Shaqiri und Schweiz gönnen sich Duell mit Messi
Jubel und Erleichterung Ja, Euphorie Nein: So hat die Schweizer Presse die drei Tore Xherdan Shaqiris gegen Honduras aufgenommen. Das WM-Achtelfinale Schweiz-Argentinien von nächstem Dienstag mit dem Duell des Schweizer Goalgetters gegen Superstar Lionel Messi erfüllt die Kommentatoren mit riesiger Vorfreude.
3:0-Sieg im letzten und entscheidenden Gruppenspiel gegen Honduras, 3 Tore Xherdan Shaqiris: Es ist klar, dass dem kleinen Wirbelwind im Schweizer Angriff die Schlagzeilen und Kommentarspalten in den Schweizer MedienExterner Link gehören.
«Dreifacher Shaqiri lässt Schweiz jubeln», schreibt der Zürcher Oberländer, «Shaqiri schiesst die Schweiz ins Glück» Der Landbote aus Winterthur.
Minimalziel erreicht
Im Achtelfinal trifft die Schweiz am kommenden Dienstag in São Paulo auf Argentinien und seinen Superstar Lionel Messi. Der zweifache Weltmeister zählt in Brasilien zu den Mitfavoriten.
Der Vorstoss der Schweiz in die K.O.-Runde der besten 16 Teams hatte Nati-Trainer Ottmar Hitzfeld zum Minimalziel erklärt.
Ihre Qualifikationsgruppe schloss die Schweiz hinter Frankreich auf Platz 2 ab. Ausgeschieden sind Ecuador und Honduras.
Schafft die Schweiz die Sensation und siegt auch gegen Argentinien – Träumen erlaubtJ –, könnte der Gegner im Viertelfinal Deutschland heissen.
Letztmals stand die Schweiz an der WM 2006 in Deutschland im Achtelfinal. Dort aber war für das Team von Köbi Kuhn im Penaltyschiessen gegen die Ukraine Endstation.
An der letzten WM 2010 in Südafrika musste die Schweiz nach der Gruppenphase die Heimreise antreten.
«Shaqiri XXXL» und «Xherdan Shaqiri rettet die Schweiz», proklamieren L’Express und L’Impartial. «Vier Jahre nach seiner WM-Premiere, beim Scheitern gegen die Honduraner, heisst der Mann der Qualifikation Xherdan Shaqiri. XS, so sein Kürzel als Fussballer, lieferte gestern eine Leistung im XXXL-Format ab.» Mit dem Sieg gönne sich die Schweiz ein Treffen mit Lionel Messi, so die beiden Zeitungen.
«Dschungel-König»
Der Blick kürt ihn kurzerhand zum «Dschungel-König Shaq». «Xherdan Shaqiri ist unser Mann für die Sternstunden. Für die aussergewöhnlichen Momente. Und kommt hinter den Spitzen noch besser zur Entfaltung», schreibt die Boulevardzeitung. Jetzt folge die Kür gegen Argentinien, das von der individuellen Klasse her sogar die Nummer 1 sei. «Und seit der Gala von Shaqiri wissen wir: Wir haben unseren eigenen Messi!»
«Auch wir haben einen Messi»: Genau auf diese Analogie setzt auch die Aargauer Zeitung. «Endlich versprüht Shaqiri Leidenschaft und Willen. So wie beim FC Bayern jeweils. Und wenn im Ballbesitz, dann zögert er dieses Mal keine Sekunde, um Drang in Richtung Tor zu entwickeln. Was für ein Unterschied im Vergleich zu den Partien gegen Ecuador und Frankreich!»
Die Belohnung heisse nun Argentinien. «Es ist ein Duell David gegen Goliath. Etwas Reizvolleres, als an einer WM Messi, Higuain, Agüero, Di Maria und Co. zu fordern, gibt es kaum», so die Aargauer Zeitung.
«Wenn das Leben ein Dschungel ist, gilt das in Manaus noch viel mehr als anderswo», hebt die Tribune de Genève an. «Aber für Xherdan Shaqiri ist dieser Dschungel seit gestern Abend ein Märchenwald. In der klebrigen Feuchtigkeit dieser grossen Stadt mitten in Amazonien umdribbelte Shaqiri alle Schatten, die seit Beginn der WM über den Schweizer Auftritten hingen.»
«Shaqiri war ein Ereignis in diesem Match, ein Superman des Sturms», meldet der Tages-Anzeiger. Wo er auftauchte, wurde es gefährlich. Und er tauchte da und dort und überall auf.»
«Shaqiri weist den Weg», schreibt die Neue Luzerner Zeitung und frohlockt: «Jetzt geht die Party los».
Wieder auf der richtigen Position
«Shaqiri, Shaqiri, Shaqiri = Achtelfinal», rechnet die Basler Zeitung vor. Dort dürften die Eidgenossen am Dienstag befreit aufspielen – «Was für eine Riesenchance!»
«Shaqiri brilliert in der Lieblingsrolle», jubelt die Berner Zeitung. «Gestern erhielt der flinke Dribbler von Nationaltrainer Ottmar Hitzfeld – endlich – Auslauf auf seiner Lieblingsposition im Zentrum der offensiven Dreierreihe des 4-2-3-1-Systems. Dort hat der quirlige Shaqiri mehr Ballkontakte, dort steht er näher zum Tor, dort kann er seine Torgefährlichkeit und seine tolle Schusstechnik besser einsetzen.»
Für die Schweizer gehe das Turnier jetzt erst richtig los. «Wenn Xherdan Shaqiri weiter als Regisseur wirbeln darf, ist der Weg der Schweizer gegen Argentinien noch nicht zu Ende.»
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Das teuerste Schweizer Team aller Zeiten
Es gibt aber auch Stimmen, die im Augenblick des Erfolges um Nüchternheit und Sachlichkeit bemüht sind. «Vorgabe erfüllt – mehr nicht», so die Neue Zürcher Zeitung. «Die WM-Gruppenspiele haben einmal mehr gezeigt, dass die Schweizer nur reüssieren, wenn Zusammenhalt und Selbstvertrauen auf dem Boden der Demut stehen. Das war nicht immer der Fall.» Nun stehe ein Achtelfinal bevor, in dem die Schweizer mit einer guten Leistung beweisen könnten, dass sie an dieser WM mehr erfüllen können als die Vorgabe.
Ins gleiche Horn stösst auch Die Südostschweiz, die meldet: «Die Pflicht erfüllt, mehr nicht». Dass sich die Schweiz in der Gruppe E gegen Ecuador, Frankreich und Honduras behauptet habe, hätte erwartet werden können. «Kommt eine Zugabe dazu, wäre das sensationell.»
«Unschweizerische Attribute»
Etwas eigentümlich nimmt sich die Optik der Basler Zeitung aus, weil in deren Beurteilung auch nationalistische Untertöne mitschwingen. «Die neue Generation, die diese Mannschaft prägt, ist eine spezielle. Sie schneidet sich die Haare zum Irokesen-Look, sie tätowiert sich Arme und Beine. Sie ist bereit, die ganze Welt zu erobern». Jedem Fan ist klar, dass die Zeitung mit nationalkonservativer Ausrichtung damit primär die Spieler im Nati-Dress anspricht, die einen Migrationshintergrund haben.
«Aber sie hat auch einen Hang zur Überheblichkeit, oft fehlt ihr der realistische Blick aufs Ganze, die Demut. Das kommt nicht immer gut an – sowieso in einem Land, das mit nichts mehr Mühe hat als mit unschweizerischen Attributen.»
Bereits in die fussballerische Zukunft blickt Der Bund. «Ein Spiel also noch, vorerst einmal. Das ist schön für die Mannschaft, und doch ändert das nichts am Eindruck in diesen Tagen, dass sie eine Veränderung braucht. Der Start in zweieinhalb Monaten in die EM-Qualifikation bietet die Chance, Strukturen aufzubrechen, die sich unter Hitzfeld eingeschliffen und festgefahren haben.
Vladimir Petkovic (er folgt nach der WM auf den altershalber zurücktretenden Ottmar Hitzfeld, die Red.) sei das Gesicht der Zukunft. Und sein Debüt sei gleich gegen England, ohne sich vorher warmzulaufen. «Was da sein wird, was er plant, ist spannend. Spannend wie ein WM-Achtelfinal gegen Messi.»
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