Schweizer Händler spüren schwierige Lage in Russland
Anfang 2013 dehnte der Schweizer Dufthersteller Luzi seine Geschäfte auf Russland aus. Die Perspektiven des aufstrebenden Marktes dufteten rosig. Aber mit dem Ukraine-Konflikt, den Sanktionen des Westens gegen Russland und dem schwächelnden Rubel "verduften" gewisse Geschäfte, nicht nur für Kosmetik-Produzenten.
Das Unternehmen sagt, es habe bisher seine Geschäftsziele erreicht, muss sich nun aber mit einer Reihe von Problemen herumschlagen, darunter die Schwierigkeit, von seinen ukrainischen Kunden bezahlt zu werden, oder russische Zollbeamte, die an Sendungen herumschnüffeln.
Russland ist einer der fünf grössten Märkte für Kosmetika und Parfums, wie Luzi-Verkaufsleiter Mike Rohner erklärt. Russland sei das einzige Land in dieser Topgruppe, in dem der Markt noch nicht voll entwickelt und mit Konkurrenzprodukten gesättigt sei.
Das Schmieden von Vertriebspartnerschaften in Russland, der Ukraine und Belarus (Weissrussland), welche Luzis Duftkomponenten nutzen, um lokale Fertigprodukte zu produzieren, hatte für die Firma rascher als erwartet Dividenden abgeworfen.
Doch einer der Partner des Unternehmens auf der Krim sah sich rasch einmal vor Probleme gestellt bei der Überweisung von Zahlungen, als die Banken dem umstrittenen Gebiet den Rücken kehrten, nachdem die Halbinsel im März von Russland annektiert worden war.
Geldbewegungen wurden auch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew schwierig, obschon das in Dietikon im Kanton Zürich angesiedelte Unternehmen einen Weg fand, die Hindernisse zu umgehen. Danach folgten die Sanktionen der USA und der Europäischen Union sowie die Vergeltungsmassnahmen Russlands, das den Nahrungsmittelimport aus diesen Ländern einschränkte.
«Wir sind nur indirekt von diesen Massnahmen betroffen», erklärte Rohner gegenüber swissinfo.ch. «Einer unserer Vertriebspartner in St. Petersburg stand unter Beobachtung der russischen Behörden, weil er auch Lebensmittelaromen aus Europa importiert.»
«Unsere Produkte befanden sich in der gleichen Ladung, was zu Verzögerungen und Komplikationen führen kann.»
Kummer wegen Sanktionen
Switzerland Global Enterprise (S-GE), die Agentur, die im Auftrag des Bundes Schweizer Unternehmen berät, die im Ausland Geschäfte betreiben, sagte, auch andere Firmen spürten die schwierige Lage in Russland.
Handel Schweiz-Russland
Schweizer Exporte nach Russland fielen in den ersten vier Monaten dieses Jahres um 3,5% auf 843 Mio. Franken. Nach Angaben der Schweizer Botschaft in Moskau hat sich der Rückgang bis Ende Juni mit minus 6,3% fast verdoppelt.
Importe aus Russland in die Schweiz sanken gemäss amtlichen Statistiken zwischen Januar und Ende April um 46% auf 231 Mio. Franken.
Die Schweiz war mit 12,5 Mrd. Franken Investitionen Ende 2012 (aktuellste Statistiken) zwölftgrösster Direktinvestor in Russland.
Russische Investitionen in der Schweiz beliefen sich Ende 2012 auf 50,7 Mrd. Dollar.
Etwa 200 Schweizer Firmen sind auf russischem Territorium tätig.
Im Juli senkte der Internationale Währungsfonds (IWF) seine BIP-Wachstumsprognose für Russland für dieses Jahr von 1,3% auf 0,2%.
«Wenn wir mit Schweizer Unternehmen sprechen, hören wir, dass sie weniger von den Sanktionen selbst betroffen sind, als von der wachsenden Unsicherheit über die künftige Entwicklung in der Region», erklärte S-GE in einer schriftlichen Stellungnahme. «Einige der Firmen, mit denen wir in Kontakt stehen, haben Exportprojekte verschoben oder annulliert.»
Die Schweiz hat bisher nicht Sanktionen im gleichen Umfang wie die USA und die EU verhängt. Tatsächlich haben einige Schweizer Käse- und Fleischproduzenten eine erhöhte Nachfrage gesehen, da Russland in dem Handelskrieg versucht, seine Versorgung über Nicht-EU-Staaten abzuwickeln.
Solche Firmen müssen aber vorsichtig vorgehen, denn die Schweiz ist darauf bedacht, dass sie nicht für Umgehungsgeschäfte genutzt wird, was EU-Produkte für Russland angeht. Ein weiteres indirektes Problem des Handelskriegs ist, dass die EU-Lebensmittelpreise wegen der Beschränkung der Exporte nach Russland unter Druck gekommen sind.
Der Schweizer Obstverband macht sich Sorgen, dass sich diese Entwicklung auf seine Exporte nach Europa auswirken könnte, während der Dachverband Schweizer Fleischwirtschaft davor warnt, dass dies den Trend verstärken könnte, dass Schweizer im benachbarten Ausland einkaufen, wo die Produkte billiger sind als in den Läden in der Schweiz.
Auch die Tourismusindustrie ist aufgrund des Antagonismus zwischen Russland und dem Westen auf negative Konsequenzen gefasst. «Es kommen weniger Leute aus Russland, und wir sollten für die Hochsaison um Neujahr mit weniger hohen Besucherzahlen rechnen», erklärte Guglielmo Brentel, Präsident des Hotelier-Dachverbands, in einem Beitrag von Schweizer Fernsehen SRF.
Wirtschaft stagniert
Hans Hess, Präsident des Dachverbands der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie, swissmem, sagte, der Konflikt in der Ukraine und die daraus folgenden Sanktionen hätten bereits direkte Auswirkungen auf gewisse swissmem-Mitglieder, weil Firmen aus der EU begännen, ihre Investitionen zu kürzen.
Handel Schweiz-Ukraine
Schweizer Exporte in die Ukraine fielen in den ersten vier Monaten dieses Jahres um 8,5% auf 202 Mio. Franken.
Importe aus der Ukraine in die Schweiz sanken gemäss amtlichen Statistiken um 37,5% auf 41,4 Mio. Franken.
Schweizer Direktinvestitionen in der Ukraine beliefen sich Ende 2013 auf 1,3 Mrd. Dollar (6,7% mehr als 2012).
Für ukrainische Direktinvestitionen in der Schweiz liegen keine amtlichen Statistiken vor.
Der IWF prognostiziert, dass das BIP der Ukraine in diesem Jahr um 6,5% schrumpfen werde.
«Im zweiten Quartal haben wir gesehen, wie das Wirtschaftswachstum wegen dem Ukraine-Konflikt zum Stillstand gekommen ist», erklärte Hess gegenüber SRF. «Dieser Konflikt ist gefährlich für uns, denn er könnte zu einer Störung der Wirtschaftsentwicklung führen, nicht nur in Europa, sondern weltweit.»
Nach Angaben der Schweizer Botschaft in Moskau sanken die Schweizer Exporte nach Russland in der ersten Hälfte dieses Jahres um 6,3%. Das könne genau so viel zu tun haben mit dem rasch zerfallenden Wert des Rubels als mit der Ukraine-Krise, hiess es in der Erklärung der Botschaft. Gemäss offiziellen Schweizer Statistiken gingen Exporte in die Ukraine zwischen Januar und Mai um 8,5% zurück.
Grosse Schweizer Unternehmen mit einer physischen Präsenz in Russland wie Swatch, Sulzer, Holcim und Nestlé, erklärten, dass die Situation aufmerksam verfolgt werde, die Geschäfte hätten aber bisher ohne Störungen abgewickelt werden können.
Sanktionen seien aber nur ein Teil des Problems Russlands, meint Frank Schauff, Geschäftsführer des Vereins Europäischer Unternehmen mit Sitz in Moskau, der kleine und mittlere europäische Unternehmen in Russland vertritt.
Die Wirtschaft war bereits zuvor ins Stocken geraten, vor allem als Folge der allzu grossen Abhängigkeit von der Öl- und Gasindustrie, wegen unzureichender Investitionen in anderen bedeutenden Sektoren und wegen niedriger Produktivität.
«Die allgemeine Wirtschaftslage hatte sich schon gegen Ende letzten Jahres verschlechtert, der Rubel, verlor gegenüber anderen Währungen an Wert, was den Import fremder Güter verteuert, und dazu schrumpfte die Konsumnachfrage», erklärte Schauff gegenüber swissinfo.ch. «Die wirtschaftlichen Bedingungen haben sich schneller verschlechtert, seit die Situation in der Ukraine zu eskalieren begann.»
Silberstreifen am Horizont
Aber für Unternehmen, die smart und rasch genug sind, sich mit den Ungewissheiten in Russland herumzuschlagen, gibt es vielleicht einen Silberstreifen am Horizont.
Konsumenten und Konsumentinnen in Russland, erklärte Luzi-Verkaufschef Rohner, «mögen zwar weniger Geld in der Tasche haben, aber sie werden weiterhin persönliche Pflegeprodukte kaufen, das gilt vor allem für russische Frauen, die Duftstoffe kaufen. Vermögen sie L’Oréal nicht mehr, werden sie auf lokale Marken umsteigen, die unsere Kunden produzieren.»
Auch Michael Derrer, der Schweizer Firmen berät, die in den russischen Markt expandieren wollen, sieht neue Chancen. «In den nächsten Jahren wird Russland seine Beziehungen zum Westen weiter einschränken und mehr in den Aufbau seiner eigenen Produktionskapazitäten investieren», sagte Derrer. «Wenn ein Unternehmen bereit ist, das Risiko direkter Investitionen in Russland auf sich zu nehmen, statt nur zu exportieren, wird es mehr Geschäfte machen können.»
Kurzfristig sieht Derrer einen weiteren Lichtblick für opportunistische Schweizer Unternehmen. «Die russische Reaktion auf die Sanktionen konzentrierte sich vor allem auf US-Unternehmen. US-Marken mit einem symbolischem Wert wie McDonalds, [das einige seiner Niederlassungen in Russland schliessen musste], werden diesen politischen Druck spüren», sagte Derrer. «Firmen, die davon nicht betroffen sind, könnten neue Chancen nutzen.»
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)
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