«Die Unternehmen passen sich den neuen Transparenz-Erfordernissen an»
Stéphane Graber ist Generalsekretär der Swiss Trading and Shipping Association (STSA), dem Branchenverband des Rohstoffhandels in der Schweiz. Er nimmt Stellung zur Kritik der fehlenden Transparenz in einer Industrie, die seiner Meinung nach eine wichtige wirtschaftliche Rolle spielt, aber noch weithin unbekannt ist.
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
4 Minuten
Journalist und stellvertretender Leiter der Redaktion für die drei Landessprachen von swissinfo.ch (Deutsch, Französisch, Italienisch). Zuvor bei Teletext und rts.ch.
swissinfo.ch: NGOs und Medien prangern seit Jahren die Missbräuche einiger im Rohstoffhandel tätigen Unternehmen an. Man hat den Eindruck, die Unternehmen seien gegenüber der öffentlichen Meinung noch wenig sensibel. Sind sich die Unternehmen der Probleme, die sie mit ihren Tätigkeiten verursachen, wirklich bewusst?
Stéphane Graber: Das Unwissen über den Handel führt in der Schweiz häufig zu fehlerhaften Verwechslungen und Ungenauigkeiten. Zweck des Handels ist der Transport von Waren von einem Produktionsort an einen Verbrauchsort. Der Handel spielt eine wichtige Rolle bei der Versorgung der Länder und der Industrie.
Mehr
Mehr
Anhaltender Druck auf die Rohstoffbranche
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
«Die Handelswelt misst ihre Unbeliebtheit. Sie wird hart arbeiten müssen, um ihr Image aufzupolieren», schrieb die Zeitung Le Temps am Tag nach der Abstimmung über die Initiative der Schweizer JungsozialistInnen, welche die Spekulation mit Lebensmitteln an der Börse verbieten wollte. Wenngleich die Vorlage abgelehnt wurde, haben immerhin mehr als 40% der Stimmenden ein «Ja» in…
Die Schweizer Rohstoffunternehmen sind sich ihrer Verantwortung bewusst. Wie alle anderen Wirtschaftszweige wenden sie anerkannte Sorgfaltsprüfungspflichten an. Sie sind seit 2013 zusammen mit den Behörden und den NGOs dabei, freiwillige Richtlinien zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt auszuarbeiten.
swissinfo.ch: Warum führt man nicht eine Marktaufsicht für die Rohstoffbranche ein, wie es die Erklärung von Bern verlangt?
S.G.: Die Idee einer solchen Aufsichtsbehörde geht von der fälschlichen Annahme aus, der Sektor sei nicht reglementiert. Er ist jedoch bereits zahlreichen Aufsichtsgremien unterstellt. Für die grössten Unternehmen des Sektors sind es über 80.
Dieses Durcheinander kommt daher, dass sich die Frage der Aufsicht auf Ebene der verschiedenen Aktivitäten und der vielfältigen Produkte stellt. Eine weitere Aufsichtsbehörde einzuführen würde folglich nichts bringen, ausser ein bürokratisches Monster zu schaffen, was zu Kompetenzkonflikten und Verwirrungen führen würde.
«Die Harmonisierung ist fundamental für eine globalisierte Tätigkeit wie den Rohstoffhandel.»
swissinfo.ch: Allgemeiner gefragt: Warum lehnen Sie die Einführung von verbindlichen Regeln ab?
S.G.: Im Grundsatz befürwortet der Handelssektor eine Sorgfaltspflicht. Deswegen hat er im Frühling 2015 eine Motion im Schweizer Parlament unterstützt, die in diese Richtung ging [und letztlich von einer kleinen Mehrheit der kleinen Kammer abgelehnt wurde]. Die Frage ist nicht die Verbindlichkeit oder Freiwilligkeit der Massnahmen. Wichtig ist vielmehr die Einführung stichhaltiger Standards betreffend der sozialen und ökologischen Verantwortung, die international anerkannt und angewendet werden. Die Harmonisierung ist nämlich fundamental für eine globalisierte Tätigkeit wie den Rohstoffhandel.
swissinfo.ch: Kritik gibt es nicht nur von NGOs und Medien. Auch die Schweizerischen Akademien der Wissenschaften fordern in ihrem letzten Informationsbulletin eine grössere Transparenz im Sektor des Rohstoffhandels. Was antworten Sie ihnen?
«Es gab bisher keinen wirtschaftlichen Grund, mit der breiten Öffentlichkeit zu kommunizieren.»
S.G.: Zuerst einmal muss betont werden, dass die Preise von Rohstoffen auf den Handelsmärkten bekannt und transparent sind. Die Handelsunternehmen sind nicht in direktem Kontakt mit dem grossen Publikum, sondern sie beliefern Unternehmen wie Nestlé, Starbucks oder Carasso. Es gab bisher keinen wirtschaftlichen Grund, mit der breiten Öffentlichkeit zu kommunizieren.
Wir sind jedoch in einem neuen Zeitalter der Kommunikation und Transparenz angekommen. Die Konsumenten interessieren sich nun auch für die Lieferanten der Marken, die sie kaufen. Die Handelsunternehmen haben das gemerkt und passen sich an diese neuen Ansprüche an. Vor drei Jahren hätte unser Verband Ihnen sicherlich keine Auskünfte gegeben. Heute kommunizieren wir proaktiv, und inzwischen sind wir in der Schweiz recht bekannt.
(Übertragung aus dem Französischen: Sibilla Bondolfi)
Beliebte Artikel
Mehr
Aussenpolitik
Kriegsdienst oder Exil: Ukrainische Männer in der Schweiz im Dilemma
Soll der Verkauf von Rohmilch verboten werden oder sollen Konsumentinnen und Konsumenten selbst entscheiden?
In der Schweiz verbietet das Lebensmittelgesetz den Verkauf von Rohmilch zum direkten Verzehr. Ein Schlupfloch erlaubt dies jedoch in 400 Rohmilchautomaten.
Ist eine Reform des Schweizer Rentensystems noch möglich, und wenn ja, wie?
Es müssen noch Lösungen gefunden werden, um die Herausforderung einer alternden Bevölkerung zu bewältigen und die Renten von Geringverdienenden, mehrheitlich Frauen, zu verbessern.
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch
Mehr lesen
Mehr
Konflikt lastet auf Schweizer Rohstoffbranche
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Die Schweiz wäre weit stärker betroffen als Russland, wenn sie sich an den Sanktionen der EU und der USA beteiligen würde, sagte Guy Mettan, Präsident der Schweizerisch-Russischen Handelskammer. Laut Mettan hat sich die Schweiz bereits ziemlich stark aus dem Fenster gelehnt, als sie die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Russland aussetzte und gegen eine Reihe von…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
«Wir nehmen die Gegner jetzt beim Wort», sagte Fabian Molina, der Präsident der Jungsozialisten, zum Scheitern ihrer Spekulations-Initiative. Vom Bundesrat fordert er, dass die Positionslimiten – eine Obergrenze für die Anzahl Derivate, die ein einzelner Marktakteur halten darf – für Warenderivate im Finanzmarkt-Infrastrukturgesetz aktiviert werden. Diese Forderung stellen auch die Hilfswerke Alliance Sud und Brot…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Die Nahrungsmittelmärkte werden von Zeit zu Zeit von plötzlichen Fieberschüben erschüttert. Die Preise steigen, zum Schaden der ärmsten Bevölkerung, die dann ihrer Wut immer mehr mit Protesten Ausdruck verleiht. In den vergangenen Jahren ist es zweimal zu solchen Krisen gekommen, 2007-2008 sowie 2010. Für die Jungsozialisten und Jungsozialistinnen der Schweiz (JUSO) lässt sich das Problem…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Als Projektkoordinator der Nichtregierungs-Organisation FastenopferExterner Link hat Barthélémy Sam die Dörfer um die drei Goldminen besucht, deren Goldabbau in der Studie unter die Lupe genommen wurde. Raffiniert wurde und wird das dort geschürfte Gold von der Firma Metalor mit Sitz im Kanton Neuenburg. Die Schlussfolgerungen, die der Ökonom jüngst vor den Medien in Bern präsentierte,…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Im Dezember wird TrafiguraExterner Link erstmals jene Geldflüsse offenlegen, die den globalen Standards der Initiative für Transparenz im rohstoffgewinnenden Sektor (EITI) entsprechen. Ziel von EITI, deren Vorstand am 21. und 22. Oktober in der Schweizer Hauptstadt Bern tagte, ist es, mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht über die Geschäfte und Einnahmen beim Abbau von natürlichen Rohstoffen wie…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Wer über die Schweiz spricht, denkt an Uhren, Schokolade oder Banken, selten aber an Gold. Doch die Schweiz ist der weltweit grösste Goldhändler.
Unternehmen und Menschenrechte: Schweiz muss mehr tun
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Im Bereich der sozialen und ethischen Verantwortung von Unternehmen seien die Europäische Union und die USA weiter fortgeschritten als die Schweiz, sagt John Ruggie, der ehemalige Sondergesandte der UNO für Unternehmen und Menschenrechte. Die von Ruggie erarbeiteten Richtlinien wurden im Juni 2011 vom Menschenrechtsrat einstimmig verabschiedet. Kürzlich sprach Ruggie in Genf zum Thema Menschenrechte und…
Ihr Abonnement konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Fast fertig... Wir müssen Ihre E-Mail-Adresse bestätigen. Um den Anmeldeprozess zu beenden, klicken Sie bitte den Link in der E-Mail an, die wir Ihnen geschickt haben.
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch