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Wie kommen die Schweizer wieder auf die Ski?

Skischülerin mit Skilehrer auf einer Piste im Unterricht
Niemand zu alt, um Skifahren zu lernen! Zsófia Bendig ist das beste Beispiel dafür (siehe das Video). swissinfo.ch

Die Schweiz hat sich immer als eine Nation von Skifahrerinnen und Skifahrern verstanden. Davon zeugen die Erfolge von Beat Feuz, Lara Gut, Pirmin Zurbriggen oder Bernhard Russi im Weltcup. Aber es gibt im Alpenland auch Menschen, die mit der weissen Pracht nichts am Hut haben. Sie verbringen die Winterferien lieber am Strand als in einer weissen Ski-Arena.

Schweizer verlernen das Skifahren. Zwischen den Wintern 2008/9 und 2017/18 ist die Anzahl jener Tage, an denen Schweizerinnen und Schweizer auf den Skis standen, um 23% gesunken, also um fast einen Viertel. Dies zeigt ein Bericht von Schweiz Tourismus aus dem letzten Jahr.

Dies entspricht einem allgemeinen Trend. Der Schweizer Tourismusforscher Laurent Vanat, der einen jährlichen Bericht über den Schnee- und Bergtourismus publiziert, schreibt: «Der globale westliche Wintersportmarkt verflacht sich. Das zeigt sich jedoch nicht in der Zahl der weltweit aktiven Skifahrer, denn diese wächst aufgrund von wachsenden Märkten wie China».

Grafik Entwicklung der Gäste-Zahlen in den Skigebieten
Kai Reusser / swissinfo.ch

Im aktuellen Bericht der Seilbahnen Schweiz, dem Verband der Bergbahnbetreiber, heisst es, dass rund zwei Drittel der Skifahrer auf Schweizer Pisten Einheimische sind. Dies sind vor allem jüngere Menschen bis 30 Jahre sowie die Babyboomer ab 50. Die 30- bis 50-Jährigen werden immer mehr zu Skimuffeln. 

In einer Studie, in der Daten aus den Jahren 2013 bis 2017 erfasst sind, wurden insgesamt 7000 Personen befragt. In diesen fünf Jahren sank die Zahl der Skifahrer in dieser Altersgruppe um 6%.

Für die Wintersportdestinationen in den Bergen ist das ein grosses Problem. Laut dem Verband der Bergbahnen wird dort jeder fünfte Franken durch den Tourismus generiert; jede vierte Person ist direkt oder indirekt in der Tourismus-Branche tätig.

Teures Vergnügen

Aber warum diese abnehmende Ski-Begeisterung bei den 30- bis 50-Jährigen, also jenen, die noch voll im Saft sind, wie der Volksmund sagt? Ein Grund dafür ist die Globalisierung. Aufgrund der reduzierten Reisekosten können die Menschen im Winter genauso einfach an einen Strand fliegen oder New York besuchen, statt sich auf einer Skipiste in den kalten Bergen zu tummeln. Ein einwöchiger Aufenthalt an einem Sonnenstrand ist oft günstiger als ein Familien-Skiurlaub.

Nach Angaben von Seilbahnen Schweiz kostete eine Tageskarte für Erwachsene in der Saison 2017/18 durchschnittlich 61.36 Schweizer Franken. Das ist über ein Fünftel mehr als in der Saison 2004/05, als die Ticketpreise für 39 Schweizer Skigebiete erstmals verglichen wurden. Ein Bericht des Bundesamtes für Sport (Baspo) zeigt, dass Besserverdienende viel häufiger Ski fahren. 

Wer vom Ski-Virus gepackt ist, aber nicht so ein dickes Portemonnaie hat, merkt rasch, dass der starke Schweizer Franken in den benachbarten Alpenländern wie Österreich, Frankreich oder Italien viel ergiebiger ist. 

Betrachtet man die Zahlen von St. Anton am Arlberg in Österreich, so ist der Trend eindeutig: Im Winter 1999/2000 buchten Schweizer Touristen bei der dortigen Konkurrenz knapp 20’200 Übernachtungen. Im Winter 2014/2015 waren es fast 43’000 Übernachtungen. Das entspricht einem Anstieg von satten 112,7%.

Saas-Fee weist den Weg

Die Schweizer Skigebiete sind sich der Notwendigkeit bewusst, die Kosten zu senken. Ihre Strategie im Kampf um die Schweizer Gäste: markant billigerer Skipässe. Saas-Fee in den Walliser Bergen startete vor zwei Jahren mit dem Saison-Abonnement für 222 Franken – eine Schnapszahl, die damals für riesigen Wirbel sorgte.

Bedingung: Wenn sich 77’777 Personen bis zu einem bestimmten Datum für die «Wintercard» anmeldeten, konnte jeder Teilnehmer die Karte für 222 Franken beziehen. Das Angebot wurde zum Hit und wurde in dieser Saison wiederholt. Nach einem Anstieg der Übernachtungen in der Wintersaison 2016/17 um 17,7% erwartet das Saastal für 2018/19 einen weiteren Anstieg von mindestens 10%.

Tagespreise je nach Andrang

Auch viele andere Skigebiete bieten ermässigte Saisonpässe an. Ein solches Angebot ist z.B. der Magic Pass in der Westschweiz für 399 Franken. Er berechtigt zum Skifahren in 30 verschiedenen Destinationen. Oder der Top4-Pass für 666 Franken. Damit können Skifahrer im Berner Oberland die Pisten in Adelboden-Lenk, Gstaad, Jungfrau und Haslital «unsicher machen».

Im zentralschweizerischen Ferienort Andermatt unterhalb des Gotthardpasses kostet eine Tageskarte gar nur zehn Franken, allerdings nur an Tagen mit geringen Besucherzahlen. 

Skifahren lernen in drei Tagen

Trotz des gerne bedienten Klischees, dass die Schweizerinnen und Schweizer auf Skiern geboren werden, hatten im Alpenland viele noch nie die Möglichkeit, auf den Brettern zu stehen. Und viele fühlen sich ab 30 Jahren zu alt, um noch Ski fahren zu lernen.

Der Schweizerische Skiverband Swiss Ski will dieser Entwicklung mit neuen Angeboten entgegenwirken. Etwa mit dem Rundum-Service «First Ski Experience»: Der Skilehrer holt seinen Gast im Hotel ab, hilft ihm beim Mieten der Ausrüstung im Skiverleih und gibt ihm eine einstündige Lektion. 15 Destinationen bieten ein solches Einsteigerpaket an.

Auch die Skischulen bieten solche oder ähnliche Pakete an. Ein solches verspricht etwa, dass absolute Anfängerinnen und Anfänger innert dreier Tage Skifahren lernen. Nach drei Vormittagsstunden garantieren sie den jungen Skifahrern, dass sie auf den Brettern bereits eine blaue Piste meistern können.

swissinfo.ch machte die Probe aufs Exempel und begleitete mit der Kamera eine 40-jährige Frau, die sich der Herausforderung in Villars-sur-Ollon (Kanton Waadt) stellte.

Kostentreiber Modernisierung der Infrastruktur

Ein weiterer Schlüssel zur Schaffung attraktiverer Bedingungen für Skifahrer sind modernste Infrastrukturen. Ein Arsenal von Schneekanonen ist heute unverzichtbar. Mit ihrer Produktion von Kunstschnee garantieren die Schneemaschinen, dass die Besucher auch dann Ski fahren können, wenn es längere Zeit nicht schneit. Die grössten Skigebiete investieren erhebliche Summen in neue Infrastruktur.

Andermatt im Kanton Uri zum Beispiel verfügt über rund 200 solcher Hightech-Beschneiungsanlagen. Damit können 550’000 Quadratmeter Skipisten mit Kunstschnee belegt werden.

Tourismusforscherin Therese Lehmann Friedli von der Universität Bern sagt, dass Wintersport im Moment noch mehr Einkommen generiert als Sommersport (80:20). Die zwangsläufigen Investitionen seien aber beträchtlich: Ein Kilometer Skipiste kostet laut Expertin rund eine Million Franken.

Die Schweizer Bergbahnen listeten die täglichen Kosten für 2017 in einem grossen Wintersportort wie folgt auf:

● Kunstschnee: 43’000 Franken
● Pistenpräparierung: 41’000.-
● Betriebskosten für Bahnen: 120’000.-.
● Sicherheit: 16’000.-

Auch in Zukunft wird es schneereiche Winter geben. Aber aufgrund des Klimawandels gehen Experten davon aus, dass diese seltener werden. Die Schweizerischen Bergbahnen sind überzeugt, dass Kunstschnee das Überlebens-Elixier des Wintertourismus ist.

Balance Skifahren/Arbeiten

Die Touristiker müssen auch Veränderungen in den heutigen Lebens- und Arbeitsweisen der Menschen berücksichtigen. Ein zunehmender Teil der Berufstätigen arbeitet heute zu Hause oder als Freiberufler ohne festen Arbeitsplatz. Viele von ihnen gehören zur Kategorie der 30- bis 50-Jährigen, also genau jener Gruppe, welche die Schneesportindustrie unbedingt wieder auf die Skier bringen will.

In Graubünden kommen Wintersportregionen solch unabhängigen Berufsleuten entgegen. Mit High-Tech-Arbeitsplätzen, Co-Working Spaces genannt, mitten im Herzen der Ski- und Snowboardregion. So kann diese Gruppe den Spass auf der Piste zeitsparend mit der Arbeit kombinieren.

Flims/Laax verfolgt einen ähnlichen Ansatz, fokussiert aber in erster Linie auf kinderlose Stadtmenschen. Die für diese Kategorie auf über 2200 Metern Höhe gebaute urbane Bridge-Anlage ist seit der Saison 2017/2018 geöffnet.

Man sitting t desk in office on top of mountain in Laax
Dani AMMANN www.daniammann.com

Obersaxen, ebenfalls in den Bündner Bergen gelegen, zielt wiederum auf Familien ab. Für diese Kategorie liegen gute Erreichbarkeit, günstige Preise, Hotels nahe den Pisten, Skiverleih in der Nähe der Unterkunft sowie Angebote zur Kinderbetreuung im Vordergrund. Aktuell erfüllen 21 Schweizer Resorts die Kriterien, um sich als familienfreundliche Skidestination zu positionieren.

Kostenloses Skifahren für Kinder

Der Ansatz dabei: bringt man die Kinder auf dieSkis, werden sie auch als Erwachsene Ski fahren. Teil dieser Strategie ist es auch, dass Kinder gratis Ski fahren können. In einer neuen Kampagne verschenkt der Schweizer Tourismusvermarkter MySwitzerland 12’770 Skipässe für Kinder in 44 Skigebieten. Die 6-Tages-Pässe sind bis zum Ende der Skisaison 2019 erhältlich.

Die Cleven-Stiftung, die unter der Schirmherrschaft des ehemaligen Abfahrts-Olympiasiegers und -Weltmeisters Bernhard Russi firmiert, bietet Ähnliches an: vier Gratis-Nachmittage für Kinder bis 12 Jahre, und das in acht Schweizer Ferienorten. 

Skilager-Tradition retten

Es ist altbekannt: Für Kinder aus Familien, in denen der Wintersport nicht Tradition ist oder auch schlicht zu teuer, sind Skipisten unbekanntes Terrain. Schulskilager – für Generationen von Kindern obligatorische Stationen im Schuljahr – schaffen die Grundlage, damit Kinder den Wintersport entdecken können. Deshalb werden die Lager auch gefördert.

2014 hat der Bund die «Schneesport-Initiative» ins Leben gerufen. Es ist dies ein Gemeinschaftsprojekt von Schneesportverbänden und Wintersport-Kantonen. Die Leitung hat Tanja Frieden, Snowboard-Olympiasiegerin 2006. Lehrerinnen und Lehrer können auf der Online-Plattform GoSnow die günstigsten Angebote finden und Skilager schnell und einfach buchen.

Auch dank dieser Initiative steigt die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die an offiziell anerkannten Schneesportlagern teilnehmen, seit 2011 wieder an. Im Jahr 2017 besuchten laut Angaben der Sportbehörde des Bundes über 105’000 Kinder mehr als 2300 offizielle Wintersportlager.

Die Zukunft

Aber trotz all dieser Bemühungen werden auf längere Sicht weniger Menschen ihre Ferien in den Bergen verbringen. Davon geht Tourismus-Forscherin Therese Lehmann Friedli aus. «Es geht also darum, wie sich alpine Regionen in Zukunft entwickeln und wie sie auch unabhängiger vom Tourismus werden können.» 

Das Rezept der Expertin: Die Orte sollten sich mehr als Lebensräume und weniger als Tourismusregionen entwickeln. Der Preis dafür: Sie sollten Abschied nehmen von ihrer Orientierung am Wachstum.

Das ist aber noch Zukunftsmusik. Vorderhand kämpfen die Orte praktisch noch um jedes Kind und jede Skifahrerin. Dies zumindest noch in jenen Destinationen und Regionen, die den Schneesport profitabel betreiben können. 

Übertragung aus dem Englischen: Renat Kuenzi

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