SNB-Präsident: «Fehler, aber kein Regelverstoss»
Hat der Nationalbankpräsident unzulässige private Geschäfte getätigt oder nicht? Die Frage ist auch nach der öffentlichen Stellungnahme Philipp Hildebrands vor den Medien nicht vom Tisch. Im Zentrum steht dabei auch ein umstrittenes Reglement der SNB.
Dieses Reglement über «Eigengeschäfte der Mitglieder des Direktoriums», das die Nationalbank erst am Mittwoch nach starkem öffentlichen Druck publiziert hat, entspreche den europäischen Standards, betonte Hildebrand an der Medienkonferenz in Zürich. Es brauche angesichts der schwierigen Lage der Finanzmärkte aber mehr Transparenz. «Dafür werde ich mich einsetzen», sagte er.
Einige Finanzrechtsexperten qualifizieren das Reglement sogar als unzureichend. «Es entspricht zwar in vielen Punkten nicht der Praxis, die man heute verfolgt», sagt auch Professorin Monika Roth, Studienleiterin am Institut für Finanzdienstleistungen an der Hochschule Luzern dazu, aber zumindest in Bezug auf eine der umstrittenen Transaktionen des SNB-Präsidenten sei es klar.
Gemeint ist das Anlagegeschäft, das Philipp Hildebrand im März 2011 bei der Bank Sarasin abgewickelt hatte. Der SNB-Präsident kaufte damals 1,1 Million Dollar mit einem Teil des Erlöses von 3,3 Mio. Franken aus dem Verkauf eines Ferienhauses in Gstaad. Im Oktober des gleichen Jahres verkaufte die Familie dann wieder 475’000 Dollar für den Kauf einer Ferienwohnung in Graubünden. Ein Währungskurs-Gewinn habe dabei nicht herausgeschaut, sagte Philipp Hildebrand.
Spekulation…
Monika Roth beurteilt das anders: «Das ist eine reine Anlage mit dem Ziel, Gewinn zu erzielen», sagt die Finanzrechts-Expertin gegenüber swissinfo.ch. Das erwähnte SNB-Reglement hält zur Frage von An- und Verkäufen von Devisen und fremden Noten fest, dass solche für private Reisen und den persönlichen Erwerb von Nichtfinanzvermögen keinen Einschränkungen unterliegt.
Beim erwähnten Geschäft mit der Million Dollar handle es sich aber klar um den Erwerb von Finanzvermögen, sagt Monika Roth. «Wenn ein Direktionsmitglied Vermögen in Fremdwährungen anlegt, ist das meiner Meinung nach bewilligungspflichtig.»
Tatsächlich hält das SNB-Reglement fest, dass Ausnahmen von den vorliegenden Beschränkungen der Bewilligung des Bankrats-Präsidenten bedürfen und begründet sein müssen.
«Wie kann ein Mitglied des SNB-Direktoriums begründen, dass es die Hälfte seines Finanzvermögens in Dollar halten muss?», fragt sich Monika Roth.
Philipp Hildebrand hat es an der Pressekonferenz vom Donnerstagnachmittag versucht: «Ich habe mich zu jedem Zeitpunkt nicht nur reglementskonform, sondern auch korrekt verhalten und meine Handlungen vor den zuständigen Gremien vollständig offen gelegt», sagte der Nationalbankpräsident.
…oder langfristige Vermögensanlage?
Die erwähnte Transaktion rechtfertigte Hildebrand mit der amerikanisch-schweizerischen Doppelbürgerschaft seiner Frau Kashya. «Es ging uns nicht um kurzfristige Vermögensspekulation, sondern darum, das Familienvermögen langfristig auf verschiedene Währungen aufzuteilen.»
Trotzdem würde er die Transaktionen heute nicht mehr tätigen, sagte er an Pressekonferenz. «Ich habe Fehler gemacht, was ich bedauere».
Ob der SNB-Präsident mit dieser Begründung die öffentliche Meinung hinter sich hat, zeigt sich in den nächsten Tagen nicht nur in den Medienkommentaren, sondern auch im Bundeshaus. Bereits nächsten Montag muss Philipp Hildebrand gemeinsam mit Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf und SNB-Bankratspräsident Hansueli Raggenbass bei der nationalrätlichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) Red und Antwort stehen.
«Mehr Transparenz ist unerlässlich»
Zu reden geben wird dort auch das Reglement, das laut Experten noch in weiteren Punkten verbesserungsbedürftig ist.
Zum Beispiel die Bestimmung, dass Devisengeschäfte von Direktionsmitgliedern der SNB durch unabhängige Dritte verwaltet werden müssen, kritisiert Monika Roth. «Ein solches Vermögensverwaltungsmandat müsste von der Compliance-Stelle der SNB (dem Leiter des Rechtsdienst; N.d.R.) kontrolliert werden können.»
Sonst, sagt die Finanzexpertin, seien Spekulationen eben nicht auszuschliessen. Bei solchen Mandaten könne man über Anlageziele und –vehikel mitbestimmen und dem Vermögensverwalter durchaus auch einen einzelnen Auftrag geben, zum Beispiel Dollar zu kaufen. «Hier müsste eine Kontrollinstanz in der SNB überprüfen können, wie ein solches Mandat aussieht und gehandhabt wird.»
Bei ähnlichen Instituten wie zum Beispiel der Finanzmarktaufsicht Finma existierten detaillierte Verhaltenskodizes, die auch öffentlich seien.
Den Mitarbeitern des Internationalen Währungsfonds wird sogar explizit untersagt, kurzfristige Handelsgeschäfte, die den Kauf und Verkauf von Gold, Fremdwährungen oder verwandten Finanzinstrumenten involvierten, zu spekulativen Zwecken zu tätigen.
«Reglement wird überprüft»
Dass die Transparenz über private Finanzgeschäfte verbessert werden muss, sehen auch die SNB-Verantwortlichen ein. Als konkrete Massnahme schlägt Philipp Hildebrand gleich selbst vor, dass die Mitglieder des erweiterten SNB-Direktoriums verpflichtet werden sollen, Finanztransaktionen über 20’000 Franken von der internen wie externen Revision auf Zulässigkeit prüfen zu lassen.
Externe Revisoren sollen zudem jederzeit volle Einsicht in sämtliche Finanzunterlagen des Nationalbank-Direktoriums haben können.
Und Bankrats-Präsident Hansueli Raggenbass versprach an der Pressekonferenz eine Überprüfung des Reglements, obwohl dieses «von den Richtlinien der Europäischen Zentralbank abgeleitet ist, also heutigen Standards entspricht».
In der Affäre Hildebrand hat SNB-Bankratspräsident Hansueli Raggenbass an der Medienkonferenz von Donnerstag in Zürich offengelegt, wie geheime Bankunterlagen von SNB-Präsident Philipp Hildebrand an den Bundesrat gelangt sind.
Ein mittlerweile entlassener IT-Mitarbeiter der Bank Sarasin habe die Unterlagen an den Weinfelder Anwalt Hermann Lei weitergegeben.
Dieser habe dann ein Treffen mit Christoph Blocher organisiert. Der Vizepräsident der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei ist seit langer Zeit vehementer Kritiker Hildebrands.
Blocher sei mit den Vorwürfen zu Bundespräsident Micheline Calmy-Rey gegangen, so Raggenbass weiter. Diese habe dann zusammen mit Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf Philipp Hildebrand am 15. Dezember mit den Vorwürfen konfrontiert.
Sie hätten ihn gefragt, ob er im Zusammenhang mit der Einführung des Euro-Mindestkurses am 6. September unzulässige persönliche Vermögensvorteile erlangt habe.
Dazu sagte Hildebrand vor den Medien: «Ich habe unverzüglich eine Untersuchung meiner persönlichen Vermögensverhältnisse erbeten und angeboten, sie offenzulegen.»
Zu seinem langen Schweigen sagte Hildebrand: «Wir haben auch deshalb mit der Kommunikation so lange gewartet, weil wir auch nicht viel wussten.» Man habe eine Salamitaktik bei der Information vermeiden wollen.
«Wir wollten warten, bis wir die Geschichte aus allen Blickwinkeln kannten. Ob wir sie heute allerdings in vollem Umfang kennen, ist schwierig zu beurteilen.»
Die Schweizerische Nationalbank hat das bisher der Öffentlichkeit nicht zugängliche Reglement über Eigengeschäfte der Mitglieder des SNB-Direktoriums veröffentlicht.
Gemäss diesem dürfen Direktoriumsmitglieder der SNB keine Eigengeschäfte tätigen, die «nicht öffentlich bekannte Informationen ausnutzen». Nicht erlaubt sind insbesondere Eigengeschäfte, die geld-und währungspolitische Absichten der SNB ausnutzen.
Unzulässig sind auch «das vorzeitige und gleichzeitige Tätigen von Eigengeschäften in Kenntnis von geplanten oder beschlossenen Transaktionen der SNB». Konkret dürften Direktoriumsmitglieder also keine Devisengeschäfte tätigen, wenn sie wie im vergangenen Sommer währungspolitische Massnahmen ins Auge gefasst hat.
Die Richtlinien sind seit dem 1. Mai 2010 in Kraft.
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