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Die Schweiz, der Sport und die Korruption

FIFA-Präsident Gianni Infantino und IOC-Präsident Thomas Bach
FIFA-Präsident Gianni Infantino (links) und IOC-Präsident Thomas Bach stehen an der Spitze der beiden mächtigsten internationalen Sportverbände, die in der Schweiz ansässig sind. Keystone / Laurent Gillieron

Ob Fussball, Handball oder Gewichtheben: In den internationalen Sportverbänden in der Schweiz grassieren Korruptionsskandale. Daran konnte auch eine Intervention Berns wenig ändern. Experten sind ratlos.

Im November 2012 forderte das Bundesamt für Sport (Baspo) die internationalen Sportverbände auf, den Kampf gegen die Korruption in ihren Reihen zu verstärken. Es gehe nicht nur um die Integrität des Sports, sondern auch um das Image der Schweiz als Sitz zahlreicher Verbände, hielt das Baspo fest. Der BerichtExterner Link forderte die Einführung von harmonisierten und verbindlichen Governance-Regeln auf allen Ebenen des organisierten Sports sowie eine mögliche Verschärfung des Schweizer Korruptionsstrafrechts. Es war ein Weckruf mit wenig Wirkung, wie die Recherche von SWI swissinfo.ch zeigt.

Ein aktuelles Beispiel betrifft den Präsidenten des Internationalen Volleyballverbands (FIVB), den Brasilianer Ary S. Graça. Gegen ihn wird in Brasilien wegen Betrug, Geldwäsche und Identitätsdiebstahl ermittelt. Gemäss der Nachrichtenagentur APExterner Link behaupten die Staatsanwälte, dass Graça Geld aus einer Sponsoringvereinbarung zwischen der Banco do Brasil und dem brasilianischen Volleyballverband verwendet hat, um Verträge mit mutmasslichen Briefkastenfirmen zu bezahlen. Gegen neun weitere Personen sind Untersuchungen im Gang, darunter auch Generaldirektor Fabio Azevedo.

Philippe Leuba mit Christophe De Kepper, Generaldirektor des IOC, und Thomas Bach, Präsident des IOC
Der Waadtländer Minister Philippe Leuba (rechts) mit Christophe De Kepper, Generaldirektor des IOC, und Thomas Bach, Präsident des IOC, vor dem Start eines Radrennens im Jahr 2013. Die internationalen Sportverbände sind für den Kanton Waadt von zentraler wirtschaftlicher Bedeutung. Keystone / Jean-christophe Bott

Auf Anfrage erklärte der Verband mit Sitz in Lausanne, dass diese Behauptungen «die gleichen wie frühere» seien, welche sich als falsch erwiesen hätten. Gerichtsunterlagen würden belegen, dass die Funktionäre entlastet und der Fall offiziell abgeschlossen sei. Weiter heisst es, dass der Präsident und der Generaldirektor ihre Anwälte angewiesen hätten, «jeden Versuch, diese Behauptungen zu recyceln, energisch zu bestreiten», und «das Gerichtsverfahren derzeit ausgesetzt ist, bis die Entscheidung der zweiten Instanz vorliegt».

Ein extrem dehnbares Rechtssystem

Obwohl natürlich die Unschuldsvermutung gilt, ist auffällig, wie viele Vorwürfe gegen Spitzenfunktionäre von Sportverbänden mit Sitz in der Schweiz gerichtet werden.

«Sportorganisationen propagieren positive moralische Werte. Personen, die gegen das Gesetz verstossen, sollten dort keine Führungsfunktion übernehmen dürfen», sagt der Genfer Ständerat Carlo Sommaruga. Das Baspo schrieb in seinem Bericht, dass die Integrität des Sports nur Bestand habe, «wenn Verbände und Wettkampfveranstalter über jeden Zweifel erhaben sind».

Paradoxerweise kommt Betrüger:innen das Schweizer Vereinsrecht gelegen. «Es besteht aus bloss 20 Artikeln, von denen viele nicht bindend sind», kritisiert Jean-Loup Chappelet, ein emeritierter Professor am Hochschulinstitut für öffentliche Verwaltung an der Universität Lausanne. Yvan Henzer, Anwalt bei Libra Law, einer auf Sportrecht spezialisierten Kanzlei in Lausanne, ergänzt: «Dieses Recht wurde für lokale Vereine geschaffen, deshalb ist es so liberal.»

Die Gründung eines Vereins sei extrem einfach. «Angenommen, Sie haben eine neue Sportart erfunden und wollen einen Verband mit Sitz in der Schweiz gründen, dessen Präsident Sie sind», sagt Yvan Henzer. «Sie brauchen nur Statuten zu verfassen, indem Sie etwa die Statuten eines anderen Vereins übernehmen, und schon haben Sie Ihren Verein nach Schweizer Recht.» Wenn der Verband keine kommerziellen Ziele verfolge, sei es nicht einmal erforderlich, ihn einzutragen, ergänzt er. «Die Mitglieder sind dafür verantwortlich, dass die Statuten eingehalten werden, und der Staat kann sich nicht einmischen.»

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Was für kleine Sportvereine gilt, trifft auch auf die Grossen zu – zum Beispiel die FIFA mit Sitz in Zürich. Sie hat den gleichen Status wie kleine Fussballvereine: Sie muss keine Bücher führen und keine Abschlüsse veröffentlichen, obwohl sie Milliarden von Franken verdient, das meiste davon dank Sponsoring- und TV-Verträgen. «Internationale Sportverbände unterliegen nicht den gleichen Regeln wie private Unternehmen […], obwohl sie riesige Summen verwalten und mit ähnlichen Korruptionsrisiken wie Grossunternehmen konfrontiert sind», hielt das Baspo in seinem Bericht fest. Die FIFA betontExterner Link jedoch, dass sie jedes Jahr einen Finanzbericht vorlegt, der den Internationalen Finanzberichtsstandards (IFRS) entspricht.

Unruhige Gewässer

Der Fall des Präsidenten des Internationalen Volleyballverbands ist keine Ausnahme. Beim Internationalen Schwimmverband (FINA) in Lausanne sorgt der zum Präsidenten aufgestiegene Husain Al-Musallam seit Jahren für Schlagzeilen. Laut einer MeldungExterner Link der Nachrichtenagentur AP vom September 2021 war der Kuwaiter, der auch den Posten des Generaldirektors des Asiatischen Olympischen Rates innehat, 2017 zusammen mit seinem Landsmann Ahmad Fahad Al-Sabah wegen «mutmasslicher Erpressung und Korruption im Zusammenhang mit der FIFA und der internationalen Fussballpolitik» Gegenstand einer Untersuchung des US-Justizministeriums.

Doch das ist noch nicht alles. Husain Al-Musallam geriet 2017 in die SchlagzeilenExterner Link wegen eines aufgezeichneten Gesprächs, in dem es um die Veruntreuung von Geldern ging. Die FINA erklärt: «Diese alten Behauptungen werden von Präsident Husain Al-Musallam entschieden zurückgewiesen. Er wurde nie wegen eines mutmasslichen Vergehens angeklagt, und die Behauptungen wurden bereits von mehreren Ethikkommissionen untersucht.» Dabei sei jedes Mal festgestellt worden, dass kein Handlungsbedarf bestehe. Jedenfalls konnten die Vorwürfe den Marsch des Kuwaiters in Richtung FINA-PräsidentschaftExterner Link nicht aufhalten.

Doch nicht nur er, sondern auch sein FINA-Vize, der Italiener Paolo Barelli, steht unter Korruptionsverdacht. Der Präsident der Europäischen Schwimmliga (LEN) mit Sitz in Nyon wurde laut der Zeitschrift Swimming WorldExterner Link in einer Beschwerde genannt, bei der es um «finanzielle Unregelmässigkeiten» bei der Liga geht, gemeinsam mit zwei weiteren LEN-Mitgliedern: Generalsekretär David Sparkes aus Grossbritannien, der auch Mitglied des FINA-Vorstands ist, sowie Ex-Schatzmeister Tamas Gyarfas aus Ungarn. In der Klageschrift werden sie als «Unterzeichner eines Vertrags mit einer italienischen Versicherungsgesellschaft» bezeichnet, die von der LEN Zahlungen erhalten hat. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Waadt bestätigte die Eröffnung einer Untersuchung «in der erwähnten Angelegenheit». Die LEN wollte sich nicht zum Thema äussern.

Privatbestechung «nicht illegal» bis 2016

So erstaunlich es auch klingen mag: Bis vor sechs Jahren war Privatbestechung in der Schweiz nicht illegal. Darunter fällt auch die Bestechung innerhalb von Sportvereinen. «Zwar legen die Statuten fest, dass es einem Kandidaten zum Beispiel nicht erlaubt ist, eine Stimme zu kaufen, aber wenn ein Mitglied dies tat, kam es höchstens zu einem Disziplinarverfahren», erklärt Yvan Henzer.

Es waren diese Art von Vorfällen innerhalb der FIFA zu Zeiten Sepp Blatters (1998-2015), die Carlo Sommaruga 2010 dazu veranlassten, eine Parlamentarische InitiativeExterner Link einzureichen. Darin forderte er, dass Fälle von Privatbestechung von Amtes wegen verfolgt werden, also ohne dass Anzeige erstattet werden muss. Auch das St. Galler SVP-Mitglied Roland Büchel forderte in einer Motion Massnahmen gegen Korruption im Sport. Diese Vorstösse führten schliesslich zu einer Änderung des Schweizer Strafgesetzbuches auf der Grundlage der Empfehlungen der Staatengruppe gegen Korruption (GRECOExterner Link), einem Organ des Europarates. Die Änderung trat im Juli 2016 in Kraft.

Carlo Sommaruga
Carlo Sommaruga Keystone / Magali Girardin

«Aktive und passive Korruption wird nun von Amts wegen verfolgt», freut sich Carlo Sommaruga. «Die Staatsanwaltschaft verfügt somit über die rechtliche Grundlage für Ermittlungen.» Trotzdem glaubt der Genfer nicht, «dass die Staatsanwaltschaften die notwendigen Anstrengungen unternehmen, um die Korruption zu bekämpfen». Der Grund sei, so glaubt er, dass diese Fälle keine unmittelbaren Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft haben. «Wenn die FIFA Delegierten aus bestimmten Ländern Geldumschläge zusteckt, um ihre Stimmen zu beeinflussen, hat das für die Schweiz keine finanziellen oder sozialen Auswirkungen», erklärt er. Doch es schade dem Image des Landes.

Lukrative Verbände

Die Flexibilität des schweizerischen Rechtsrahmens sei für viele Sportverbände ein Grund gewesen, sich in der Schweiz niederzulassen. «Aber es war nicht der einzige», wie Experte Jean-Loup Chappelet erklärt. «Viele Verbände kamen in den 90er-Jahren aufgrund der aktiven Politik des damaligen IOC-Präsidenten Juan Antonio Samaranch. Sie wollten auch näher an das in Lausanne ansässige IOC heranrücken, von dem viele finanziell abhängig sind.»

Denn alle vier Jahre verteilt das IOC die Einnahmen aus den Olympischen Spielen an die Verbände neu, je nach Wichtigkeit der jeweiligen Sportart. «Die genauen Kriterien sind unbekannt, aber die TV-Einschaltquoten spielen eine wichtige Rolle», so Chappelet. Der Experte erklärt, dass «die Verbände der Sommerspiele derzeit über rund 530 Millionen US-Dollar verfügen, die sie unter sich aufteilen können, während die sieben internationalen Wintersportverbände bis Ende 2022 etwa 220 Millionen Dollar zu verteilen haben werden.»

Weitere Gründe für die Wahl des Standortes waren die zentrale Lage der Schweiz in Europa und die Tatsache, dass die Alpenrepublik von Kriegen und Krisen weitgehend verschont geblieben war.

Die Schweiz beherbergt heute 53 internationale Sportorganisationen, 46 davon haben ihren Sitz im Kanton Waadt. Dies geht aus einem BerichtExterner Link der International Academy of Sport Science and Technology (AISTS) hervor, der sich auf die Jahre 2014 bis 2019 bezieht. Dem Report zufolge erwirtschafteten diese Organisationen in diesem Zeitraum 1,68 Milliarden Franken pro Jahr, wovon 873 Millionen auf den Kanton Waadt entfielen. Und sie beschäftigten 2019 insgesamt rund 3300 Personen.

Blick auf Lausanne in der Nacht
Internationale Verbände sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im Kanton Waadt. Im Bild die Stadt Vevey. © Keystone/ Valentin Flauraud

Internationale Sportverbände sind im Kanton Waadt von der Steuer befreit. Der für Sport zuständige Staatsrat Philippe Leuba lehnt es jedoch entschieden ab, dies als Grund für die Beliebtheit seines Kantons zu sehen. «Alle Länder der Welt befreien diese Verbände von der Steuer», sagt er. Laut dem FDP-Mitglied spielten die Nähe zum IOC, die gute Vernetzung und die in der Schweiz einzigartige administrative Unterstützung, die den Verbänden die Niederlassung erleichtert, eine wichtige Rolle.

Milliardäre, Ex-Minister, PEPs

In den grossen Sportverbänden haben oft frühere hohe Staatsfunktionäre und Wirtschaftsmogule das Sagen. Ein Beispiel dafür ist der in Lausanne ansässige Internationale Fechtverband (FIE), dessen Präsident kein anderer als der russische Oligarch Alischer Usmanow ist. Seine Streits mit dem russischen Oppositionspolitiker Alexei Nawalny, der ihn der Korruption beschuldigte, sorgten in Russland für viel Aufregung. Der Milliardär – dem eine Nähe zur Macht zugesagt wird – gewann jedoch seine Verleumdungsklage gegen den Oppositionellen.

Der in Lausanne wohnhafte Usmanow, der dafür bekannt ist, einen Grossteil seiner Zeit auf einer gigantischen Yacht zu verbringen, machte sich 2020 einen Namen, als er das Originalmanuskript des 1892 verfassten Manifests der Olympischen Spiele für 8,8 Millionen Dollar ersteigerte und es dem IOC schenkte. Er tauchte 2017 auch in den «Paradise Papers» wegen Interessenkonflikten auf, die er aber stets bestrittenExterner Link hat.

In den Führungsetagen grosser Sportverbände sitzen eine Reihe solcher politisch exponierten Personen (PEP). Das sind ehemalige Staatsoberhäupter, Minister:innen, Richter:innen oder hochrangige Mitglieder von Streitkräften. Gemäss AngabenExterner Link des britischen Unternehmens Northrow, das sich auf die Bekämpfung von Finanzkriminalität spezialisiert hat, seien solche Personen «mehr Gelegenheiten ausgesetzt, Bestechungsgelder anzunehmen, aufgrund ihrer Position in Korruption verwickelt zu sein oder Geld zu waschen.»

Das Schweizer Parlament hat vor einigen Jahren die Leiter von Sportverbänden in die Kategorie der PEPs aufgenommen – es ist ein Status, der erhöhte Sorgfaltspflichten für Banken mit sich bringt.

Sanfte Reformen

Auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) selbst ist von Korruptionsskandalen betroffen. Oft genannt wird der Salt Lake City-Skandal, als mehrere Mitglieder bestochen wurden, damit sie für die Bewerbung der US-Stadt um die Winterspiele 2002 stimmen – und daraufhin vom IOC ausgeschlossen wurden. Ähnliche Affären trüben regelmässig die Vergabeverfahren, zuletzt die Sommerspiele in Tokio. «Ab 2015 sagte das IOC ‘enough is enough’«, so Jean-Loup Chappelet. Die Organisation führte daraufhin neue Governance-Regeln ein, an denen auch Chappelet mitgearbeitet hat. «Heute veröffentlichen alle 33 internationalen Verbände der olympischen Sommersportarten ihre Jahresabschlüsse», sagt er. Somit habe sich zumindest beim IOC etwas getan, auch wenn noch vieles im Argen liege, wie er betont.

Doch wie kann es sein, dass trotz dieser Fortschritte ein Mann wie Husain Al-Musallam kürzlich zum Präsidenten des Internationalen Schwimmverbands gewählt wurde? «Er war der einzige Kandidat, das ist das Problem», erklärte Chappelet. «Es sind die nationalen Verbände, die entscheiden, wen sie wählen. Man müsste sie von der Notwendigkeit einer Veränderung überzeugen, aber wie man so schön sagt: Truthähne mögen keine Weihnachten.»

Mark Pieth, ehemaliger Professor für Strafrecht an der Universität Basel und Experte für Korruptionsbekämpfung, war an den Reformen der FIFA beteiligt. Er äussert sich kritisch: «Die FIFA hat endlich einen neuen Ethikkodex und andere recht moderne interne Regeln verabschiedet, aber gleichzeitig den unabhängigen Supervisor und die Ethikkommission rausgeworfen und sie durch Freunde oder inkompetente Personen ersetzt», beklagt er. «Mit den falschen Leuten kann ein guter Vorsatz schnell zu einem Papiertiger werden.»

Mark Pieth
Mark Pieth Keystone / Walter Bieri

Pieth ist zwar der Ansicht, dass sich «die Ethikkommission des IOC verbessert hat», doch ist er überzeugt, dass die Korruption in einigen Verbänden «systemisch» ist. «Man darf nicht vergessen, dass die Wähler:innen aus der ganzen Welt kommen und Korruption in vielen Staaten die Norm ist.»

Wenn das IOC interveniert

Wenn Funktionäre in der Öffentlichkeit nicht mehr tragbar sind, schreitet oft das IOC ein. Dies geschah im Fall des kuwaitischen Scheichs Ahmad Fahad Al-Sabah, als dieser im November 2021 erneut zum Präsidenten des Asiatischen Handballverbands (AHF) gewählt wurde. Nur zwei Monate zuvor war er vom Genfer Strafgericht wegen Urkundenfälschung zu 15 Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt worden.

Laut Sportportal Inside the gamesExterner Link intervenierte das IOC bei der in Basel ansässigen Internationalen Handballföderation (IHF), was diese gegenüber SWI swissinfo.ch bestätigt hat. Der Scheich wurde zwar an die Spitze der Organisation gewählt, beschloss aber kurz danach, «sich freiwillig vom Amt zurückzuziehen».

Doch selbst wenn Köpfe rollen, bleiben Governance-Probleme oft bestehen. Dies ist bei der FIFA der Fall. Nach dem Rücktritt von Sepp Blatter (wegen unrechtmässiger Zahlungen an seinen Vize Michel Platini) übernahm der Schweizer Gianni Infantino die Spitze des Weltfussballverbandes. Doch Infantino steht nun wegen geheimer Treffen mit dem ehemaligen Bundesanwalt im Visier der Schweizer Justiz. Die Treffen sollen stattgefunden haben, als die Bundesanwaltschaft gegen die FIFA ermittelte. Treffen, die laut Gianni InfantinoExterner Link arrangiert wurden, um die Bereitschaft der FIFA zur Zusammenarbeit mit der Bundesanwaltschaft zu demonstrieren.

Auch beim Internationalen Gewichtheberverband (IWF), der seit kurzem in Lausanne ansässig ist, folgt ein Vorfall dem nächsten. Sein 80-jähriger Präsident Tamás Aján trat 2020 wegen eines Doping- und Korruptionsskandals zurück. Der Vize Intarat Yodbangtoey übernahm daraufhin das Amt, obwohl dieser im selben Jahr mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert wurde. Er soll 2017 «Bestechungsgelder in Höhe von 5000 US-Dollar verteilt haben», steht in einem entsprechenden BerichtExterner Link. Der Verband wollte sich auf Anfrage nicht äussern.

Tamas Ajan
Der Ungar Tamas Ajan trat 2020 aufgrund eines Doping- und Korruptionsskandals als Präsident des Internationalen Gewichtheberverbands (IWF) zurück. Keystone / Jeff Roberson

Mögliche Berufsverbote

Wie können angesichts solcher Fälle Governance-Probleme in den internationalen Sportverbänden beseitigt werden? Ständerat Carlo Sommaruga glaubt, dass zeitlich begrenzte Berufsverbote eine Lösung sein könnten. «Im Strafgesetzbuch sind Berufsverbote von bis zu fünf Jahren vorgesehen», sagt er. «Solche Suspendierungen sollten häufiger ausgesprochen werden. So könnten problematische Personen für ein paar Jahre auf Eis gelegt werden», sagt Sommaruga.

Für den Politiker wären auch nationale Regeln für die internationale Verbände denkbar. «Es müssten gewisse Anforderungen an die Redlichkeit der Mitglieder von Verbandsvorständen gestellt werden. Leider ist es schwierig, bei diesem Thema eine politische Mehrheit zu finden», sagt der Genfer weiter. Der Kriminologe Mark Pieth sieht das ähnlich: Eine solche Massnahme sei bereits vor rund zehn Jahren abgelehnt worden. «In den 2010er-Jahren schlug der Europarat vor, die Sportverbände stärker zu beaufsichtigen, doch der Vorschlag scheiterte am mangelnden Willen des Schweizer Parlaments. Die Sportlobby legte ein Veto ein, weil man befürchtete, dass die Verbände abwandern würden», bedauert er.

Imageschaden für die Schweiz?

Doch wie gross ist der Imageschaden für die Schweiz? Die Frage ist auch zehn Jahre nach der Veröffentlichung des Baspo-Berichts aktuell. Kann heute schon nur die Präsenz der Sportverbände auf Schweizer Boden dem Ruf des Landes schaden?

«Im Gegenteil», findet Philippe Leuba. Wenn man von sportlichen Idealen beseelt sei, «kann man diese auch bei uns leben». Der Waadtländer möchte sich weniger mit Problemen und Polemiken aufhalten als vielmehr die positiven Seiten des Sports betonen. Für ihn sei der Sport ein friedensfördernder Faktor. «Zum Beispiel wurde noch nie so viel über das Arbeitsrecht in Katar gesprochen wie seit der Vergabe der Fussball-WM. Manchmal muss man auch die Arbeit würdigen, die von den internationalen Sportverbänden geleistet wird.»

Carlo Sommaruga wiederum plädiert für eine differenzierte Sicht: Skandale in Verbänden, die «aufgrund ihrer geringeren Medienpräsenz etwas unter dem Radar fliegen», machen ihm weniger Sorgen um den Ruf der Schweiz als solche bei der FIFA, der UEFA oder dem IOC, die «unter ständiger medialer und öffentlicher Beobachtung stehen und riesige Geldsummen umsetzen.» Die FIFA ist ihm in dieser Hinsicht ein Dorn im Auge. Die Tatsache, dass dieser Prozess in den USA abgeschlossen ist, während in der Schweiz noch nicht einmal der zuständige Staatsanwalt ernannt worden ist, schade dem Image der Schweiz und hinterlasse «den Eindruck einer Bananenrepublik». «Man fragt sich, ob es nicht irgendwo eine unausgesprochene Absicht gibt, dass es nie zu Verurteilungen kommen darf.»

Mark Pieth zeigt sich eher desillusioniert: «Sportorganisationen bringen der Schweiz ein gewisses Prestige, aber die Anwesenheit einiger, etwa die FIFA oder das IOC, könnte den gegenteiligen Effekt haben.» Der Kriminologe bezweifelt jedoch, dass die Korruption dem Image des Landes wirklich schaden wird. «Die Schweiz hat in ihrer Geschichte so viele Skandale erlebt – man denke an Diktatoren-Gelder, Nazi-Raubgold oder aktuell den Rohstoffhandel. Nichts hat ihr jemals wirklich geschadet.»

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