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Starker Franken macht Exporteuren das Leben schwer

Baumann Federn hat auch ein Werk im US-Bundesstaat Texas. baumann-springs.com

Der Schweizer Franken zeigt weiterhin keine Anzeichen von Schwäche. Deshalb sucht die Schweizer Exportindustrie mit Hochdruck nach Möglichkeiten, den Gürtel enger zu schnallen und angesichts der Währungskrise wettbewerbsfähig zu bleiben.

Zum Beispiel Baumann Federn. Die Aktiengesellschaft ist eines der von der Währungskrise betroffenen KMU (kleine und mittelgrosse Unternehmen). Ohne Veränderungen wird die Firma dieses Jahr laut eigenen Berechnungen rund zehn Prozent ihres Umsatzes einbüssen, und für die Schweizer Produktionsstätte im sankt-gallischen Ermenswil erwartet das Unternehmen einen operativen Verlust.

Baumann ist damit nicht allein. Exporteure aller Grössenordnungen leiden unter dem starken Franken. Laut SwissmemExterner Link, dem Verband der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie, gingen die Umsätze seiner über tausend Mitglieder in der ersten Jahreshälfte um 7,1% zurück.

Gewinnmargen und Reingewinne nahmen ebenfalls ab, seit die Schweizerische Nationalbank am 15. Januar 2015 die Verteidigung eines Mindestkurses gegenüber dem Euro aufgegeben hat. Zudem trocknen die Auftragsbücher in der alarmierenden Höchstrate seit dem Tiefpunkt der Branche 2009 aus.

Baumann ist in vielen Belangen ein typisches Swissmem-Mitglied. Das Unternehmen beschäftigt weltweit 1500 Arbeitnehmende, darunter 500 in der Schweiz. Es stellt individuell gefertigte Federn her für Fahrzeuge, medizinische Geräte und Elektroartikel. 88% der Produkte werden exportiert, der Grossteil davon in die Europäische Union. Viele seiner Konkurrenten haben ihren Firmensitz im kostengünstigeren Deutschland.

Laut Hansjürg Hartmann, Geschäftsführer von Baumann Schweiz, war mit den Geschäftsbedingungen dieses Jahr noch schwieriger umzugehen als 2009, als sich die Welt fest im Griff der Finanzkrise befand.

2009 habe eine weltweite Krise geherrscht. Dabei seien auch ihre Konkurrenten gefordert gewesen zu reagieren und sich anzupassen. Heute handle es sich aber nur um ein Schweizer Problem, das ihre Konkurrenz im Ausland nicht betreffe, erklärt er.

«Schweizer Unternehmen haben ein Gewinnmargen-Problem, wenn sie Rechnungen in Euro ausstellen, oder ein Wettbewerbsfähigkeits-Problem, wenn sie Rechnungen in Franken ausstellen. 2009 handelte es sich um ein Nachfrage-Problem. Wir müssen heute viel produktiver werden, um angesichts unserer internationalen Konkurrenten wettbewerbsfähig zu bleiben», sagt er.

«2009 standen wir einer Wirtschaftskrise gegenüber, die weltweit auf die Nachfrage drückte. Dieser Herausforderung war mit unserer Belegschaft und Produktion relativ einfach zu begegnen», so Hartmann.

Swissmem-Zahlen

Die über 1000 Swissmem-Mitglieder verzeichneten im ersten Halbjahr 2015 einen Auftragsrückgang um 14,7%. Die Umsätze gingen um 7,1% zurück, das Exportvolumen um 2,2% auf 31,6 Mrd. Fr.

Exporte in die EU, bei weitem der grösste Markt für Swissmem-Firmen, gingen um 5,2% zurück. Solche nach Russland und Brasilien, beide befinden sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, gingen um 26,8% respektive 22,2% zurück.

Eine der alarmierendsten Zahlen, die aus der halbjährlichen statistischen Zusammenfassung hervorgehen, ist die Abnahme der Exporte nach China um 8,8%. China war einer der wichtigsten Wachstumsmärkte der letzten Jahre.

Dank einer starken Zunahme der Exporte nach Indien (13,4%) und Südkorea (16,2%) kann Swissmem für Asien trotzdem einen Zuwachs von 5,3% verzeichnen.

Ein anderes Glanzlicht ist das ununterbrochene Wiederaufleben des US-Marktes, der im ersten Halbjahr 2015 im Vergleich zur Vorjahresperiode 11,4% mehr Schweizer Exporte aufnahm.

Bei den Swissmem-Betrieben ging die Anzahl der Angestellten von 333’675 Ende 2014 auf 329’173 im ersten Viertel dieses Jahres zurück.

«Vor dem Januar dieses Jahres waren wir voll ausgelastet. Doch von einem auf den anderen Tag machten einige unserer Produkte bei gleicher Arbeitsbelastung zwischen 10 und 15% weniger Profit. Wir arbeiten in einem sehr nebligen Umfeld, weil niemand weiss, welche Wechselkurse in den kommenden Monaten gelten werden.»

Radikale Schritte

Baumann erhöhte Anfang Jahr die Arbeitsstunden für seine Angestellten. Nun wird die Produktpalette unter die Lupe genommen und entschieden, welche Produktionslinien beibehalten und welche aufgegeben werden sollen. Auch das Einfrieren geplanter Investitionen und Stellenbesetzungen sowie eine Überarbeitung der Preisliste für die Kunden werden erwogen.

Andere Optionen wären eine Reorganisation von Management- und Back-Office-Strukturen sowie die Suche nach neuen Wegen zur Verbesserung der Effizienz in der Produktion. Vermutlich der radikalste aller möglichen Schritte wäre eine Steigerung der Produktion an Standorten ausserhalb der Schweiz.

Diese letzte Option könnte aber auch die schwierigste sein, betont Hartmann. «Das ist ein sehr komplexer Prozess. Man kann nicht einfach einen Knopf drücken und Teile der Produktion aus der Schweiz auslagern. Ein Teil der nötigen Technologie und des Knowhows gibt es in anderen Ländern vielleicht gar nicht. Zudem muss eine teilweise Verlegung ein zeitintensives und teures Genehmigungsverfahren unserer Kunden durchlaufen», betont er.

Doch laut Swissmem erwägen mehr und mehr Schweizer Firmen die Verlegung eines Teils ihrer Produktion ins Ausland. Eine kürzliche Umfrage, bei der 400 Mitglieder mitmachten, zeigte, dass 46% diesen Prozess in der Eurozone begonnen haben oder einen solchen planten. Im Januar waren es noch 34% der Firmen.

Beängstigende Entwicklung

Bereits heute beschäftigen die Mitglieder von Swissmem mehr Mitarbeitende im Ausland (560’000) als in der Schweiz (330’000). «Die Anzahl im Ausland angestellter Personen hat in den letzten fünf Jahren kontinuierlich zugenommen», sagt Swissmem-Präsident Hans Hess. «Diese Entwicklung wird wegen der Situation des starken Frankens weitergehen – und sich sogar beschleunigen.»

Dies bereitet den Gewerkschaften Sorgen. Der Arbeitnehmer-Dachverband «Angestellte Schweiz» befürchtet, dass Schweizer Arbeitnehmende einen zu hohen Preis für die Auswirkungen des starken Frankens auf die Industrie zahlen könnten. Die Organisation verlangt: «Keine Stellen abbauen oder verlagern, sondern in die Innovation und die Mitarbeitenden investieren.»

(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)

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