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Spanische Anti-Monarchisten wollen Schweizer Justiz gegen Juan Carlos einspannen

Juan Carlos
Der emeritierte König Spaniens, Juan Carlos I. Keystone / Daniel Ochoa De Olza

Spanische Aktivisten lobbyieren in der Schweiz für rechtliche Schritte gegen den ehemaligen spanischen König Juan Carlos. Sie misstrauen der spanischen Justiz und erhoffen sich von einem Schweizer Urteil Druck auf Spanien, dass auch andere Korruptionsfälle im Königshaus untersucht werden. Aber es steckt noch mehr dahinter.

Dem abgetretenen König Juan Carlos wird in Spanien Korruption, Geldwäscherei und Steuerhinterziehung vorgeworfen. Wegen Konten in der Schweiz ermittelt auch die Genfer Staatsanwaltschaft gegen Personen in Juan Carlos Umfeld.

Spanische Aktivisten und Aktivistinnen versuchen, in der Schweiz Einfluss zu nehmen, damit Juan Carlos strafrechtlich verfolgt wird. Gleich zwei Organisationen sind in der Schweiz aktiv: Die NGO Òmnium Cultural sowie die Bürgerinitiative Mujeres x la República (Frauen für die Republik).

Ursprünglich während der Franco-Diktatur als Kulturorganisation zur Förderung der katalanischen Sprache gegründet, ist Òmnium Cultural heute – nebst der Katalanischen Nationalversammlung (ANC) – eine der massgeblichen separatistischen Organisationen in Katalonien. Die Organisation ist vergleichsweise finanzkräftig und gut vernetzt – auch in der Schweiz. Òmnium Cultural hat derzeit 183’000 Mitglieder.

Im Dezember 2018 fand in Madrid eine Volksbefragung über die bevorzugte Staatsform statt. Die Bürger und Bürgerinnen konnten angeben, ob sie lieber eine Monarchie oder eine Republik möchten.

Unter den Organisatoren dieser Volksbefragung waren Frauen, die schliesslich die kleine Gruppe Mujeres x la República (Frauen für die Republik) gründeten. Sie haben sich Bürgerbeteiligung und Feminismus auf die Fahne geschrieben.

Die Bürgerinitiative Mujeres x la República überreichte dem Schweizer Botschafter in Spanien im September 2020 einen offenen Brief an die Schweizer Staatsanwaltschaft, der auch an Schweizer Parlamentarier und Parlamentarierinnen sowie Schweizer Medien verschickt wurde.

In dem von rund hundert Personen unterzeichneten Brief schreiben die Aktivistinnen, nur die Schweizer Justiz könne unabhängig und fair über den ehemaligen spanischen König urteilen. Denn die spanische Justiz verschliesse seit Jahren die Augen gegenüber den Taten von Juan Carlos.

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Aktivisten beantragten Einfrierung von Konten

Einen Schritt weiter ging die finanzkräftigere Organisation Òmnium Cultural. Sie beantragte am 1. Juli 2020 die Sperrung von Juan Carlos Schweizer Konten. Die Schweizer Behörden lehnten dies ab. Begründung: Es liege keine aussergewöhnliche Situation vor im Sinne des Gesetzes über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen.

Im September 2020 reichte der Schweizer Parlamentarier Christian Dandrès eine parlamentarische Anfrage (InterpellationExterner Link) an die Regierung über die Vermögenswerte des ehemaligen Königs von Spanien ein. Er wollte wissen, wie der Bundesrat sicherstelle, dass «der gesetzliche Rahmen eingehalten wird und dass möglicherweise unrechtmässig erworbene Vermögenswerte zurückgezahlt werden».

«Ich bin nicht direkt von Òmnium Cultural kontaktiert worden», schreibt Dandrès auf Anfrage von swissinfo.ch. Sondern er habe mit Anti-Geldwäscherei-Aktivisten in Genf zusammengearbeitet, die wiederum mit Òmnium Cultural in Kontakt stünden.

Es ist in der Schweiz nicht unüblich, dass Lobbyisten mit ihren Anliegen an Parlamentarier und Parlamentarierinnen gelangen, die diese anschliessend mit politischen Vorstössen auf die Agenda bringen. Gerade bei ausländischen Akteuren ist das nicht unproblematisch, wie die «Kasachstan-Affäre» gezeigt hat.

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Angst, instrumentalisiert zu werden, hat Dandrès jedoch nicht. Für ihn geht es darum, dass die Schweiz Geldwäscherei wirksam bekämpfen müsse. «Die Frage betrifft die Schweiz, auch wenn sie eine internationale Dimension hat.»

Aktivistinnen halten spanische Justiz für parteiisch

Mujeres x la República hofft, dass Juan Carlos in der Schweiz verurteilt wird. Denn das würde in Spanien eine Tür öffnen und könnte zur Untersuchung anderer Korruptionsfälle im spanischen Königshaus führen, sagt Cristina Ridruejo von Mujeres x la República. «Die spanische Justiz hat bei unzähligen Gelegenheiten gezeigt, dass sie bei mutmasslichen Delikten des Königs wegschaut; deshalb brauchen wir leider die Hilfe anderer Länder.»

Laut Ridruejo liegt einer der Gründe für Spaniens Unfähigkeit, den König unparteiisch und unabhängig zu beurteilen, in einer fehlenden Gewaltenteilung. Ähnlich wie in der Schweiz werden in Spanien nämlich Richter und Richterinnen politisch gewählt.

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Auch Òmnium Cultural hält die spanische Justiz für parteiisch: «Wir glauben, dass Spanien niemals unabhängig über die königliche Familie urteilen wird. Denn damit würde eingeräumt, dass das Land vierzig Jahre lang von einer korrupten Person regiert wurde», sagt ein Sprecher von Òmnium Cultural.

Trotz der Informationen aus der Schweiz und trotz des in Genf eröffneten Verfahrens hätten sich die spanischen Gerichte bisher immer geweigert, ein Verfahren gegen Juan Carlos einzuleiten.

Zudem garantiere das gegenwärtige spanische Recht dem König eine weitgehende Immunität, die nach Auslegung des spanischen Obersten Gerichtshofs auch private Handlungen während der Amtszeit einschliesse. Dies im Unterschied zur völkerrechtlich garantierten Immunität, die nur amtliche Handlungen unter Schutz stellt. «Deshalb sind wir der Meinung, dass ein anderes Land wie die Schweiz aus der Distanz besser urteilen kann», so der Sprecher der Organisation.

Worum geht es den Aktivisten wirklich?

Mujeres x la República geht es nicht nur um die Strafverfolgung von Juan Carlos. Die Organisation stellt die Monarchie insgesamt in Frage. Die Organisation geht gestützt auf eine Madrider Volksbefragung davon aus, dass eine klare Mehrheit der spanischen Bevölkerung lieber eine Republik als eine Monarchie hätte.

Plakat an Hauswand
Touristen posieren vor einem Poster des aktuellen spanischen Königspaars Felipe und Letizia an der Hausfassade des Regierungssitzes in Madrid. In Spanien wird über Nutzen und Schaden der Monarchie diskutiert. Keystone / Luca Piergiovanni

Òmnium Cultural hingegen sind katalanische Separatisten, die einen eigenen Staat wollen. «Der spanische König repräsentiert den spanischen Staat, der abgelehnt wird», erklärt Rechtsprofessor Urs Saxer von der Universität Zürich. «Die Ablehnung geht zurück auf die Eroberung Barcelonas am 11.09.1714 im Spanischen Erbfolgekrieg. Mit einem Verfahren gegen den ehemaligen König sollen wohl auch die Monarchie sowie der spanische Staat generell geschwächt werden.»

Demonstration
Unabhängigkeitsanhänger halten am 11. September 2020 in Barcelona Bengalen mit den Farben der katalanischen Flagge. Sie feiern das «Fest für die Freiheit» am Tag Kataloniens. Keystone / Enric Fontcuberta

Dass die Aktivisten die spanische Monarchie bekämpfen, erstaunt den katalanischen Rechtsprofessor Xavier Arbós Marín von der Universität Barcelona keineswegs. Die katalanische Unabhängigkeitsbewegung habe die Monarchie als Achillesferse der spanischen Demokratie identifiziert. «Eines der Argumente für eine Sezession ist die geringe demokratische Qualität des spanischen Staates, da ist die Monarchie ein logisches Ziel. Und noch mehr Juan Carlos I. mit seinem verwerflichen Verhalten.»

Aktivisten internationalisieren ihr Anliegen

Indem die spanischen Aktivistinnen und Aktivisten ihr Anliegen auf die Schweizer Polit-Agenda setzen, erhalten sie im Ausland Aufmerksamkeit – was ihnen innenpolitisch nützlich ist.

Dass innere Konflikte «internationalisiert» werden, kommt laut Saxer sehr häufig vor. «Separatisten wie die Katalanen suchen die Unterstützung für ihr Anliegen im Ausland in der Hoffnung, dass Staaten und internationale Organisationen Druck auf den betreffenden Staat ausüben.»

Bei Separatisten hängt laut Saxer der Erfolg ihres Anliegens von der Anerkennung durch die Staatenwelt ab. Ein unabhängiges Katalonien könne es nur geben, wenn dies von wichtigen europäischen Akteuren unterstützt werde. «Teil der katalanischen Internationalisierungsstrategie ist das Exil Puigdemonts in Belgien und jenes von weiteren Separatisten wie Marta Rovira oder Anna Gabriel in der Westschweiz.»

Stühle auf der Strasse
Der Präsident von Òmnium Cultural, Marcel Mauri (links), und der damalige Präsident Kataloniens, Quim Torra (rechts), am «Fest für die Freiheit» am 11. September 2020 in Barcelona. Òmnium Cultural stellte 2850 leere Stühle auf die Strasse. Auf jedem Stuhl ist der Name eines Separatisten angebracht, der laut Òmnium Cultural von der spanischen Justiz verfolgt wird. Keystone / Enric Fontcuberta

Der Katalane Arbós Marín kommt zu einer ähnlichen Einschätzung wie sein Schweizer Kollege: «Dass die Aktivisten in der Schweiz tätig sind, ist sicherlich Teil der Internationalisierungsstrategie.» Zudem gelte die Schweiz als Land, das eher mit den Separatisten sympathisiere und wenig Verständnis für die spanische Reaktion habe.

Hoffnungen könnten enttäuscht werden

Es ist allerdings fraglich, ob die Schweiz die in sie gesteckten Erwartungen erfüllen wird. Der Bundesrat hat bis zur nächsten Session im Dezember Zeit, die oben genannte Interpellation zu beantworten.

Bezüglich Einfrierung von Juan Carlos Konten ist keine Überraschung zu erwarten. «In der Tat sind die Bestimmungen dieses Gesetzes [Bundesgesetz über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen] auf andere Situationen zugeschnitten, nämlich insbesondere auf Staaten mit notorischer Korruption oder ohne funktionierende Strukturen», sagt Saxer. «Diese Situation liegt bei Spanien eindeutig nicht vor. Denn Spanien ist ein demokratischer Rechtsstaat, der problemlos ein Rechtshilfeersuchen stellen kann, das die schweizerischen Behörden völlig normal prüfen und dem sie wohl stattgeben würden.»

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