Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Schweizer Gassenküchen am Anschlag

Gassenküche Rösti
SRF-SWI

Gassenküchen verzeichnen dieses Jahr einen starken Anstieg in der Nachfrage. Ein Augenschein in St. Gallen.

Punkt 12 Uhr beginnt die Essensausgabe. Spaghetti Bolognese steht auf der Menükarte der Gassenküche St. Gallen, dazu Salat. 60 Mahlzeiten haben die Helferinnen und Helfer gekocht, viel mehr als noch vor einem Jahr.

Regine Rust ist Geschäftsleiterin der Stiftung Suchthilfe St. Gallen, welche die Gassenküche betreibt. «Wir platzen aus allen Nähten», sagt sie.

Bis im Frühjahr dieses Jahres hätten sie hier 30 Mahlzeiten gekocht, nun seien es doppelt so viele. «Wir haben zuerst gedacht, es habe mit dem kalten und nassen Wetter im März und April zu tun.» Doch die Zahlen seien auch im Sommer nicht zurück gegangen.

Weniger Geld, schleichende Armut

Für Regine Rust sind die Gründe klar: Die Menschen haben weniger Geld, da Kosten für Krankenkassen, Strom oder auch Lebensmittel in der Schweiz stark gestiegen sind. Viele seien deshalb vermehrt auf Angebote wie die Gassenküche angewiesen. «Hier wird die schleichende Armut sichtbar», so Rust.

Die Gäste sind unterschiedlich: Berufstätige, die wenig Geld haben, Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger oder auch Menschen mit Suchtproblemen.

Ein junger Mann sagt, er habe regelmässig gegen Ende Monat zu wenig Geld, um sich Lebensmittel zu kaufen. «Da ich von Sozialhilfe lebe, spüre ich die gestiegenen Kosten extrem.»

Teuerung erfasst gar Caritas-Märkte

Auch die Caritas-Märkte verzeichnen in diesem Jahr mehr Kundinnen und Kunden, nachdem die Zahl bereits letztes Jahr stark gestiegen ist.

Gerade Lebensmittel seien teilweise viel teurer geworden, sagt Philipp Holderegger von den Caritas-Märkten. «Bei Penne zum Beispiel beträgt die Teuerung auch im Caritas-Markt 40 Prozent.»

Armutsbetroffene Menschen seien davon viel stärker betroffen, da sie sich häufiger von Grundnahrungsmitteln ernähren, sagt Holderegger. «Man spürt deutlich, dass die untere Mittelschicht finanziell immer weiter nach unten gedrückt wird.»

80 Mahlzeiten am Tag

In der Gassenküche in St. Gallen sind kurz vor 13 Uhr die Spaghetti bereits aufgebraucht. Die Mitarbeitenden kochen deshalb nochmals, denn nach 15 Uhr sollen weitere Mahlzeiten angeboten werden. Insgesamt werden an diesem Tag über 80 Mahlzeiten abgegeben, weit mehr als geplant.

Man plane derzeit, die Küche umzubauen, erklärte Regine Rust, die Geschäftsleiterin der Stiftung Suchthilfe St. Gallen. Doc die finanziellen Möglichkeiten sind begrenzt, da die Gassenküche rein spendenfinanziert ist. Das Ziel aber sei klar: Trotz mehr Gästen solle niemand hungrig weggeschickt werden müssen.


Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft