Debatte um Sparmassnahmen zulasten bedürftiger Rentner
Das Schweizer Parlament ringt um Kürzungen bei Beiträgen für die Ärmsten. Die öffentlichen Ausgaben für sogenannte Ergänzungsleistungen (EL) zugunsten von Menschen, die mit ihrer Rente nicht über die Runde kommen, haben sich seit 2000 verdoppelt. Weil die grosse Parlamentskammer die Ausgaben stärker drosseln will als die kleine, geht die Debatte um eine EL-Reform in eine weitere Runde. Worum geht es?
Fast fünf Milliarden Franken sogenannte Ergänzungsleistungen zahlte die öffentliche Hand im letzten Jahr. Dieses Geld erhielten rund 320’000 Rentnerinnen und Rentner.
Welchen Zweck haben Ergänzungsleistungen?
Die Renten der Alters- und Invalidenversicherung (AHV/IV) sollen gemäss Bundesverfassung das Existenzminimum decken. Weil dies mit den Renten (minimal 1175, maximal 2350 Franken) in vielen Fällen nicht mehr ausreicht, wurden die ErgänzungsleistungenExterner Link (EL) geschaffen.
Wer erhält EL?
2017 erhielten 322’800 Personen EL. Um EL zu beziehen, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. EL beantragen können nur Personen, die eine Rente (AHV oder IV) beziehen und in der Schweiz ihren Wohnsitz haben. Ob jemand bedürftig ist, muss individuell abgeklärt werden.
Wie viel gibt es?
Wie viel EL ausbezahlt wird, muss ebenfalls individuell abgeklärt werden. Dabei werden die Einnahmen (Renten und Vermögensverzehr) mit den anerkannten Ausgaben (Miete bzw. Tagestaxen in Heimen, Krankheits-, Behindertenkosten) verglichen. Anrechenbar sind bisher nur Jahres-Mieten in der Höhe von maximal 13’200 (Alleinstehende) und 15’000 Franken (Ehepaare). Diese Beiträge wurden seit dem Jahr 2000 nicht mehr erhöht, obwohl die Mieten vor allem in Städten stark anstiegen.
Wenn die anerkannten Ausgaben höher als die anrechenbaren Einnahmen sind, wird in der Regel eine jährliche EL in der Höhe des Differenzbetrages ausgerichtet.
Wer bezahlt dafür?
Die Leistungen werden zu 100% von der öffentlichen Hand (Bund und Kantone) finanziert. Zwischen 2000 und 2015 haben sich die Ausgaben für EL mehr als verdoppelt. Inzwischen sind sie auf rund 5 Milliarden Franken pro Jahr gestiegen. 2033 sollen es 7,9 Milliarden sein.
Nur für Bedürftige?
Weil die Kosten für die EL vor allem als Folge der demografischen Entwicklung (immer mehr Rentnerinnen und Rentner) jährlich steigen, debattiert das Parlament über Reformen. Die politische Rechte will nicht nur Kürzungen der Leistungen, sondern auch höhere Hürden, um die Zahl der Anspruchsberechtigten zu senken. In den Debatten sprechen ihre Exponenten deshalb gerne über Missbrauchsbeispiele.
Die politische Linke will die Finanzierung der EL weiterhin mit Steuern sicherstellen. In den Debatten sprechen ihre Exponenten gerne über die hohen Lebenshaltungskosten in der Schweiz.»Ein Leben mit Ergänzungsleistungen ist ein Leben am Existenzminimum», sagte Silvia Schenker, SP-Nationalrätin.
Worüber wird weiterhin debattiert?
Die grosse Parlamentskammer will keine EL gewähren, wenn jemand ein Vermögen von mehr als 100’000 Franken hat. Ausserdem will sie den EL-Anspruch um 10% kürzen, wenn das aus der beruflichen Vorsorge bezogene Kapital vorzeitig verbraucht wurde.
Wie reagieren die Auslandschweizer?
Rückgängig gemacht hat die grosse Parlamentskammer ihren Beschluss vom März dieses Jahres, wonach künftig nur noch EL erhalten hätte, wer mindestens 10 Jahre in die AHV einbezahlt hat. Diese Sparmassnahme hatte den Protest der Auslandschweizer-Organisation (ASO) hervorgerufen. Laut ASO hätte sie eine Benachteiligung aller Personen bedeutet, die im Ausland gelebt haben.
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