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So steht es um die Schweizer Wirtschaft im zweiten Quartal

Chinesische Feriengäste filmen auf einem Schiff
Trotz des Aufschwungs in der Tourismusbranche ist nicht damit zu rechnen, dass die chinesischen Gäste in diesem Sommer in Scharen nach Luzern und in die Schweiz zurückkehren werden. Keystone / Christof Schuerpf

Ein schwächelndes BIP, ein aufblühender Tourismus und eine starke Uhrenindustrie prägten das zweite Quartal 2023 in der Schweizer Wirtschaft. Wir werfen einen näheren Blick auf einzelne Sektoren.

1. Das Wachstum stockt, die Inflation hält an

Mitte Juni bestätigte das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) seine Prognose vom März: Die Expert:innen des Bundes erwarten, dass das Schweizer Bruttoinlandprodukt (BIP) im Jahr 2023 um 0,8% wachsen wird, mit einer Beschleunigung auf 1,8% im kommenden Jahr. Im Vergleich dazu betrug das BIP-Wachstum 2022 in der Schweiz 2,1%.

Das Wachstum gründet auf der erhöhten Binnennachfrage und dem Anstieg der Industrieexporte. Für die zweite Jahreshälfte prognostiziert das Seco jedoch eine leichte Verlangsamung der Schweizer Wirtschaft.

Grund hierfür ist vor allem die restriktive Geldpolitik der europäischen und nordamerikanischen Zentralbanken, die voraussichtlich die Nachfrage weltweit dämpfen wird.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat ihre Inflationsprognosen für das laufende Jahr von 2,6 auf 2,2% gesenkt. Diese verhältnismässig optimistische Einschätzung ist auf die gesunkenen Öl- und Gaspreise zurückzuführen, die durch den Ukraine-Krieg angestiegen waren, sowie auf die Aufwertung des Frankens gegenüber dem Dollar und dem Euro. Dies senkte die Kosten für importierte Waren.

Trotz dieser Entwicklung hat die SNB ihren Leitzins am 22. Juni um 25 Basispunkte auf 1,75% angehoben, da der mittelfristige Inflationsdruck in letzter Zeit zugenommen hat. Die SNB betont ihre Bemühungen zur Dämpfung der Teuerung und schliesst weitere Zinserhöhungen nicht aus.

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2. Die Tourismusbranche erwartet einen sonnigen Sommer

Die Vertreter:innen der Schweizer Tourismusbranche blicken mit grosser Zuversicht auf den Sommer. Laut einer Umfrage von Schweiz TourismusExterner Link prognostizieren die Hoteliers einen erheblich höheren Umsatz als im Vorjahr und rechnen mit einem Anstieg der Übernachtungen um 27%.

Diese positive Stimmung ist in den Bergregionen spürbar, aber auch in den Städten, die während der Pandemie oft wie ausgestorben wirkten.

Die Erholung wird vor allem der Zunahme von Gästen aus Ländern ausserhalb Europas (+21%) zu verdanken, die nicht mehr den Reisebeschränkungen der Covid-19-Pandemie ausgesetzt sind.

Dennoch ist festzuhalten, dass im Vergleich zum Rekordsommer 2019 noch keine vollständige Rückkehr zur Normalität zu beobachten ist.

Besonders Reisende aus China lassen weiterhin auf sich warten. «Von Januar bis April lagen die Hotelübernachtungen von Gästen aus China immer noch fast 70% unter dem Niveau von 2019», sagt Liên Burkard, Sprecherin von Schweiz Tourismus.

«Eine grosse Rückkehr chinesischer Tourist:innen in diesem Sommer erwarten wir nicht. Stattdessen werden sporadische Einzelreisende oder kleine Gruppen in den nächsten Wochen ihre Ferien in der Schweiz verbringen.»

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3. Die Pharmaindustrie lässt ihre Muskeln spielen

Die Pharmaindustrie setzt derzeit Akzente. Obwohl Roche im ersten Quartal einen Umsatzrückgang von 3% verzeichnete, bedingt durch den starken Nachfrageeinbruch nach Covid-19-Produkten, konnte das starke Wachstum der Bereiche Pharma und Diagnostik die Verluste ausgleichen.

Die Zulassung eines experimentellen Medikaments gegen aggressiven Blutkrebs durch die US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel FDA sorgt für Optimismus, obwohl Roche mit zunehmender Konkurrenz von Generikaherstellern konfrontiert ist.

Im Gegensatz dazu verzeichnete der Basler Konkurrent Novartis im ersten Quartal einen Umsatzanstieg von 8%. Zudem verkündete Novartis positive Ergebnisse aus klinischen Studien für ein wichtiges Brustkrebsmedikament sowie die Übernahme eines US-amerikanischen Biotechnologieunternehmens, das sich auf die Entwicklung von Medikamenten gegen fortgeschrittene Nierenerkrankungen spezialisiert hat.

Mit diesem Schritt will der Konzern seine starke Position im Bereich Innovation festigen, speziell im Kontext der Abspaltung seiner Generika-Sparte Sandoz.

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4. Ein grosser Börsengang in China und eine Fusion von Parfümriesen

Der lang ersehnte Börsengang des Schweizer Saatgutriesen Syngenta wurde im Mai vom Verwaltungsrat Börse Shanghai genehmigt.

Mit einem Volumen von 9 Milliarden US-Dollar (entspricht 8,05 Milliarden Schweizer Franken) wäre es wohl der grösste weltweit in diesem Jahr und zudem die viertgrösste Börsenkotierung, die jemals in China stattgefunden hat.

Angesichts der anhaltenden geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China stellen sich zahlreiche Banken die Frage, ob sie sich beteiligen sollten.

China beschäftigt derzeit auch die Führungskräfte von DSM-Firmenich, dem schweizerisch-niederländischen Unternehmen für Ernährung und Schönheitsprodukte, das im Mai fusionierte.

Die niedrigen Vitaminpreise belasten das Unternehmen, das für das zweite Quartal 2023 einen bereinigten Gewinn von 400 bis 420 Millionen Euro (391-411 Millionen Schweizer Franken) erwartet, verglichen mit 582 Millionen Euro im zweiten Quartal 2022.

Um die Kosten zu senken, plant DSM-Firmenich die Schliessung einer Vitaminfabrik in China – dies wäre die zweite dortige Fabrik, die in diesem Jahr geschlossen wird.

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5. Die Uhrenbranche schwimmt weiterhin auf einer Erfolgswelle

In den ersten fünf Monaten dieses Jahres konnten die Schweizer Uhrenhersteller Zeitmesser für 10 Milliarden Franken ins Ausland exportieren. Das entspricht einem Anstieg von 11,3 Prozent gegenüber der Vergleichsperiode von 2022.

Dies gab der Verband der Uhrenindustrie (FH) Ende Juni bekannt. Diese Ergebnisse übertrafen die Erwartungen der Analyst:innen. Die Bank Vontobel hatte für dieses Jahr ein Wachstum zwischen 1 und 3% prognostiziert.

«Derzeit hält sich der grösste Exportmarkt, die USA, besser als erwartet. Vor allem aufgrund der anhaltenden Nachfrage nach Luxuszeitmessern. China hingegen kehrt nach dem Ende der pandemiebedingten Schliessungen auf den Wachstumspfad zurück. Das ist eine erfreuliche Entwicklung», sagt Oliver Müller, Gründer der Agentur Luxeconsult.

Dennoch erwartet Müller, dass das Wachstum in den USA in der zweiten Jahreshälfte abflauen wird. «Dies wird die Schweizer Uhrenindustrie jedoch nicht daran hindern, auf ein neues Rekordjahr zuzusteuern.»

Der Experte erwähnt auch das deutliche Wachstum (+15%) bei den exportierten Stückzahlen seit Jahresbeginn. Dies zeigt, dass Zeitmesser im unteren Preissegment (für weniger als 500 Franken pro Stück) für die Konsument:innen wieder attraktiver werden, nachdem die Nachfrage in den letzten zwei Jahrzehnten stetig abgenommen hatte.

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6. Der Finanzsektor unter dem Schock des Credit-Suisse-Debakels

Seit März beherrschen die Auswirkungen der Zwangsübernahme der Credit Suisse durch ihre Konkurrentin UBS die Nachrichten über den Schweizer Finanzplatz. Die Notrettung wird nun von einer parlamentarischen Untersuchungskommission und Bundesanwält:innen untersucht.

Zusätzlich verklagen etwa 2500 Inhaber:innen von Credit-Suisse-Anleihen die Finanzaufsicht, weil sie eine spezielle Art von Anleihen (AT1) für ungültig erklärt hatte, die dazu gedacht war, angeschlagenen Banken zu helfen, einen Bankrott zu vermeiden.

In der Debatte geht es auch um die «too big to fail»-Regulierung, die einen Zusammenbruch wie den der Credit Suisse verhindern sollte. Selbst die SNB ist der Ansicht, dass diese Regelungen als unzureichend sind.

Insgesamt verzeichneten die Schweizer Privatbanken laut der Beratungsfirma KPMG im letzten Jahr einen Rückgang der verwalteten Vermögen um 11%. Die Höhe der neu eingezahlten Gelder sank deutlich im Vergleich zu 2021.

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Editiert von Virginie Mangin, Übertragung aus dem Französischen: Christoph Kummer

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