dass du dich bewerben musst. Das ist fast wie ein Selbstläufer und erspart sehr viel Mühe.
swissinfo.ch: Ist mit den Einladungen dann auch die Finanzierung gesichert?
L.v.D.: Nein, von den Festivals kann man nicht leben. Bei den meisten muss man sogar für die Bewerbung zahlen. Sie lohnen sich nur dann finanziell, wenn man einen Preis gewinnt. Hier auf der Berlinale ist das für mich allerdings nicht leicht. Mein Film, der für Kinder ab vier Jahren geeignet ist, läuft in der Sektion «Generationen» in einer Reihe mit Filmen für Teenager. Die stellen dann auch die Jury und sind ihrem Alter entsprechend mehr von Filmen angetan, in denen sie sich und ihre Probleme wiederfinden. Auf anderen Festivals auf der ganzen Welt habe ich für die ersten beiden Kurzfilme mit dem kleinen Vogel bereits Preise gewonnen. Zur Finanzierung meiner Filme genügt das aber nicht.
swissinfo.ch: Wie finanzieren Sie dann Ihre Arbeit?
L.v.D.: In erster Linie mit Mitteln der Filmförderung aus verschiedenen Schweizer Töpfen. Dazu schreibe ich viele Anträge und stelle meine Ideen vor. Die erste Station ist immer das Schweizer Fernsehen SRF. Wenn das als Koproduzent im Boot sitzt, ist schon einmal eine wichtige Finanzierungssäule gesichert. SRF hat alle meine Kurzfilme mitfinanziert. Beim aktuellen Film gab es auch Mittel von der Berner Filmförderung, der Kulturförderung des Kantons Luzern und des Bundesamts für Kultur. Wenn meine Filme auf grossen Festivals wie der Berlinale gezeigt werden, gibt es auch etwas Geld vom Branchenverband Swissfilms.
swissinfo.ch: Macht es Ihnen der Standort Schweiz in dieser Hinsicht einfacher, als wenn Sie in Deutschland leben würden?
L.v.D.: Ich glaube ja. Luzern und die Schweiz sind überschaubarer und haben gute Förderstrukturen.
swissinfo.ch: Ihre Filme sind immer etwa vier Minuten lang
L.v.D.: Exakt 3 Minuten und 50 Sekunden, mit Bedacht. Das ist das Sandmännchenformat.
swissinfo.ch: Was ist denn das?
L.v.D.: Das ist jene Länge, die in der TV-Kindersendung Sandmännchen gezeigt wird. Sie wäre der ideale Sendeplatz, falls aus den Geschichten über den kleinen Vogel mal eine Serie wird. Das ist durchaus eine Überlegung.
swissinfo.ch: Ihre Filme sind sehr reduziert, sie wirken fast altmodisch verglichen mit modernen 3-D Animationen.
L.v.D.: Ich habe mich sehr bewusst für die 2-D-Perspektive entschieden. Die Hintergründe sind manuell gezeichnet und werden dann eingescannt, für die Animation der Figuren verwende ich den Computer. Ich nutze langsame Schnitte, einfache Figuren, die simpel animiert sind. Der Film soll nicht überladen wirken, sondern klar. Nichts soll ablenken. Daher gibt es auch keine Musik zur Untermalung. Töne und Geräusche sind hingegen extrem wichtig.
swissinfo.ch: Drei Filme mit dem kleinen Vogel gibt es nun. Wird es auf der nächsten Berlinale den vierten geben?
L.v.D. Die drei spielen in unterschiedlichen Jahreszeiten, eigentlich fehlt jetzt nur noch der Frühling. Aber von der Idee bis zum fertigen Film brauche ich rund 18 Monate. Das schaffe also frühestens zur 69. Berlinale im Jahr 2019.
Trailer zu «Der kleine Vogel und die Raupe»Externer Link
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