«Wir sind das Davos der Uhrmacherkunst»
Ursprünglich das Schaufenster für den Luxus der Richemont-Gruppe, ist der internationale Uhrensalon (SIHH) in Genf seither beträchtlich gewachsen. Von zehn Ausstellern im Jahr 1990 auf heute bei 35. Der SIHH wirbt sogar seinem Konkurrenten Baselworld Marken ab. Direktorin Fabienne Lupo im Gespräch.
swissinfo.ch: Nach zwei schwierigen Jahren wuchs die Schweizer Uhrmacherei 2017 wieder. Spiegelt sich diese Verbesserung auch in der 28. Ausgabe des SIHH?
Fabienne Lupo: Mit einem Wachstum der Uhrenexporte um rund 3% im vergangenen Jahr stehen die Zeichen tatsächlich auf Erholung. Die Aussteller sind guter Laune, die Aussichten stimmen zuversichtlich. Auch wenn Vorsicht angebracht ist, weht am Salon ein optimistischer Wind.
swissinfo.ch: Welche Innovations-Trends zeichnen sich in der Uhrmacherei ab?
F.L.: Aussergewöhnliche Stücke, die den Erfolg der feinen Uhrmacherei ausmachen und die Handwerkskunst unterstreichen, fehlen am Salon nie. Wir beobachten aber auch eine Rückkehr zum Klassizismus und zur Einfachheit: Ausgestellt sind auch Modelle, die zu erschwinglicheren Preisen verkauft werden. Ein weiterer Trend ist die Neuinterpretation von ikonischen Stahlmodellen. Die feine Uhrmacherei ihrerseits ist mit einer Vintage-Welle konfrontiert, die bereits andere Luxussektoren erfasst hat.
Vom 15. bis am 19. Januar findet in Genf die 28. Ausgabe der internationalen Ausstellung für Feinuhrmacherei (SIHH) statt. Insgesamt sind in diesem Jahr 35 Uhrenfirmen vertreten, sechs mehr als im Vorjahr. Die Richemont Gruppe ist mit elf verschiedenen Marken nach wie vor am stärksten vertreten. Die SIHH und die Baselworld, die Ende März in Basel stattfindet und ein breiteres Spektrum an Akteuren der Branche vereint, gelten als die beiden grossen Luxusuhrenmessen der Schweiz.
swissinfo.ch: Bedeutet das, dass es die Uhrmacher in den letzten Jahren ein bisschen mit den Preisen übertrieben haben und dass sie nun zu etwas mehr Bescheidenheit zurückkehren?
F.L.: Nein, von Übertreibung kann nicht die Rede sein. Aber es stimmt, dass die in diesem Jahr vorgestellten Produkte in einer für die Branche schwierigeren Zeit entwickelt wurden. Deshalb handelt es sich um günstigere Modelle.
swissinfo.ch: Sehen Sie darin auch den Wunsch, jüngere Kunden und Kundinnen zu erreichen?
F.L.: Ja, ganz klar. Einige Studien zeigen, dass 50% der Kunden aus der Luxusindustrie jünger als 30 Jahre sind. Wir müssen uns auf diese neue Generation konzentrieren, direkt mit ihr sprechen und sie mit ihren eigenen Kommunikationsmitteln erreichen.
swissinfo.ch: Zum zweiten Mal in Folge ist Ihre Ausstellung öffentlich zugänglich. Eine unvermeidliche Entwicklung?
F.L.: Ja, Uhrenfirmen brauchen den direkten Kontakt mit ihren Kunden. Für die Firmen ist das der beste Weg, ihr Know-how und ihre Marke zu kommunizieren. Die erste öffentliche Veranstaltung in der Geschichte des SIHH im vergangenen Jahr war mit über 2500 Besuchern ein grosser Erfolg. Dieses Jahr rechnen wir mit einem noch grösseren Ansturm.
swissinfo.ch: Die grossen Luxus-Marken verkaufen ihre Modelle immer öfters auch übers Internet. Macht ein Salon wie Ihrer in Genf überhaupt noch Sinn?
F.L.: Mehr denn je! Ich kenne niemanden, der eine Luxusuhr kauft, ohne sie gesehen und anprobiert zu haben. Zudem bleiben wir Menschen: Wir brauchen den Austausch und die Begegnung. Der SIHH ist eine Gelegenheit für den gesamten Berufsstand, sich einmal im Jahr an einem Ort zu treffen. Es ist so etwas wie das Davos der Uhrmacherei.
swissinfo.ch: Viele Uhrenmarken und Subunternehmen haben die Baselworld fallen gelassen. Profitiert der SIHH von den Schwierigkeiten der grössten Uhrenmesse der Welt?
F.L.: Ich glaube nicht. Unsere Ausstellung gibt es seit 28 Jahren und wir bleiben unserer Politik treu. Wir konzentrieren uns auf das Segment der Luxusuhren und setzen auf Qualität statt Quantität, unabhängig von den Ereignissen, welche die Baselworld betreffen.
swissinfo.ch: Im Gegensatz zur Baselworld expandiert der SIHH ständig. Sie sind dabei, das grosse Basler Ereignis in den Schatten zu stellen.
F.L.: Wir haben nicht den Anspruch irgendjemandem Schatten zu machen. Wir gehen unseren Weg auf seriöse und professionelle Art und Weise und wir wachsen massvoll und kontrolliert. Viele Luxus-Uhrmacher teilen unsere Werte. Das ist der Grund, weshalb sie sich uns anschliessen.
swissinfo.ch: Aber gibt es wirklich genug Platz für zwei grosse Uhrenmessen in der Schweiz?
F.L.: Das ist eine gute Frage. Wir konzentrieren uns auf das Spezialsegment der Luxus-Uhrmacherei, während die Baselworld potenziell alle Akteure der Branche zusammenbringt. Aber klar wäre es sinnvoll, nur ein Treffen für die Akteure der feinen Uhrmacherkunst in der Schweiz zu haben.
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(Übertragung aus dem Französischen: Kathrin Ammann)
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